Jemand

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gewidmet Artgirl205, deren Kunst mit Worten ihre Leser in den Bann zieht.

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Ich nehme erneut Geräusche wahr. Schon wieder treibt sich jemand im Labyrinth herum und nähert sich mir. Rüsten sie jetzt etwa zum Sturm auf mich?

Aber diesmal ist es anders. Der Mensch, der sich auf mich zu bewegt, stößt keine Flüche und Verwünschungen aus. Und er tobt nicht. Er geht ruhig und überlegt vor.

Ich höre es, wenn er eine Tür öffnet und hindurchgeht. Dann ist es eine Weile still, bis auf leises Füßetappen. Offenbar will er feststellen, durch welche Tür ich den Raum verlassen habe. Denn erst nach einigen Minuten höre ich die nächste Tür schlagen.

Ich will ihm nicht begegnen. Nicht wieder einen solchen sinnlosen Kampf durchstehen. Nicht schon wieder vergeblich zu erklären versuchen, dass ich nicht gefährlich bin und niemanden töten will. Mich nicht töten lassen.

Denn das hat mir dieser Jüngling klargemacht. Ich soll sterben. Getötet werden als Sühne für Verbrechen, die ich nie begangen habe. Getötet werden für etwas, an dem ich unschuldig bin. Getötet werden für meine bloße Existenz.

Warum stört sie mein Vorhandensein überhaupt? Man hat mich weggesperrt. Niemand kann mehr durch meinen Anblick beleidigt oder erschreckt werden. Ich kann niemandem mehr schaden, selbst wenn ich wollte. Und ich will es nicht einmal. Ich habe nur den Wunsch, aus dem Labyrinth frei zu kommen. Ich verspüre nicht das geringste Verlangen, mich an irgendjemandem für meine Gefangenschaft zu rächen.

Ich will nur raus. Endlich wieder frische Luft atmen. Mich frei bewegen können. Wiesen, Bäume und Meer sehen. Auf der Erde laufen können statt auf Stein, der meinen Hufen wehtut. Und vor allem die Wärme der Sonne auf meiner Haut spüren. Neue Kraft schöpfen aus den Strahlen, welche die Erde erhellen und erwärmen, ihr Leben schenken. Ich bin der Enkel des Sonnentitans, ich brauche die Sonne.

Aber ich sehne mich auch nach Gesellschaft. Es hat mir gutgetan, mit diesem Jüngling zu sprechen, wenn es auch nur kurz war. Ich habe die ersten Jahre meines Lebens unter Menschen verbracht und ich erinnere mich jetzt wieder, wie es war. Ich habe erlebt, wie schön es ist, mit anderen zu sprechen, zu spielen, zu lachen. Jemanden berühren zu können. Meine Schwestern singen zu hören. Den Frauen beim Tanzen zuzusehen. Die Jahre, die ich unter den Menschen verbringen durfte, waren wunderschön, trotz aller Anfeindungen, die ich erlebt habe. Ich hungere nach menschlicher Gesellschaft. Ich kann einfach nicht mehr alleine sein.

Ich bin hin- und hergerissen. Soll ich das Zimmer wechseln oder bleiben? Wenn dieser Mensch mich findet, wird er mich sicher ebenfalls angreifen. Das will ich nicht. Weder will ich mich töten lassen noch will ich jemanden töten, nur weil man ihm Lügen über mich erzählt hat.

Aber wenn ich fliehe, wird er mir folgen. Noch nie ging jemand so zielstrebig vor. Den Geräuschen nach ist er nur noch zwei, vielleicht drei Zimmer entfernt. Und da er genau auf die Spuren achtet, die ich hinterlasse, wird er meinen Weg verfolgen können. So kann das Ganze zu einer ewigen Jagd ausarten. Wenn ich mehrmals am Tag das Zimmer wechsle, wird mein Verfolger genug Nahrung und Wasser vorfinden. Und da ich irgendwann auch einmal schlafen muss, ist es nahezu sicher, dass er mich findet. Dann besser gleich.

Ich bleibe also am Lesetisch sitzen. Lasse sogar die Schriftrolle aufgerollt über dem Pult, an der Stelle, an der ich zuletzt gelesen habe. Und warte.

Es dauert nur wenige Minuten. Dann höre ich bereits jemanden hinter der Tür gehen. Die Schritte entfernen sich, kommen dann aber wieder. Die Riegel werden zurückgeschoben und dann öffnet sich die Tür.

Ein junger Mann steht im Türrahmen. Er ist schlank, muskulös und ein gutes Stück kleiner als ich. Dunkelbraune Locken, graue, fröhlich blickende Augen, ein breiter, offenbar stets zum Lachen bereiter Mund, eine gerade Nase mit schmalen Flügeln und flacher Wurzel. Daran vor allem erkenne ich, dass er ebenfalls Grieche sein muss. Wäre er von der anderen Seite des Mittelmeeres, wären die Nasenflügel breiter; käme er aus dem Norden, wäre eine tiefe Kuhle zwischen Nasenrücken und Stirn, käme er aus dem Westen, wäre seine Nase gebogen. Er scheint jedoch vom Festland zu sein. Er trägt einen knielangen, ärmellosen Chiton ohne jede Schnürung und einen schmalen, ledernen Waffengurt. An den Füßen hat er kurze, gebundene Sandalen. Er ist bewaffnet, ein Schwert sowie ein Dolch stecken in am Gürtel befestigten Scheiden und ein weiteres, größeres Schwert hat er auf den Rücken gebunden. Über die rechte Schulter hat er ein langes, dünnes Seil aufgerollt, dessen Ende in das Zimmer zurückführt, welches er gerade verlassen hat.

Er bleibt stehen, als er mich sieht, ist aber weder erschrocken noch zornig. Mit leicht geneigtem Kopf mustert er mich aufmerksam, dann sagt er: „Prinz Asterios, vermute ich?"

 Mit leicht geneigtem Kopf mustert er mich aufmerksam, dann sagt er: „Prinz Asterios, vermute ich?"

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Vollkommen verdutzt starre ich ihn an.

Vollkommen verdutzt starre ich ihn an

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Unstern unter der Sonne ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt