Aigle

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Schon in den ersten Minuten entscheide ich, dass ich Panopeus nicht mag

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Schon in den ersten Minuten entscheide ich, dass ich Panopeus nicht mag. Er ist laut, prahlerisch und führt große Reden. Mutig ist er allerdings; bei meinem Anblick hat er nicht nach seinen Kriegern gerufen, sondern nach seinem Schwert gegriffen. Bis ihm Tess erklärt hat, dass ich harmlos bin. Daraufhin hat er mir großzügig seinen Stall und die Wiese vor dem Palast zur Verfügung gestellt.

Irgendwie bringt es Tess dennoch fertig, mich beim Begrüßungsmahl mit einzuschleusen. Panopeus lässt sogar zwei Sklaven eine besonders stabile Kline für mich bringen. Hier sind sie kleiner und für nur eine Person gedacht. Aber es findet sich tatsächlich eine Kline, die für mich geeignet ist. Panopeus gesteht offen ein, dass er auch mit dem Besuch von anderen Teilnehmern der Jagd rechnet und einige von denen sind beinahe so titanisch gewachsen wie ich.

Sein Sohn Epeios darf bei uns liegen, seine Tochter hingegen bedient uns, ebenso wie einige Sklaven. Und Panopeus hat sie auch durchaus nötig. Der Krater, in dem sich der mit Wasser verdünnte Wein befindet, steht direkt neben ihm. Aber um ihn nachzufüllen, winkt er einem Sklaven, der einen kleinen Krug in den Krater taucht und ihm daraus in seinen reichverzierten Skyphos eingießt. Mir hat er auch einen dieser Griffbecher geben lassen, aber seine Tochter Aigle hat nur den Kopf geschüttelt und mir wortlos eine große Schale geholt. Aus der kann ich wesentlich besser trinken.

Panopeus prahlt damit, dass es auf Naxos den besten Wein Griechenlands gibt. Dem stimme ich nach einem Probeschlabbern sogar zu. Ich bezweifle allerdings, dass unser Gastgeber mehr damit zu tun gehabt hat als den Wein von den Winzern als ihm zustehenden Tribut beschlagnahmt zu haben. Wenn man ihm zuhört, könnte man meinen, er selbst habe ihn gekeltert.

Wir lassen Panopeus reden. Sein Sohn scheint schüchtern zu sein; er meldet sich kaum zu Wort. Auch Laus, Ikar und ich sind nicht gerade gesprächig, die Mädchen, sonst so munter, schweigen lieber, da sie hier nur geduldet sind. Nach Panopeus dürften Frauen gar nicht am Mahl teilnehmen, aber Tess hat da Einspruch erhoben.

Die Athener richten sich nach ihrem Prinzen. Und der ist, vor allem für seine Verhältnisse, ungewöhnlich still. Während ihr Vater unaufhörlich redet, huscht Aigle still und behände durch den Raum, fällt nur wenig auf und sorgt doch dafür, dass wir alle stets zu essen und zu trinken haben. Und Tess' Blick folgt ihr fast ständig.

Aigle erhebt kaum jemals die Augen zu einem von uns. Sie ist sehr schön; ich kann das Interesse des athenischen Prinzen verstehen. Und gänzlich anders als Aria. Aigle ist klein und sehr zart, ihre Haut beinahe so hell wie die eines Nordländers und ihr Haar, wie es bei uns Griechen immer wieder mal vorkommt, leuchtend blond. Sie wirkt ätherisch, wie eine Art Luftgeist und beinahe unwirklich neben meiner lebendigen, hochgewachsenen Schwester. Die beiden sind sehr gegensätzlich. Und Tess' Blicken nach weiß er nicht, welche ihm nun besser gefällt.

Aigle sieht mich nicht an, wenn sie mir etwas reicht oder Wein nachfüllt. Letzteres muss sie häufig tun, da ihr Vater viel trinkt und es Usus ist, dann auch allen Gästen nachzuschenken, damit jeder das gleiche Quantum trinkt. Nur sind meine Schale und die Becher der anderen dann nicht leer und Aigle schüttet nur einen Schluck nach.

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