Kapitel 28

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Am nächsten Morgen wachte ich mit dem gleichen Lächeln auf, wie ich auch am Vorabend eingeschlafen war. Ich verwirklichte mein "Bedürfnis" mich zu kneifen und hoffte inständig nicht aus einem fantastischen aber nicht der Realität entsprechenden Traum zu erwachen. Zu meiner großen Erleichterung bewahrheitete sich das Worst-Case-Szenario nicht und ich fand mich in der Stimmung mit wortwörtlichen Luftsprünge den Tag zu beginnen.

Am Frühstückstisch spürte ich förmlich wie drei Augenpaare mich kritisch musterten.

>>Ich traue dem Braten nicht. So gut kannst du doch gar nicht geschlafen haben.<< mein Vater kniff die Augen zu einem Schlitz zusammen und fixierte mich.

Ich lächelte ihn nur freundlich an.

>>Dein Vater hat Recht. Du hast heute noch kein einziges Mal gemeckert oder dergleichen. Was ist los mit dir?<< fragte nun auch meine Mutter und ich konnte grob erahnen, dass nun auch Charles es sich nicht nehmen lies seinen Senf hinzuzugeben.

>>Hat das mit diesem netten jungen Mann zu tun, den ich gestern kennenlernen durfte? Jonathan und du, ihr scheint euch ja ganz gut zu verstehen für die kurze Zeit, die ihr euch erst kennt.<< fragte Charles.

Ich wusste natürlich, dass dahinter keine böse Absicht steckte, aber damit waren meine Eltern nun noch hellhöriger als zuvor. Grinsend sah mich meine Mutter an woraufhin ich nur demonstrativ meinen Kopf schüttelte. Wenn sie wüssten.

>>Ach komm, nun gib Jonathan doch eine Chance.<< schlug mein Vater, was ich mit einem genervten Blick quittierte.

>>Was sagten wir zum Thema verkuppeln?<< fragte ich bissig und er hob nur beschwichtigend die Hände.

>>Was ist denn dein Plan für heute?<< erkundigte meine Mutter sich bei mir um das Thema zu wechseln.

Was war mein Plan? Gute Frage. Dürfte ich es mir aussuchen, würde ich den Tag natürlich in Zweisamkeit mit Jenny verbringen, aber so einfach war das definitiv nicht. Würde ich so mir nichts dir nichts hinüber gehen und klingeln würden alle vom nahelingstens ausgehen und zwar, dass ich zu Nat wollte. Jenny würde umgekehrt nicht einfach hier auftauchen, allein aufgrund der Sorge Charles könnte Verdacht schöpfen. Ich verstand den Druck den sie verspürte, denn für sie stand wesentlich mehr auf dem Spiel als für mich. Jedoch sehnte ich mich nach ihr seitdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Ich beschloss eine Runde durch London zu laufen, ohne Plan und Ziel. Das machte ich gerne um den Kopf frei zu bekommen oder wenn ich einfach meine Ruhe brauchte. Ich antwortete meiner Mutter indem ich ihr meinen Plan mitteilte und eine Stunde später stand ich auch schon in mitten des unruhigen Getümmels der berühmten Londoner Kreuzung.
Ich bahnte mir meinen Weg durch die gefüllten Straßen und wog ab, ob ich zuerst Mino oder Lily anrufen sollte. Ich platze fast vor Freude und musste mit jemandem über den gestrigen Tag reden. Meine Wahl fiel zuerst auf Lily und dann im Anschluss würde ich Mino anrufen.
Lily konnte diesen Zufall, dass Jennys Familie nun unsere Nachbarn waren kaum glauben. Im ersten Moment unterstellte sie mir sogar allen ernstes ich würde sie hereinlegen wollen. Ich schilderte ihr den Verlauf des gestrigen Tages bis hin zu dem Gespräch zwischen Jenny und mir. Was Jennys Rechtfertigungen und Erklärungen bezüglich des Kusses mit Mr Densham angingen zeigte sich Lily erst skeptisch, was ich ihr nicht verübeln konnte. Je öfter ich zudem den Kuss mit Jess reflektierte, und das tat ich, schließlich wollte ich Lily nichts vorenthalten, desto dämlicher kam ich mir vor. Bloß weil ich den Beweis in Form eines Fotos hatte, jedoch ohne Erklärung war ich Tage lang wütend auf Jenny gewesen. Jenny hatte es ertragen müssen, wie ich ihr von dem Kuss, den ich schließlich auch erwidert hatte, mit Jess erzählte. Der große Unterschied zwischen uns war nur, dass sie mir sofort geglaubt und verziehen hatte obwohl ich den eigentlichen Fehler gemacht hatte, nicht sie. Lily für ihren Teil musste noch einmal betonen, wie bescheuert meine Aktion gewesen war, zeigte aber für die Reaktion bezüglich des Fotos Verständnis. 'Du kannst dich wirklich glücklich schätzen Zoe!' gab sie mir zu verstehen und bat mich, oder besser gesagt befahl mir sie stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Sie wollte jedes Detail wissen, was ich für mich im Stillen als Floskel interpretierte, denn manche Details würden nur Jenny und mir gehören. Lily selbst erzählte nur wenig von sich, was wohl daran liegen mochte, dass ich fast durchgehend redete. Trotzdem erfuhr ich von Lilys und Codys stundenlangen und fast täglichen Telefonaten. Lily für ihren Teil war nämlich in Eastbourne zu Hause, während Cody seine Ferien bei sich in Wales, genauergesagt Cardiff verbrachte.
Als das Gespräch mit Lily sein Ende fand blieb noch Mino übrig. Ich rief ihn an und es war als hätte ich ein Déjà-vu. Auch er konnte es kaum fassen und freute sich dann aber riesig über die Neuigkeiten. Und wie auch Lily wollte er künftig über jede kleinste Neuigkeit informiert werden. Gleichzeitig erfuhr ich aber auch, dass er weder nach vorne noch nach hinten raus irgendwie Tage in London herausschlagen konnte und nur wenig begeistert seinem Familienurlaub entgegenblickte.
Während wir redeten stieß ich aus versehen gegen einen entgegenkommenden Herrn, der genervt meckerte.
Nachdem ich Mino auf den neusten Stand gebracht hatte, querte ich ein bisschen unvorsichtig die Straße und ein Fahrer musste gehörig auf die bremse treten. Ein lautes Hupen ertönte von gleich mehreren Fahrzeugen, die dahinter anhalten musste. Ich fragte mich woher meine plötzliche Kopflosigkeit herrührte und entschuldigte mich erschrocken per Handzeichen bei dem Fahrer. Für mehrere Sekunden war ich die Attraktion der Passanten. Scheinbar ließ mich mein von Glückshormonen durchströmter Körper meine Mitmenschen, von denen es in Londoners Straßenleben genug gab, ausblenden. Das stetige Lächeln nahm mir jedoch nicht einmal eine so kritische Situation. Kurz darauf packte mich eine Hand am Handgelenk, welche mich umgehend, und das nicht gerade sanft, zum Stillstand brachte.

Thoughts - Wenn die Liebe anders denkt (gxt) (GirlxTeacher)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt