~London~
„London." Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie sich zu mir um und ihre sonst so feine und weiche Stimme fegte mir eisig entgegen und auch ihr Blick verriet keinerlei Emotion. Dies versetzte mir einen Stich im Herzen, das bis dahin freudig geschlagen hatte. Doch es war töricht gewesen. Töricht, zu glauben, dass alles wieder in Ordnung wäre, dass das was ich ihr angetan hatte, sich über die vergangenen Wochen einfach in Luft aufgelöst hatte. Ich musste damit leben, dass ich dem Menschen, den ich am meisten liebte, wehgetan hatte und diese Kluft zwischen uns wahrscheinlich nie mehr schließen konnte. Ein weiter Stich in meinem bereits malträtierten Herzen. „Du, ääh, du, bist wieder hier!" Nuschelte ich mit rauer Stimme und fuhr sofort fort, als sie lediglich ihre Arme vor der Brust verschränkte und mich mit ihren beinahe schwarz glitzernden Augen anfunkelte.
„Nur Olympio jetzt, was?" fragte ich mit einem Seitenblick auf das Namensschild an Olympios Boxentüre und bemerkte meinen Fehler erst, als ihre Gesichtszüge entgleisten. „Äh, also ich meine, du hast das Fischer weggemacht...", meine Stimme wurde immer leiser, als ich bemerkte, dass diese Erklärung mir nicht mehr helfen würde. Doch zum ersten Mal, seit sie wieder hier war, bemerkte ich eine Emotion hinter dieser eisigen Fassade. Wut. Und so baute sie sich vor mir auf und blickte mir unverwandt in die Augen und sagte mit kalter Stimme: „Ja weißt du, London, Olympio wollte auch nicht mit dem Namen eines verdammten Lügners rumlaufen!" Bam. Ein weiterer Stich in meinem Herzen. Und so hörte ich nur ihre schnell davoneilenden Schritte, die von den Wänden widerhallten, unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen und ihr hinterherzurennen. „Na, das nannte ich mal ein Wiedersehen! Der Kalte Krieg war damals ja eine reine Kaffeefahrt im Vergleich zu euch! Pass bloß auf, dass sie dich nicht kalt macht!" gluckste Charly, doch in ihren Augen war keinerlei Schadenfreude zu erkennen, stattdessen leuchteten sie in einem mitleidigen braun. Ein einzelner heiserer Lacher entfuhr mir und ich blickte die langgewachsene Blondine vor mir dankbar an. „Danke Charles!"
Der Himmel färbte sich bereits lila, als ich Luftwaffe endlich wieder zurück in Richtung Stallungen lenkte. Die letzten beiden Stunden hatte ich mit meiner braunen Stute damit verbracht, im großen Wald rund um das Internat einen ausgedehnten Ausritt zu machen. Und während meine Stute mit erhobenem Kopf und gespitzten Öhrchen die kiesgestreuten Wege entlangschritt, kreisten meine Gedanken unaufhörlich um ein Thema. Valerie. Mit einem Schaudern dachte ich erneut an den eiskalten Blick, den sie mir vor ein paar Stunden auf der Stallgasse zugeworfen hatte. Mit hochgezogenen Augenbrauen und undurchschaubarem Gesichtsausdruck hatte sie mich gemustert und mir direkt klar gemacht, dass ihre Rückkehr auf keinen Fall einem Friedensbekenntnis gleichkam. Bei der bloßen Erinnerung an diesen Moment rauschte mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und brachte mich dazu, meine Augenbrauen angespannt zusammenzuziehen. „Ach Scheiße!" entfuhr mir schließlich heißer. „Na, na, na! Brüderchen, jetzt schalt mal einen Gang runter!" erschrocken fuhr ich herum, als ich die Stimme plötzlich hinter meinem Rücken hörte. Auch Luftwaffe schien sich erschrocken zu haben, denn sie sprang einen unkontrollierten Satz nach vorne, weshalb ich unsanft im Sattel mitgerissen wurde. Vorsichtig bremste ich meine sensible Stute und strich ihr beruhigend über das kastanienbraun glänzende Fell, bevor ich mich umdrehte und meinem Bruder einen wütenden Blick zuwarf.
„Logan, ich hab' dir tausendmal gesagt, du darfst meine Stute nicht erschrecken! Luftwaffe ist nicht so stumpf wie Fire!" fuhr ich ihn einen Ticken zu scharf an und lenkte meine Stute aber dennoch ein Stückchen beiseite, sodass mein missratener Bruder mit einem Rappen zu mir aufschließen konnte. Ein unverblümtes Grinsen zierte er sein Gesicht, als er genau das tat und tätschelte seinem Fire beruhigend auf den lackschwarzen Hals, als dieser auch prompt anfing, Luftwaffe anzugraben. „So, mein liebster miesepetrigster Bruder, darf ich die neuesten News aus deinem Munde hören, oder muss ich mich mich auf meine windigen Quellen verlassen?" Sein Tonfall war unschuldig und gespielt ahnungslos, doch ich kannte ihn nur zu gut, und wusste, wenn er diesen Ton anschlug, kam man nicht gut davon. Deshalb wählte ich dieselbe Taktik und schleuderte ein „Pass lieber auf, dass Fire nicht Luftwaffe anbaggert, der ist ja noch aufdringlicher drauf als du", zurück. Völlig gelassen lenkte er seinen Hengst ein Stückchen beiseite und zu meinem Missfallen schien ihm der Stich gar nichts auszumachen, stattdessen wehte ein glucksendes Lachen zu mir herüber. Mit zusammengekniffenen Augen richtete ich meinen Blick wieder nach vorne und trieb meine Stute nochmals weiter an, jedoch ohne Erfolg, denn mein Bruder gab seinem Fire ebenfalls die Zügel hin, was dieser mit noch weitausgreifenden Schritten quittierte.
„Ach London, weißt du, wie leicht du es hättest, wenn du dir nicht immer so viele Gedanken machen würdest? Denn um ehrlich zu sein, qualmt es doch schon wieder unter deinem Heiligenschein, gib es zu!" Ein giftiger Blick meinerseits schien ihm Antwort genug zu sein, denn er fuhr unbeirrt fort: „Ich weiß, du willst meine Meinung nicht hören, weil du denkst, dass ich ein herzloses Arschloch bin, was Weiber angeht, aber im letzten Jahr hab' ich so einiges lernen dürfen." „Na herzlichen Glückwunsch!" Pampte ich zurück und reckte meinen Hals, um zu sehen, wie weit die Stallungen noch entfernt waren. Im Vergleich zu Logans psychologischem Geschwafel erschienen mir die proppenvollen Stallgassen wie eine Oase in der Mitte der Wüste. Doch ganz zu meinem Bedauern blitzen nur in der Ferne vereinzelt die dunklen Dächer des Springstalles hindurch, weshalb ich wohl oder übel weiter dem Geschwätz meines Bruders lauschen würde. „Das erste, was ich lernen durfte, ist, dass du niemals auf die wahre Liebe vorbereitet bist und dadurch immer Fehler machen wirst..." seine Stimme wurde leiser und als ich einen vorsichtigen Blick zu Seite warf, war sein Gesichtsausdruck verschlossen.
Es blieb eine kurze Zeit unangenehm still zwischen uns und ich musste gestehen, dass ich erleichtert ausatmete, als Logan mit seiner Erzählung schließlich fortfuhr. „Aber trotz dieser Fehler, die ihr beide macht, darfst du niemals vergessen, warum du angefangen hast, sie zu lieben. Und wenn du dir dann sicher bist, dass du sie wirklich liebst, musst du wirklich um sie kämpfen!" Mein Bruder schien sich total hineingesteigert zu haben, denn am Ende seines Satzes hatte er seinen Zeigefinger mahnend in meine Richtung ausgestreckt und seine Wangen hatten eine eifrige rosa Färbung angenommen. „Na dann zeig mir mal Ergebnisse, Nicolas Sparks! Also meiner letzten Informationen nach, ist deine Freundin dir genauso weggerannt wie meine auch und jetzt stehen wir beide blöd da! So viel zu deinen tollen Tipps!" stänkerte ich erneut, teils um zu überdecken, dass seine Worte genau einen wunden Punkt getroffen hatten, teils, um ihn endlich loszuwerden. Ich wollte alleine sein, alleine meinen Gedanken nachhängen und nicht gute Ratschläge von meinem Zwillingsbruder zu erhalten, dessen Liebesleben wohl noch mehr im Eimer war, als es meins schon war.
„Also manchmal denke ich wirklich, du wärst das Arschloch unter uns London! Verkriech dich doch nicht immer direkt in deinem Schneckenhaus! Ich bin mir sicher, dass du das mit Val wieder hinkriegen könntest, wenn du dich nur darum bemühen würdest!" Logans Stimme hatte noch weiter an Schärfe zugenommen, jedoch war meine Miene verschlossen und ich ignorierte ihn so gut wie möglich. Ein erneuter Stich in meinem bereits malträtierten Herzen.
Und das Allerschlimmste: Er hatte Recht.
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Meine lieben Zuckerhasen,
viel zu lange ist es her, dass ich euch ein neues Kapitel präsentieren durfte, doch leider hatte mich die Uni unnachgiebig in ihren Klauen und in den nächsten Wochen habe ich mehrere schei**- wichtige Klausuren (sorry, für den Kraftausdruck, ich wollte euch nur möglichst authentisch von meiner derzeitigen Lage erzählen), von denen echt viel abhängt. Und wie ihr euch vorstellen könnt, lag dann der Fokus mehr auf meinen Uni- Aufgaben, aber nun habe ich eine Lücke gefunden und diese direkt genutzt, um ein neues Kapitel zu verfassen.
Und wie üblich gilt: Kritik, Anregungen, Emotionen, alles ab in die Kommentare, ich freu mich immer, von euch zu hören :)
Jetzt wünsche ich euch noch einen richtig schönen Abend
Eure Honey Summer
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Empress
Teen Fiction~Der dritte Teil von Princess~ Der letzte Ritt? Spielt keine Rolle! Der letzte Sieg? Bereits verdrängt! Verschwunden in den Geschichtsbüchern. Gestern? Längst vorbei. Aber jetzt steht alles auf dem Spiel! Jetzt ist der Moment: Eine Pferdestärke. Ein...