~London~
Der klare Dreitakt unter mir nahm nochmal deutlich Fahrt auf, als ich auch schon vom Boden abhob. Meine braune Stute war kraftvoll mit ihren Hinterbeinen vom Boden abgesprungen und nun segelten wir, für den Bruchteil eines Wimpernschlags, durch die Luft. Alles um mich herum verschwomm und nahm nur noch die zwei gespitzten Ohren vor mir wahr. Für einen Moment schien sich alles in Zeitlupe zu bewegen. Dicke Schwere hüllte mich ein, gepaart mit meinem ruhigen Herzschlag. Friede.
Bum. Mit einem Ruck wurde ich wieder in die Realität gerissen. Luftwaffes Vorderbeine waren wieder auf dem sandigen Boden aufgekommen und nun preschte sie weiter, den Kopf bereits wieder hoch erhoben und auf das nächste Hindernis konzentriert. Mir blieb keine Zeit, mich wieder im Hier und Jetzt zurechtzufinden, als die Stimme meines Trainers auch schon wie ein Peitschenhieb zu mir herüberwehte: „Mehr Kontrolle! Mehr Kontrolle!" Also presste ich meine Zähne aufeinander und setzte mich schwer hin. Meine gute Stute reagierte sofort und nahm das Tempo zurück. Unter mir spürte ich jedoch, dass jeder einzelne Muskel zum Zerreisen gespannt war- dieses Pferd wollte über den nächsten Sprung. Im letzten Moment gab ich ihr die Zügel hin und ein letztes Mal spürte ich die Schwere in mir, bevor Luftwaffes Beine wieder den Boden berührten. Zwischen ihrem Körper und den bunt lackierten Stangen war gut ein halber Meter Platz gewesen. Ausgiebig klopfte ich ihren verschwitzten Hals und zupfte leicht an den Zügeln, um sie in einen Trab zu bringen. Damit trabte ich auf meinen Trainer zu, der mit verbissener Miene bereits auf mich wartete. Kaum war ich in seine Hörweite gekommen, begann er auch schon wie wild zu meckern: „Sach mal Junge, kannst du mir mal erklären, was du zwischen der Kombi und dem Oxer vorhattest?! Du hättest sie durch das Rennen lassen beinahe in den Oxer reinlaufen lassen!" echauffierte er sich und fuchtelte wild gestikulierend mit seinen Händen. Luftwaffe schnaubte. Ich hielt meine Stute vor ihm an und rückte, eine Antwort schuldig bleibend, meinen Helm zurecht. Der Schweiß stand mir auf der Stirn, ich war die Hitze Floridas nicht gewohnt. Schon gar nicht im Winter.
„Ich hab das Gefühl du bist wie ein Mann ohne Kopf! Und das nicht erst seit gestern!" polterte mein Trainer weiter und merkte gar nicht, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Sofort, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, fingen meine Gedanken erneut an, auf Wanderschaft zu gehen. Ich kannte den Weg, den sie gehen würden und wo sie ankommen würden. Allzu oft in den vergangenen Wochen war ich diesen Weg gegangen und war doch so oft an mir selbst gescheitert. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich ihre großen braunen Augen vor mir. Und ihre Tränen. „Ja, genau das meine ich! Du wirst noch alles in den Sand setzen! Dass sie dich überhaupt in Betracht gezogen haben!" Heinz hatte sich richtig in Rage geredet und seine Ader an der Stirn war deutlich zu erkennen- ein sehr schlechtes Zeichen. Ich machte mich auf alles gefasst.
Zum Glück trabte just in dem Moment, in dem mein drahtiger und mit einem Schnauzbart versehenen Springtrainer zu einer weiteren Schimpftirade ansetzen konnte, Cecilia Jones auf ihrem routinierten Oldenburger herbei. Die kleine Brünette startete im Team für die USA und hatte mit diesem- sicherlich teuer eingekauften- Wallach, der unter einem bekannten niederländischen Reiter bereits alle großen Turniere gewonnen hatte, bevor er für teuer Geld in ihren Besitz gewechselt worden war, große Chancen auf den Gesamtsieg. Doch bis zur ersten Prüfung war es noch gut eine Woche, wofür ich sehr dankbar war. Denn in meiner Verfassung hätte ich nur hoffen können, eine Runde weiterzukommen. „Cecilia, gut, dass du da bist, Logan hier..." Heinz hatte sich an die Springreiterin gewandt und deutete nun anklagend auf mich, „hat mich heute überhaupt nicht überzeugt. Hoffentlich machst du es jetzt besser!" Sie selbst warf mir nur einen mitfühlenden Blick zu, wendete dann aber zügig ihren Braunen und lauschte den weiteren Anweisungen unseres Trainers. Ich hingegen sah zu, dass ich so schnell wie möglich vom Platz kam, um weiteren Schimpftiraden auszuweichen. So ritt ich zügig bis zu den Stallungen, auf den wunderschön mit Palmen gesäumten Sandwegen entlang, und schwang mich dann aus dem Sattel.
„Junge, Junge, Junge! Da hast du aber heute den Marsch geblasen bekommen!" feixte eine amüsierte Stimme aus dem angenehmen Schatten des Stallgebäudes. Ich ging gar nicht auf die Stichelei ein, sondern zog stattdessen meine Steigbügel hoch und lockerte den Gurt, um meiner treuen Stute ein wenig Wohlbefinden zu geben. Dann klopfte ich ihren schweißnassen Hals und zog sie mit in die verlockende Kühle der Stallungen. Ein grinsender Milán empfing mich und sprang behände von einem der, in Plastik eingepackten, Späneballen. Ich zeigte ihm nur grummelnd den Mittelfinger, was der stämmige Ungar mit einem belustigten Schnauben quittierte. Der Vielseitigkeitsreiter war trotz seines unvorteilhaften Körperbaus sehr bei den Damen beliebt- was wohl eher an seinem vielen Geld, als an seinem Charme lag- und genau dies schien ihm des Öfteren zu Kopfe zu steigen. „Sag mal, hast du dich schon für alle Kurse angemeldet? Morgen beginnt nämlich der Unterricht." Ich schnaufte ärgerlich durch- doch dieses Mal lag es nicht an Milán, sondern viel mehr an der Tatsache, dass die Veranstalter dieser Show beschlossen hatten, dass wir neben unseren Verpflichtungen für die Show dennoch noch die Schulbank drücken mussten. Und als besonderes „Schmankerl", wie Michi der Pfleger es betitelt hätte, war es nicht nur eine normale High School, nein, es war natürlich eine Bonzenschule, in der Sportarten wie Golfen, Segeln und natürlich der Reitsport an oberster Stelle standen. Allein beim Gedanken daran zog mir alles zusammen. Ich hatte keine Lust auf weitere verwöhnte Kids, die keinerlei Bezug zur Realität hatten und nur an die nächste Party oder das neue Luxusauto dachten. „Nein, ich habe mich noch nicht entschieden!" brummte ich deshalb schnell, in der Hoffnung, Milán würde diese Antwort genügen.
Doch natürlich hatte ich mal wieder falsch gedacht. Breitbeinig stellte er sich vor mein Pferd, dem ich nebenbei den Sattel abzog und mich dann an die Gamaschen machte und erhob belehrend den Zeigefinger. „Also ich werde auf jeden Fall Law und Business belegen! Und vielleicht auch Chinesisch, man weiß ja nie, wozu man das alles brauchen kann!" Er zwinkerte mir vielsagend zu, die fleischigen Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen verzogen. Ich rollte innerlich mit den Augen. Na, dann weiß ich ja, welche Fächer ich auf keinen Fall belegen werde! Dachte ich bei mir und nickte bloß zustimmend. Inzwischen hatte ich es geschafft, Luftwaffes Ausrüstung komplett abzuziehen und schnappte sie mir, um sie noch kurz unter kaltem Wasser abzuspritzen. Ihre weiche Nase suchte währenddessen meine Hosentasche nach einer Leckerei ab. Sanft kraulte ich ihren Schopf und kramte aus besagter Tasche noch ein kleines Leckerli heraus, dass sie sofort munter verspeiste. „Oh Luftwaffe, wenn du nur wüsstest...", murmelte ich leise in ihr Ohr und blickte aus dem Stall hinaus auf das Dressurviereck, dass auf der anderen Seite der Stallungen aufgeschüttet worden war. Dort trainierte eine blonde Reiterin verbissen auf ihrem großen Braunen. Ein kalter Schauer jagte mir den Rücken hinunter. Es würde noch spannend werden. Da war ich mir ganz sicher.
------------
Meine lieben Zuckerhasen,
Fast zwei ganze Monate habe ich mir Zeit gelassen, um dieses Buch weiterzuschreiben. Und heute, am 03.01.2022 geht einer meiner größten Träume in Erfüllung. Eigentlich hatte ich nie damit gerechnet, dass meine Geschichten, die ich seit Kindheitstagen in meine Blöcke kritzelte, (während ich eigentlich in der Schule hätte aufpassen sollen) so viel Andrang erlebt. Und nun sehe ich, dass mein erstes Buch Princess gerade vor ein paar Minuten die 100k Reads geknackt hat. 100 000 mal wurde auf dieses Buch geklickt und mit dieser "magischen" 100k Marke reiht es sich in eine handvolle Auswahl an Pferdegeschichten ein, die man an einer Hand abzählen kann. Und das macht mich sehr demütig und dankbar.
Deshalb ist es hier nochmals dringend nötig, einmal fett DANKE zu sagen! DANKE für alle, die schon lange dabei sind und mir immer wieder liebe Kommentare hinterlassen, DANKE für alle, die mit ihrem Pferdewissen meine Bücher nochmals bereichert haben, DANKE für jedes geduldige Warten, wenn ich es einmal wieder nicht auf die Reihe bekommen habe, schnell zu updaten und natürlich DANKE, dass DU, lieber Leser, bis hierher gekommen bist und anscheinend auch nicht genug von Val und co. bekommen kannst! Das macht dich sehr sympatisch ;)
Jetzt bleibt mir allerdings nicht mehr viel zu sagen, außer die üblichen Worte: Falls ihr Anregungen, Ideen habt, schreibt sie gerne in die Kommis, auch wenn ihr denkt, dass ich öfters aus einer anderen Perspektive schreiben soll.
In diesem Sinne, passt gut auf euch und bis ganz bald.
Eure Honey Summer
DU LIEST GERADE
Empress
Teen Fiction~Der dritte Teil von Princess~ Der letzte Ritt? Spielt keine Rolle! Der letzte Sieg? Bereits verdrängt! Verschwunden in den Geschichtsbüchern. Gestern? Längst vorbei. Aber jetzt steht alles auf dem Spiel! Jetzt ist der Moment: Eine Pferdestärke. Ein...