Kapitel 26

263 24 6
                                    

„Aaaah!" Ana stieß einen spitzen Schrei aus und brachte mich damit dazu, wie von der Tarantel gestochen von meiner Sonnenliege aufzuspringen. Mit pochendem Herzen und vor Schreck geweiteten Augen blickte ich neben mich, auf die zweite Sonnenliege, auf der in der letzten Stunde noch die quirlige Russin neben mir gelegen war und fröhlich vor sich hin geplappert hatte. Doch nun war auf der Liege nur noch das rosa Handtuch ausgebreitet und ein großer dunkler Fleck prangte in der Mitte, von der Blonden keine Spur. War das etwa Wasser? Mein Blick wanderte nach oben und hakte sich an dem Balkon fest, der oberhalb unserer Terrasse angebaut worden war und der zu meinem Team gehörte. Und dann hörte ich sie. Gerald und Daniel kicherten wie zwei freche Schuljungen, denen ein besonders fieser Scherz gelungen war. „Sach mal, hackt es bei euch?" brüllte ich entrüstet auf Deutsch nach oben, immer noch geschockt von der herben Unterbrechung meiner Mittagspause. „Ach Val, jetzt schau nicht so geschockt, eure Position ist ja quasi dafür gemacht, dass ihr eine erfrischende Abkühlung von oben bekommt!" Wehte Geralds vergnügte Stimme von oben herab, während ich nur einen Fluch hervorbrachte.

Und dann geschah es. Ich hörte gerade noch das Knacken des Eimers, der von oben ausgeleert wurde, bevor auch schon ein Wimpernschlag später kaltes Wasser meinen Kopf traf und sich seinen Weg komplett an mir hinunter bahnte. Wie ein begossener Pudel stand ich wie versteinert da und prustete dann erzürnt meine schlaff an mir herunterhängenden Haare aus dem Gesicht. Ersticktes Kichern war von oben zu hören. „Ja, Valerie, so ist das, wenn man solche Flüche in den Mund nimmt! Das wird sofort bestraft!" Daniels unterdrückt grinsende Stimme klang so selbstzufrieden, dass in mir der letzte Geduldsfaden riss. „Na warte!" Grummelte ich und stürmte in das Innere des Hauses. Vorbei am Speisesaal, durch die Eingangshalle, die breiten Eingangstreppen hinauf- für den Aufzug hatte ich keine Zeit, denn ich wollte die beiden auf jeden Fall in die Finger kriegen. Zwei Stufen auf einmal nehmend, hechtete ich die Treppenabsätze hinauf und hielt nicht an, bis ich vor der Wohnung ankam, in der Daniel, Gerald und ich wohnten. Es kostete mich wertvolle Sekunden, die Chipkarte aus meiner Hosentasche zu friemeln, bevor ich sie an das Lesegerät halten konnte und die Tür daraufhin aufsprang. Mit großen Schritten durchmaß ich den Eingangsbereich, wobei ich an der Küche vorbeikam und mir eine große Wasserflasche von der Anrichte schnappte. Die beiden Jungs lümmelten draußen auf zwei Korbstühlen, zwischen ihnen ein kleines Tischchen, auf dem zwei Gläser und eine große bauchige Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit stand. Beide hielten anscheinend immer noch Ausschau nach potenziellen Opfern, sodass die beiden mich erst bemerkten, als ich Daniel, der noch gemütlich in seinem Sessel lümmelte, die aufgeschraubte Wasserflasche in den Nacken goss. „Argh! Was zum...", er fuhr hoch und fasste sich mit der linken Hand reflexartig an den Rücken, während er zu mir herumwirbelte.

„Du kleine Hexe! Das wirst du bereuen!" Fluchte er und ein diabolisches Lächeln schlich sich auf seine aristokratischen Gesichtszüge. Blitzschnell packte er einen blauen Plastikeimer, den er wohl neben sich deponiert hatte und hechtete um den Korbsessel herum, während ich quietschend zurück in den Wohnbereich flüchtete. Doch ich kam nicht weit, denn Daniel schien schneller zu sein, als ich erwartet hatte und so ergoss sich zum zweiten Mal an diesem Tag ein ganzer Eimer voll Wasser über mir. Doch dieses Mal hatte ich ein unterdrücktes Grinsen im Gesicht, bis eine, sich vor Entsetzen überschlagende Stimme durch das Wohnzimmer drang und mich herumwirbeln ließ. Unsere Betreuerin Kelsey stand mit offenem Mund fassungslos im Eingangsbereich, die blauen Augen starr auf die Wasserlache auf dem blanken Marmorboden gerichtet. „Oh, oh!" Ich kniff die Lippen zusammen. Das konnte nur Ärger bedeuten. Das schien auch Daniel zu denken, der vorsichtig den Eimer abstellte. Jegliche Flucht war nun zwecklos. „Könnt ihr mir bitte sagen, was an diesem hellen Mittwoch in euch gefahren ist? Wer macht bitte eine Wasserschlacht im Haus?" Zeterte Kelsey auch sofort los und strich sich fahrig die Haare hinter die Ohren. „Wer ist für diesen Unsinn verantwortlich?" Fauchte sie weiter und ihr amerikanischer Akzent mischte sich noch deutlicher als sonst in ihr Englisch, was es so gut wie unmöglich machte, sie zu verstehen. Betreten starrte Daniel auf die Lache vor mir, wie ein Hundewelpe, der zum wiederholten Male in die Wohnung gemacht hatte, obwohl er genau wusste, dass solche Geschäfte nach draußen gehörten. Und diesen Vergleich fand ich so komisch, dass ein unbewusstes Prusten aus mir hervorbrach. Sofort richteten sich Kelseys Augen auf mich. „Was ist daran so komisch? Ich sage euch, was lustig ist: Das gesamte Team Österreich muss die restliche Woche im Stall helfen, zusätzlich zu den Schulstunden ausmisten und beim Füttern helfen!" Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete sie nacheinander auf jeden von uns, die Augenbrauen steil zusammengezogen. „Und jetzt macht diese Sauerei weg!" Sie klatschte energisch mit den Händen und verließ dann kopfschüttelnd das Appartement.

EmpressWo Geschichten leben. Entdecke jetzt