Kapitel 22

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„Mei, mei, mei Val, ist das eine Affenhitze!" brummelte Michi verärgert und linste mit gerunzelter Stirn durch eines der Stallfenster nach draußen, wo die Sonne freundlich vom Himmel lachte. Doch dieses Idyll schien meinem Pferdepfleger nicht zu gefallen, denn er brummelte noch einige unverständliche Sätze in seinen Bart, während er sich wieder Olympio zuwandte. Mit einem Grinsen reichte ich ihm die Kandare, die er schnell annahm und mit geübten Bewegungen meinem Fuchs über die Ohren streifte. „Ach Michi, jetzt hab dich nicht so, besser, als in Deutschland zu frieren ist es allemal!" wandte ich ein und schloss nebenbei die Reisverschlüsse an meinen Stiefeln. Dann warf ich einen letzten Blick den langen Stallgang entlang, indem emsige Betriebsamkeit herrschte- die Springreiter sollten gleichzeitig auf dem großen Sandplatz trainieren, während wir Dressurreiter uns zu einem Gemeinschaftstraining in der Halle einfinden sollten. So sah ich, wie Danas Fuchs unwillig den Kopf gen Stalldecke reckte, als seine Pflegerin ihm die Kandare überstreifen wollte. Ein beruhigendes, aber bestimmtes Tätscheln seiner Besitzerin, die sich gerade ebenfalls die Stiefel überstreifte, führte dazu, dass er gehorsam den Kopf wieder senkte und sich anstandslos auftrensen ließ. Ich nickte anerkennend, was Ana mit einem Grinsen kommentierte und gleichmütig die Schulter zuckte.

„Nicht schlecht! Nicht jedes Pferd hört so gut auf seine Besitzerin!" ich schloss zu der netten Russin und ihrem Fuchs auf, als wir uns wenige Minuten später in der Halle eingefunden hatten und die verbleibenden Minuten bis zu unserem Training nutzten, um die Pferde am langen Zügel warmlaufen zu lassen. Ana grinste mich spitzbübisch an und erwiderte: „Du meinst, nicht jedes Pferd ist so unheimlich ungezogen und frech, um sich am Anfang immer so danebenzubenehmen?" Ihr Lachen war ansteckend, weshalb ich nicht anders konnte, als ebenfalls einzustimmen. Dana, die ihren braunen PRE- Hengst ebenfalls in unsere Richtung lenkte, schenkte uns einen fragenden Blick. Ana winkte lediglich ab. „Ach, ich scherze nur. Ich könnte mir niemals vorstellen, diesen Dicken hier zu verkaufen! Ich habe meine gesamte Juniorenzeit mit ihm bestritten!" sie wuschelte durch die fuchsfarben glänzende Mähne des großen Wallachs. „So geht es mir auch! Ihn hier-" Dana deutete auf den dicken Hals des Hengstes, „habe ich seit 10 Jahren und ich könnte mir nie vorstellen, ihn in andere Hände zu geben! Obwohl er mit seinen 16 Jahren beinahe in Rente gehört!" ein bedauernder Gesichtsausdruck hüpfte über ihr hübsches sonnengebräuntes Gesicht, das halb von dem großen Schild der Reitkappe verdeckt wurde. Einmal mehr fiel mir auf, dass der Klamottenstil in den Saaten jenseits des großen Teichs nochmals anders war als in Europa. Ana trug cremefarbene Reithosen, ein olivgrünes Poloshirt und einen Samshield- Helm. Anders war jedoch, dass sie ihre Haare in einem Haarnetz unter dem Helm gebändigt hatte, sodass keine einzige Strähne ihrer langen wallenden Mähne zu sehen war, während sowohl Anas, als auch mein Zopf lose unsere Rücken hinunterhingen.

„Mädels, ich finde es schön, dass ihr euch schon so gut versteht, aber unser Training dient nicht als Kaffeeklatsch!" tönte eine resolute Stimme durch die Halle, deren harter Akzent mich instinktiv aufrechter sitzen ließ. „Och ne, ich dachte, wir hätten noch zwei Minuten Ruhe vor dem Drachen!" jammerte Ana, und verzog missbilligend das Gesicht. „Anastasia, das habe ich gehört! So spricht man nicht mit seiner Tante!" fegte nun sofort erneut die Stimme durch die Halle und ich wendete Olympio, um einen Blick auf die Person zu richten, die nun die Halle betreten hatte und nun breitbeinig an der Bande lehnte. Eine nicht sonderlich große Dame mittleren Alters hatte ihre Augen auf mich gerichtet, die kurzen Arme konzentriert vor der Brust verschränkt. „Deine Tante ist deine Trainerin?" wisperte Dana in Anas Richtung, die ein Seufzen als Antwort gab. „Auf geht's Mädels! Ich bin heute für euer Training verantwortlich, bis eure beiden Trainer," sie deutete auf Dana und mich- „bis die ebenfalle über den großen Teich fliegen! Und bis dahin werdet ihr schuften! Auf geht's! 10 Minuten Aufwärmphase!" Beinahe hätte ich salutiert, so aus der Pistole geschossen kamen die Anweisungen von Anas Tante. Um nicht noch einen weiteren Schwall an Befehlen zu beschwören, fasste ich kurzerhand die Zügel nach und trabte Olympio an. Der schnaubte erst mal entspannt und schlurfte gelassen über den hellen Sand. Ihm schien unsere neue Umgebung überhaupt nichts auszumachen und so dauerte es auch nicht lange, dass auch ich mich entspannte. Die nächsten Minuten waren von einer unheimlich angenehmen Ruhe geprägt, wir drei wärmten unsere Pferde gewissenhaft unter den aufmerksamen Augen von Alexandra- ich hatte inzwischen herausgefunden, dass Anas Trainerin so hieß. Olympio selbst war unheimlich motiviert, hörte auf jede noch so kleine Hilfe und tanzte förmlich über den hellen Sand.

Als ich nach fünf Minuten ihn einmal anhielt, um nochmals den Gurt zu kontrollieren, beugte ich mich leicht nach vorne und flüsterte ihm anerkennend in seine langen Ohren. „Guter Bube!" lobte ich ihn und klopfte sanft seine massige Schulter, während ich die Gurtstrippen nochmals ein Loch enger zog. Dann ritt ich erneut an und saß dieses Mal seinen schwungvollen Trab aus. Das schien sein Zeichen zu sein, sich nochmals mehr zu tragen und so schwang er durch die Halle, den stattlichen Hengsthals hoch erhoben. So nutzte ich die Gelegenheit und wendete ihn nach F ab, um ihn auf eine dreifache Schlangenlinie zu bringen. Sorgfältig achtete ich darauf, ihn auf beiden Seiten gleichermaßen zu biegen, da er oft in der rechten Rippe etwas steifer war als in der linken. Jedoch schien er heute einen besonders guten Tag zu haben, denn er bog sich herrlich durch die Wendungen und schnaubte am Ende der Lektion einmal ab, ein klares Zeichen, dass er völlig entspannt war. Kurz tätschelte ich ihm mit einer Hand den Halsansatz, und ließ ihn direkt im Anschluss angaloppieren. Es folgten weitere fünf Minuten, in denen ich ihn im Galopp immer wieder aufforderte, schneller zu galoppieren und dann wieder einfing. Diese Tempiunterschiede führten dazu, dass er mir noch mehr aufs Hinterbein kam und mit mehr Durchsprung galoppierte. „Sehr gut Valerie!" kam es auch prompt von Alexandra, die mich wohl in diesem Moment beobachtet haben musste. „Jetzt möchte ich aber noch ein bisschen was von euch sehen! Schließlich wird heute Abend das erste Thema für die Kür am Samstag verkündet!" schloss sie an und richtete sich damit an uns drei. Und sofort war die Sorge wieder da. Ein kalter Schauer rannte meinen Rücken hinunter. Die Schonfrist war vorbei. Heute Abend würde das Kürthema der ersten Woche verkündet werden und in 6 Tagen würde es dann zum ersten großen Showdown kommen.

Also noch 6 Trainingseinheiten und Olympio und ich mussten uns mit der Weltelite messen- auch nach all den vergangenen Wochen, in denen ich wieder intensiv mit meinem Fuchs trainiert hatte, war das ein Witz gegen das, was die anderen die vergangenen Monate sich aufgebaut hatten. „Valerie, du beginnst!" Wie ein Blitzschlag traf mich Alexandras Stimme und mein Blick rutschte entsetzt zu der Trainerin, deren blondes Haar so sehr dem ihrer Nichte ähnelte. Wie in Trance galoppierte ich an und fasste nochmals die Zügel nach, jedoch merkte ich schnell, dass nichts mehr von der losgelassenen Leichtigkeit von eben da war. Olympio machte sich hohl unter mir, lehnte sich auf das Gebiss und sprang nicht mehr so aktiv durch. „Ich würde vorschlagen, du reitest direkt die nächste Diagonale vierer- Wechsel, das genügt mal für den Anfang!" Unter normalen Umständen wäre diese Diagonale ein Witz für mich gewesen und Olympio und ich hätten diese im Schlaf beherrscht. Doch nun klapperten mir die Zähne, als ich durch die zweite Ecke schipperte und mein langes Schlachtross auf die Diagonale abwendete. Der erste Fehler unterlief mir direkt zu Beginn- ich fing viel zu spät an. Und als ich den ersten Wechsel ausgelöst hatte, der mehr holprig als flüssig gelungen war, brach in mir der Schweiß aus. Fieberhaft zählte ich in Gedanken die Galoppsprünge und versuchte in meinem Kopf alle Tipps abzuspulen, die mir jemals zu diesem Thema gegeben wurden. Bam Bam. Noch zwei. Bam Bam. Noch einen. Bam Bam. Wechsel. Ich verschob meine Hüfte und legte das neue innere Bein nach vorne und gab gleichzeitig einen Impuls mit dem äußeren Bein. Doch mein massiger Hengst reagierte nicht. Bam Bam. Erneut gab ich ihm die Hilfe, dieses Mal jedoch ein wenig stärker. Und tatsächlich, dieses Mal ließ er sich dazu herab und sprang den Wechsel. Schweiß hatte sich auf meiner Stirn gebildet und rann mir nun langsam die Schläfen hinunter, während ich versuchte, diese Diagonale noch nach Hause zu bringen. Mit ach und krach schaffte ich es, ihn noch drei Mal umspringen zu lassen, jedoch war in keinem der Wechsel diese Leichtigkeit zu sehen, die uns normalerweise überall begleitete. Was war nur los mit uns? „Ana, du bist die nächste!" bellte die Stimme der Trainerin schon durch die Halle. Erschöpft parierte ich Olympio durch und ließ die Zügel durch die Finger rutschen. Erst jetzt fiel mir auf, dass Alexandra überhaupt nichts zu meiner Diagonale gesagt hatte- was wahrscheinlich auch besser war, schoss mir durch den Kopf, als ich ihren durchdringenden Blick bemerkte.

Es gab noch viel zu tun bis Samstag! Da war ich mir sicher.

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Meine lieben Zuckerhasen,

allzu lange war es wieder still um mich. Die Klausurenphase in meinem Studium und ein kränkelndes Pferd haben mich von meiner Schreibfeder ferngehalten und selbst jetzt bin ich mit dem vorliegenden Kapitel nicht ganz zufrieden. Da ich euch aber nicht länger warten lassen wollte, habe ich mich dazu entschieden, es dennoch hochzuladen.

Also seid mit eurer Kritik bitte dieses eine Mal nachsichtig- Ich verspreche hoch und heilig, das nächste Kapitel wird wieder besser ;D

Liebe Grüße

Eure Honey Summer

EmpressWo Geschichten leben. Entdecke jetzt