Kapitel 6

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„Was?! Nein, auf gar keinen Fall!" meine Stimme überschlug sich förmlich, als Charly mit ihrer Erzählung geendet hatte. „Val..." „Nein, Charly, da werde ich auch erst gar nicht mit dir diskutieren!" fauchte ich und zeigte ihr den Vogel. Meine beste Freundin hob nur einmal hilflos die Hände und ließ sie danach wieder auf ihr Lenkrad fallen- der Stau hatte sich zum Glück langsam in ein stetiges Schleichen entwickelt, was bedeutete, dass wir nicht mehr allzu lange in Charlys Auto gefangen waren. Nur zu gerne hätte ich die Autotür aufgerissen und wäre über die Leitplanke gesprungen, nur um weg von Charly und ihren hirnrissigen Ideen zu kommen! „Valerie, bitte, überleg es d.." „Nein Charly, ich werde nicht einfach zu einer weiteren Princess- Show, oder was auch immer das sein soll, nach Amerika fliegen! Ich habe den Turniersport an den Nagel gehängt! Respektierst du denn meine Entscheidung gar nicht?" anklagend funkelte ich sie an, was sie dazu brachte, einmal tief durchzuatmen und die Augen zu schließen. „Herzchen, ich will gar nichts schlimmes von dir! Silvia hat mich nur darauf angesprochen und ich hab ihr versprochen, dass ich dich fragen werde..." gequält blickte sie wieder auf den Verkehr und drückte leicht auf das Gaspedal, um die Lücke zu ihrem Vordermann aufzufüllen.

Ihre Worte beruhigte mich ein bisschen, doch sofort schoss ein neuer Gedanke durch meinen Kopf, den ich sofort laut aussprach: „Und warum ausgerechnet ich?! Ich saß doch bestimmt schon seit drei Wochen nicht mehr wirklich im Sattel und Olympio war auch schon mal besser in shape. Wieso soll ausgerechnet ich wieder aufs internationale Parkett?" „Val, ein letztes Mal, bitte lass uns das daheim nochmal klären, okay? Ich weiß selbst nicht genau, warum Silvia ausgerechnet an euch zwei gedacht hat, aber Olympio und du, ihr wart immer ein so tolles Paar, da wäre es echt schade, euch nicht mehr zu sehen!" erklärte sie sich und fuhr sich nebenbei fahrig über ihr Gesicht. Sie wirkte müde und mit einem Mal fiel mir auf, wie müde sie wirkte. Schlechtes Gewissen überrollte mich, als ich daran dachte, wie viel Charly in den letzten Wochen und Monaten für mich getan hatte und ich presste entsetzt die Lippen aufeinander. Ich war ein richtiges Ekelpaket gewesen! Die restliche Fahrt verlief schweigend, weder Charly noch ich brachten ein einziges weiteres Wort über unsere Lippen.

Kaum hatten sich zwei Stunden später die Flügeltüren der Hotellobby geöffnet, die Charly und mich zu meinem Zimmer bringen würde, kam auch schon Silvia, die Gestütsleiterin, mit wehenden Kleidern auf uns zugehastet. „Valerie, ist das gut, dass ihr wieder zurück seid, ich habe wichtige Nachrichten für euch!" Müde blickte ich die hochgewachsene Gestütsleiterin an, deren strenger Dutt trotz der späten Stunde noch einwandfrei saß, und nickte bloß. Heute hatte ich schon so viele neue Eindrücke und Erfahrungen gesammelt, da kam es auf eine neue Nachricht hin oder her auch nicht mehr an. „Ruben Schotterer wird zu uns auf die Anlage kommen!" platzte sie auch sogleich heraus und während Charly scharf die Luft einsog, zog ich nur hilfesuchend die Augenbrauen zusammen. „Wer ist das?" „Ach Val, so lange ist das doch auch wieder nicht her, dass du die internationale Bühne verlassen hast! Ruben war lange Zeit Co Trainer der Jungen Reiter und hat es jetzt zum Chef- Trainer der österreichischen U25-Dressurreiter gebracht."

So langsam dämmerte mir, was das hieß, doch ich musste unbedingt sicher gehen, weshalb ich vorsichtig fragte: „Der österreichische Trainer kommt extra wegen mir, habe ich recht?! Das hat mit der amerikanischen Princess- Aktion zu tun, bei der ich eurer Meinung unbedingt mitmachen sollte." „Genau! Wir verstehen ja sehr gut, dass du nach der ganzen Sache mit Danci nicht mehr für Deutschland an den Start gehen kannst und willst, da ja nicht nur London die Sache verheimlicht hat, sondern Georgie da auch mehr als beteiligt war. Und deshalb haben wir gedacht, du könntest einen Neuanfang wagen, indem du für ein anderes Land startest! Und Österreich bietet sich doch mehr als an! Kommt nicht sogar deine Mum aus der Steiermark?" ratterte Charly erneut das runter, was sie mir bereits im Auto plausibel versucht hatte zu erklären. Ich warf ihr nur einen giftigen Blick zu, seufzte aber dann, als Silvia mich ebenfalls fragend anblickte. „Leute, ich weiß es wirklich nicht... Wer darf denn noch daran teilnehmen?" brummelte ich. „Nun ja, nachdem Deutschland letztes Jahr im März dich als erste Princess des Dressursports gekrönt hat, haben direkt viele Reitsportländer nachgezogen und ihre eigenen Prinzessinnen gekürt. Und vor ein paar Wochen kam die Idee auf, es könnte doch einen weltweiten Wettbewerb geben, in dem alle bisherigen Gewinner gegeneinander antreten werden,..." Es wirkte so, als wolle Silvia noch etwas hinzufügen, aber Charly sprach schnell dazwischen: „Und da du ja in Deutschland die Princess- Show gewonnen hast und Österreich bisher noch keine Dressurreiterin stellen konnte, wärst du die ideale Wahl!" „Und was wird dann aus Team Deutschland?" Charly zuckte bei meiner Frage desinteressiert mit den Schultern. „Wahrscheinlich wird es Alison, sie konnte ja im Finale den zweiten Platz erreiten!" Ein geisterhaftes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Da sich Alisons Pferd eine Woche vor der finalen Show am Bein verletzt hatte, hatte ich ihr sofort angeboten, mit Danci im Finale anzutreten. Alison hatte erst völlig überrumpelt reagiert- sie hatte sich schon nach Hause reisen sehen- doch hatte schließlich überreden lassen und mit meiner eleganten Fuchsstute eine solide Runde hingelegt. Als die beiden aus der Halle kamen, hatte ich nicht gewusst, auf wen ich hätte stolzer sein können! Das Lächeln auf meinen Lippen vereiste. Und nun war Danci tot und die letzte Erinnerung an sie war ihr geschundener Körper in der Aufwachbox der Pferdeklinik. Ich seufzte. Wann würden diese Erinnerungen nur aufhören mich zu verfolgen?!

~Charly~

„Was denkst du, wird sie sich dazu hinreißen lassen ?!"fragte Michi am nächsten Morgen kritisch hinter mir und beobachtete wie ich mit Argusaugen meine beste Freundin, die gerade in einer nervtötenden Langsamkeit ihr Pferd sattelte. Eigentlich hätte sie sich schon längst in ebendiesen Sattel schwingen sollen, um für den Besuch des Bundestrainers abzureiten, stattdessen vertrödelte sie ihre Zeit damit, nochmal die Satteldecke zu richten. „Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Seit heute Morgen redet sie kaum noch mit mir... Aber ich bin zumindest mal stolz, dass ich sie in den Sattel bekommen habe..." raunte ich leise, ohne den Blick von Valerie zu nehmen. Inzwischen hatte sie es geschafft, den Gurt zu schließen und die Trense vom Haken zu nehmen- sie hatte sich vehement dagegen geweigert, die Kandare zu nehmen, wie es eigentlich vorgesehen war- und Olympio das Halfterauszuziehen. Ihr Hengst selbst wirkte überraschend wach- in den letzten Wochen hatte der elegante Dunkelfuchs sich nicht nur einen Wohlstandsbauch zugelegt, sondern war auch immer ruhiger und gelassener geworden. Es schien fast, als würde er sich auf die kommende Aufgabe freuen- wenigstens einer der beiden.„Hat sie denn eine Chance?" Ein Schnauben verließ meine Nase, bevor ich es aufhalten konnte und Michi nickte wissend. „Das habe ich mir fast schon gedacht!" „Es ist ja nicht so, dass es bei den beiden an Qualität mangelt- da überragen die beiden die anderen Teilnehmer bei weitem! Aber die Einstellung..."ich klopfte mir mit den Handknöcheln an die Schläfe, „...die Einstellung ist das Problem!" Als hätte Valerie in diesem Moment verstanden, was wir über sie gesprochen hatten, ruckte ihr Kopf zu uns herüber und ihre Augen glitzerten kampflustig. 

Vielleicht hatte ich mich ja doch in ihr geirrt- und das Feuer in ihr loderte doch noch für den Sport, für die Tränen, für den Sieg. 

Ich hoffte es. Ich hoffte es sehr. 

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 Heyy meine lieben Zuckerhasen,

heute nochmal ein extra langes Kapitel, um richtig ins Wochenende starten zu können ;) Ich hoffe, es gefällt euch. 

Wie immer, Lob, Kritik, Anregungen, Ideen in die Kommentare, ich freue mich über jeden einzelnen!

Und nochmal eine kleine Klarstellung, da mich die Frage in letzter Zeit wieder öfters erreicht und ich das sehr wichtig finde, nochmal zu betonen: (Fast) Jede Figur, die in Princess zu finden ist, ist rein fiktional, d.h. es gibt sie nicht in der Realität! Natürlich habe ich mich viel von Nachwuchssportlern inspirieren lassen, aber  Valerie und co. sind lediglich Figuren, die in deinem Kopf lebendig werden :) Jedem aufmerksamen Leser ist natürlich auch das (Fast) am Anfang des Absatzes aufgefallen ;) Das liegt daran, dass ich bei manchen Figuren direkte Personen im Kopf hatte, allerdings stellen diese niemals die Protagonisten dar, sondern spielen lediglich am Rande der Handlung mit :) Jegliche sonstige Ähnlichkeiten/ gleiche Namen/ etc. sind rein zufällig :) 

Liebe Grüße 

Eure Honey Summer

EmpressWo Geschichten leben. Entdecke jetzt