„Valerie! Ich hab' es erst gar nicht glauben wollen, dass du wirklich hier bist!" Sam kam mit ihrem voll beladenen Tablett auf Charlys und meinen Tisch zugehastet, an dem wir beide gerade lustlos in unserem Essen herumstocherten. Mein Magen zog sich immer noch jedes Mal zusammen, wenn mich jemand begrüßte, zu schwer waren die alten Erinnerungen, an unbeschwerte Internatstage, die sich dabei automatisch vor mein inneres Auge schoben. So auch bei Sam, doch ich zwang mich, diese niederdrückenden Gedanken beiseite zu schieben, denn Sam war seit der ersten Stunde in der Princess- Show, in der wir uns kennenlernten, eine meiner engsten Freundinnen gewesen und hatte immer zu mir gehalten. Deshalb erwiderte ich ihre feste Umarmung, in die sie mich zog, nachdem sie ihr wackeliges Tablett mit einem energischen Platsch auf unserem Tisch hatte fallen gelassen. „Sam, schön dich wieder zu sehen!" sagte ich, als ich wir uns wieder gelöst hatten und sie sich kurz Charly zuwandte, um sie ebenfalls in eine Umarmung zu ziehen, und räusperte mich gleichzeitig, nur zu lange hatte ich nicht mehr wirklich gesprochen. „Erzähl mir, was gibt es Neues, was hab' ich verpasst?" fragte ich und lächelte sie leicht an. Sam setzte sich geräuschvoll hin und warf daraufhin einen bedeutungsvollen Blick zu meiner besten Freundin, die lediglich ergeben die Schultern zuckte.
„Nun ja, ich weiß nicht, ob man es dir schon gesagt hat, aber nicht nur Logan wurde als Reiter für die Queen- Show zugelassen." Ihre großen grünen Augen beobachteten mich wachsam, als sich meine Augenbrauen fragend zusammenzogen. „Nun ja, Val, es ist ja so, dass nicht nur die Dressurreiter dieses Mal um die Krone kämpfen, sondern auch die Springreiter und die Vielseitigkeitsreiter jeweils unter sich um den Sieg, um die Krone kämpfen..." Ich nickte, als ihre Stimme leiser wurde. So viel wusste ich bereits, doch als ich den mitfühlenden Blick von Sam auffing, wurde mir klar, dass da noch mehr im Busch war. Also bedeutete ich ihr mit einer kleinen Kopfbewegung fortzufahren und ließ die Gabel sinken, mit der ich bisher unruhig in meinem Obstsalat herumgewühlt hatte. „Also und Logan wurde, nachdem die Vorwürfe dieses Mädchens aus Hagen endlich fallen gelassen wurden, als deutscher Springreiter nominiert und wird mit Julian und mir," sie deutete auf einen hageren Jungen, der am anderen Ende des Speisesaals saß und angestrengt auf sein Handy blickte, „Deutschland vertreten dürfen. Jedoch ist er nicht der einzige deutsche Springreiter, der nach Wellington reisen wird..." Leise verklang ihre Stimme, als sie meinen alarmierten Gesichtsausdruck bemerkte und nun richteten sich sowohl mein, als auch ihr irritierter Blick auf Charly, die seelenruhig mit ihrem Löffel in ihrem Müsli herumstocherte.
„Charly?" zischte ich leise und versuchte so, die neugierigen Blicke der anderen nicht auf mich zu lenken. Eine unangenehme Stille bereitete sich kurz über unserem Tisch aus, bevor die Blonde den Löffel geräuschvoll in die Schüssel vor ihr fallen ließ und mich mit ruhigem Blick fixierte. „Val, es tut mir sehr leid, dass ich dir das nicht früher gesagt habe, ich habe selbst erst vor ein paar Tagen davon erfahren, dass er auch nach Wellington reisen wird, aber er hat mir ein Angebot gemacht, dass ich schlecht ausschlagen konnte." Wut kochte in mir hoch, die ich mühsam versuchte zu unterdrücken, weshalb ich erst einmal tief durchatmete, bevor ich ihr antwortete. „Wer. Ist. Er?" Kopfschmerzen breiteten sich in meinem Kopf aus, wellenförmig und brachten meinen ganzen Schädel zum Vibrieren. Tief in meinem Inneren war mir bereits bewusst, wer mit er gemeint war, jedoch wollte ich es aus ihrem Mund hören. Wieder einer ihrer undurchschaubaren Blicke. Ich hätte sie am liebsten an ihren blonden Haaren nach draußen gezogen und sie dort mit allen Schimpfwörtern überhäuft, die mir eingefallen wären, doch stattdessen saß ich wie angewurzelt auf einem der noblen Stühle und warf meiner besten Freundin einen bitterbösen Blick zu, der an ihr allerdings abprallte, wie Regen an struppigen Ponyfell.
„Es ist London. London Fischer."
Und obwohl ich mich innerlich darauf vorbereitet hatte, brach genau in diesem Moment etwas in mir zusammen, dass mich die letzten Stunden seit meiner Ankunft am Leben erhalten hatte. Ein eiskalter Schauder durchfuhr mich und in meinem Ohr breitete sich ein haarsträubendes Fiepen aus, was mich reflexartig die Augen zukneifen ließ.
DU LIEST GERADE
Empress
Teen Fiction~Der dritte Teil von Princess~ Der letzte Ritt? Spielt keine Rolle! Der letzte Sieg? Bereits verdrängt! Verschwunden in den Geschichtsbüchern. Gestern? Längst vorbei. Aber jetzt steht alles auf dem Spiel! Jetzt ist der Moment: Eine Pferdestärke. Ein...