Kapitel 7

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Ein Atemzug. Ein Hufschlag auf dem sandigen Boden. Ein Atemzug. Gedanken, die zum ersten Mal seit langer Zeit zu schweigen schienen. Ein Atemzug. Ein Hufschlag. Ein zufriedenes Prusten meines Hengstes. Ein Atemzug. Ein Hufschlag. Ein Lächeln auf meinem Gesicht.

Mit weitausgreifenden Galoppsprüngen durchmaß Olympio die helle Dressurhalle, den stattlichen Hengsthals gebogen und die Öhrchen gespitzt. Seit ungefähr 10 Minuten trainierte ich nun schon unter den wachsamem Augen Rubens- der Bundestrainer hatte sich freundlich vorgestellt und mich direkt gebeten, ihn doch zu duzen. Um ehrlich zu sein, gefiel mir die Art des Dunkelhaarigen, dessen Harry- Potter- Brille ihm etwas schief auf der zu groß geratenen Nase saß. Mit ruhiger Stimme rief er mir immer wieder kleine Tipps zu, beschränkte sich allerdings größtenteils darauf, unser Training zu beobachten. Anders wie bei Georgie strahlte dieser Mann Ruhe und Zuversicht aus und als er mich nach weiteren 10 Minuten Training zu sich rief, empfand ich keine Angst, einen Einlauf zu kassieren, wie es zuletzt bei Georgie gewesen war. „Gute Arbeit!" lobte er auch gleich und tätschelte Olympio freundlich das verschwitzte Fell- da mein Hengst in den vergangenen Wochen kaum etwas gemacht hatte, schnaufte er bereits ordentlich und auch auf seinem dichten Fell waren bereits Schweißflecken zu sehen. „Ich habe schon von Silvia gehört, dass sie dich bereits über unser Angebot informiert hat." Kam der Österreicher auch direkt zum Punkt und seine dunklen Augen musterten mich neugierig. Ich nickte bloß. Ich war mir immer noch uneins darüber, ob ich mir eine weitere Show, weitere Strapazen, weitere Tränen antun sollte, für einen läppischen Titel. Also antwortete ich vage: „Ja, ich habe gestern davon erfahren." Er nickte verständnisvoll. „Valerie, ich verstehe vollkommen, wenn dich dieses Angebot überrumpelt, aber ich sehe ein unglaubliches Talent in dir und deinem Pferd. Wäre es möglich, dass du mir nochmal ein paar Lektionen vorführst? Wie wäre es mit ein paar Pirouetten, fliegenden Wechseln und einer Passage? Nichts davon muss perfekt sein..." fragend blickten seine Augen in meine Richtung und auch Charly und Silvia, die beide ebenfalls neben dem Trainer standen, lehnten sich gespannt nach vorne.

Eine Millisekunde lang überlegte ich zu kneifen, doch dann hörte ich plötzlich aus dem Nichts meine eigene Stimme antworten: „Na klar, kein Problem!" Wie ferngesteuert nahm ich meine Zügel auf und ließ meinen Fuchs antraben. Erst als ich erneut den gleichmäßigen Hufschlag unter mir spürte, kam ich wieder zu mir und mein Kopf ruckte hektisch zurück in die Ecke, in der meine drei Zuschauer immer noch standen. Jetzt kannst du nicht mehr kneifen! Jetzt hast du schon zugesagt! Flüsterte die kleine Stimme in meinem Kopf gehässig und brachte mich dazu, die Zügel nochmals nachzufassen und anzugaloppieren. Sie wollen mich sehen?! Dann liefern wir ihnen eine Show! Dachte ich mir und ritt eine Volte, um Olympio noch mehr aufs Hinterbein zu setzen und ihn so auf die Galoppwechsel vorzubereiten. Mit nach hinten gedrehten Ohren achtete mein Hengst auf jede noch so kleine Regung, auf jeden noch so leichten Schenkeldruck und gab mir so den Mut, nach der kurzen Seite auf die Diagonale abzuwenden und mit Dreierwechseln zu beginnen. Olympio federte förmlich durch den hellen Sand, ich jedoch hatte Mühe, richtig zu zählen. War es schon so lange her, seit ich das letzte Mal diese Lektion geritten war?! Leicht ärgerlich wendete ich auf die nächste Diagonale ab, nicht ohne Olympio vorher noch einen ermutigenden Tätschler auf den Hals zu geben. „Auf geht's Dicker! Das werden wir doch noch hinkriegen!" raunte ich ihm leise zu, bevor ich ihm den Impuls für den ersten Wechsel gab. Dieses Mal hatte ich mir Zweierwechsel in den Kopf gesetzt und hatte schwer zu tun, meinem Fuchs die passenden Impulse zu geben. Einmal verhaspelte er sich und sprang zwei Einer, woraufhin ich völlig aus dem Takt kam und die Diagonale mit einem letzten einfachen Wechsel beendete. Grummelnd strich ich Olympio kurz entschuldigend über den Hals, um dann auf die Mittellinie abzuwenden und die lange Gerade im Mittelgalopp hinunterzufegen. Schon kurz vor X schaltete sich mein Verstand wieder ein und spulte alles ab, was ich bereits seit meinem 14 Lebensjahr- das war der Zeitpunkt, an dem ich zum Ersten Mal eine Pirouette geritten war- verinnerlicht hatte. Zurücknehmen. Am inneren Bein halten. Kurzer Impuls mit dem äußeren Bein, dann wieder am inneren Bein halten. Eine ganze Runde. Dann wieder geraderichten. Schenkeldruck mit beiden Beinen. Und schon hatten wir die Pirouette gemeistert. Wieder ein aufmunternder Klopfer für meinen tapferen Hengst, der schon ordentlich schnaufte. Sanft parierte ich ihn zum Trab durch und tickte ihn nach drei Trabtritten leicht mit der Gerte an und hielt vorne leicht gegen. Mein schlaues Pferd verstand sofort und fing an, unter mir zu tanzen. Energisch, aber nicht so leichtfüßig, wie ich es von ihm gewohnt war, schwebte er in der Passage über den Hallensand und ließ sich sogar nochmals zurücknehmen, sodass mir drei Tritte auf der Stelle gelangen. Doch dann merkte ich, wie ihm bereits die Kraft ausging. Schnell parierte ich zum Schritt durch und ließ sofort die Zügel los, um ihn ausgiebig mit beiden Händen zu loben. „Braver Bursche!" flüsterte ich ihm zu und während er genüsslich seinen Hals schüttelte, wagte ich einen Blick zu Ruben, der die Arme vor der Brust verschränkt hielt. Was würde er zu uns sagen?

„Und?" fragte ich, nachdem ich mein Pferd neben den dreien angehalten hatte. Ruben schwieg und ließ seinen Blick über den verschwitzten Körper meines Fuchses gleiten. Doch nicht nur mein Pferd hatte ordentlich schwitzen müssen, auch ich schnaufte schwer. Ich war einfach schon viel zu lange nicht mehr auf einem Pferd gesessen. „Nun ja, Val, ich glaube, ich bin ein Mensch, der kein Blatt vor den Mund nimmt und um ehrlich zu sein, hatte ich euch in einer besseren Verfassung erwartet. Die Wechsel sitzen nicht mehr, weil du aus dem Takt kommst und damit dein Pferd behinderst, die Pirouette könnte noch mehr an Ausdruck gewinnen und in der PiPa- Tour könnte er deutlich mehr Kraft gebrauchen. Aber nichtsdestotrotz bin ich einfach überzeugt von euch beiden. Die Show startet in drei Wochen, eine Woche vorher würdet ihr nach Wellington in die USA fliegen, um euch dort einzugewöhnen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich euch bis dahin fit kriegen würde." Resümierte der Trainer meinen Ritt. Zugegebenermaßen, seine offene und ehrliche Art schockte mich etwas und erst wollte ich schon zurück fauchen, hielt mich dann doch zurück. Schließlich hatte er recht. Olympio und ich waren nun wahrlich nicht in Schuss und ich konnte froh sein, dass er sich unser Training bis zum Ende angesehen hatte. „Valerie, ich weiß, dass du keine großen Ambitionen mehr hast, was die internationale Showbühne angeht, aber ich möchte dir da einfach nochmal Mut machen. Dieser Hengst hier...", er strich Olympio sanft über den Hals, „...dieser Hengst hier besitzt so ein unglaubliches Talent und du stichst durch deine einfühlsame Reitweise heraus. Ihr beide zusammen seid ein absolutes Vorbild für die Reiterszene. Wenn du zusagst, für Österreich an den Start in der Queen- Show zu gehen, könnten wir direkt mit dem Training beginnen, um Olympio und dich so gut wie möglich auf die Show vorzubereiten." Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und musterte mich eingehend.

„Habe ich eine Chance zu gewinnen?" mit vorgestrecktem Kinn beobachtete ich eingehend die Reaktion des Österreichers. „Jeder, der in dieser Show an den Start geht, hat das Können und die Willenskraft, ganz oben aufs Treppchen zu steigen. Es wird sicherlich nicht leicht." Gab er offen zu und ich nickte bloß. „Also Val, was sagst du?" platzte es aus Silvia heraus, die bisher ruhig neben dem Bundestrainer gestanden war. Drei gespannte Augenpaare richteten sich auf mich und ich setzte mein bestmögliches Pokerface auf. Wieder einmal begann sich das niemals enden wollende Karussell meiner Gedanken zu drehen und ich fuhr gedankenverloren durch die dicke Mähne meines Pferdes. Ich liebte den Sport und ich liebte die Turniere, jedoch hatte die Vergangenheit mir immer wieder dicke Steine vor die Füße geworfen. Ich war belogen worden und hatte eine meiner treuesten Partner verloren. Ich warf einen letzten prüfenden Blick zu Ruben Schotterer, der entspannt neben Charly und Silvia stand und mich neugierig musterte. In seinen Augen lag keine Hektik, nur Ruhe und Zuversicht. Ich weiß nicht, ob wirklich das und seine absolute Ehrlichkeit mich dazu veranlassten, ihm zu vertrauen, jedoch  tat ich es und sagte:

„Ich bin dabei!"

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