Kapitel 25

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Der nächste Morgen zog sich wie Kaugummi. Gestern war noch bis spät in die Nacht hinein gefeiert worden und auch wenn Gerald, John und ich die Party bereits früher verließen, fühlte ich mich wie gerädert, als ich von einer Stunde zur nächsten schlurfte. Doch auch den anderen schien es nicht besser zu gehen, Ana war den gesamten Morgen richtig grün im Gesicht und sippte nur immer wieder vorsichtig an ihrem Wasser. Genau wie ich schien sie also drei Kreuze zu machen, als die schwarze Limousine am späten Nachmittag endlich in der Einfahrt der High School stehen blieb und uns einsteigen ließ, um uns zurück in die Häuser zu bringen. Ich quetschte mich als eine der ersten in das Auto und warf Ana einen mitfühlenden Blick zu, die sich mit einem schwerfälligen Satz neben mich plumpsen ließ. „Na, harte Nacht gehabt?" Versuchte ich zu scherzen, doch sie zog nur missbilligend die Augenbrauen zusammen. „Val, bitte, leise! Mein Kopf schwirrt immer noch! Warum habe ich auch so übertreiben müssen gestern?" Jammerte sie, und lehnte ihren Kopf hilfesuchend an meine Schulter. Ich grinste nur und kam ihrem Wunsch nach, indem ich Ruhe gab.

Jedoch schien es der Tag nicht gut mit Ana und den anderen zu meinen, denn als die erste Limousine gerade durch das große Tor unserer Unterkunft fuhr, vibrierten alle unsere Handys und eine Nachricht poppte auf unseren Bildschirmen auf.

Neue Nachricht: Alexandra: Dressurstunde in einer dreiviertel Stunde auf dem Dressurplatz.

Ana stieß daraufhin einen Fluch auf Russisch aus, bei dem ich wahrscheinlich froh war, dass ich die Sprache nicht beherrschte und grummelte weiter, während sie sich aus dem Wagen schälte. Gerald hatte vor ihr schon den Wagen verlassen und verkniff sich ein Grinsen. „Grins nicht so blöd, Eventing boy!" Fauchte die blonde Russin daraufhin und piekte ihm anklagend auf die Brust. „Hättest du jetzt gleich eine Reitstunde bei deiner Tante, dann würde dir auch die Laune vergehen." Fügte sie hinzu und rauschte dann mit erhobenem Haupt an ihm vorbei die Stufen hinauf in Richtung Aufzug. „Weiber..." Daniel, der hinter mir aus dem Wagen geklettert war und sich gerade seine Sonnenbrille von den Haaren auf die Augen schob, verdrehte bloß die Augen. Ich warf ihm einen gespielt ärgerlichen Blick zu, den er mit einem Schulterzucken abtat. „Mit Ausnahmen natürlich!" schleimte er und zwinkerte mir schelmisch zu. Dieses Mal war ich es, die die Augen verdrehte. Gerald tat es mir gleich und lachend stiegen wir die Stufen zur Eingangshalle hinauf, um uns für die kommende Trainingssession fertig zu machen.

Zwanzig Minuten später, ich hatte mich inzwischen in Reithosen geworfen und noch einen Apfel aus dem Kühlschrank verspeist, herrschte in den Stallungen hektische Betriebsamkeit. Auch Olympio wirkte sehr wach, als ich ihn aus dem überdachten Stallgang hinaus in die Sonne führte und steigerte sich sogar so weit hoch, dass er mit hoch erhobenem Kopf und Schweif neben mir her passagierte, die Nüstern und Augen weit aufgerissen. „Na, na. Das fängst du mit deinen zwölf Jahren jetzt nicht mehr an!" Mahnte ich ihn mit einem Grinsen im Gesicht an und klopfte ihm auf die breite Brust, um ihn etwas zur Räson zu rufen. Es war klar zu erkennen, dass es sich bei seinem Gehabe um reinen Übermut handelte und er eigentlich keine Angst vor den großen Palmen hatte, die längs unseres Weges uns Schatten spendeten. Und doch ließ er sich nicht beirren und passagierte den gesamten Weg zur Halle neben mir her, wobei sein kupferfarbenes Fell kerngesund in der Sonne glänzte. Keine Spur mehr von dem abgestumpften Fell nach dem Unfall und auch die Brandnarben waren kleiner und unsichtbarer geworden. „Oh la, Val, deiner ist aber heute gut drauf!" Mit großen Augen kam Dana auf ihrem Braunen angeritten und schien nicht schlecht zu staunen, wie sich mein kastanienbrauner Hengst neben mir bewegte. Ich winkte bloß ab. „Keine Sorge, das sind nur die Frühlingsgefühle!" scherzte ich und war aber dennoch heilfroh, endlich in der Halle angekommen zu sein. Vor dem Eingang fand ich einen kleinen Hocker, den ich zum Aufsteigen nutzte, bevor Olympio sich auch schon hinter Danas Hengst her stapfte und in die Halle schritt. Ana war bereits mit ihrem Fuchs in der Halle und hatte auch schon die Zügel aufgenommen. Mit mehreren kurzen Reprisen Schenkelweichen und Schritttraversalen bog sie ihren Wallach und stellte so gleichzeitig sicher, dass er an beide Zügel gleichmäßig herantrat.

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