„Val, beeil dich, ich habe dir sogar noch eine Cola aus dem Kühlschrank auf die Couch gestellt!" tönte Anas Stimme durch die Wohnung, die ich mir mit den beiden Jungs als Team Österreich teilte. Inzwischen war der Abend hereingebrochen und hinter den großen Fenstern in meinem Zimmer leuchteten die Sterne am Himmel. Nach dem klärenden Gespräch mit Michi und Ruben, das mich komplett ausgelaugt hatte, waren wir bis zum Ende der Prüfung in den Stallungen geblieben. Durch die Live-Ergebnisse, die automatisch auf mein Handy gespielt wurden und einen kleinen Fernseher, der über den Stalltoren angebracht worden war, hatten wir die restlichen Ritte angeschaut und gehofft, dass es mir trotz des katastrophalen Ergebnisses in die weitere Runde reichen würde. Verstohlen hatte ich bei der letzten Reiterin an meinem Daumennagel gekaut, und gehofft, sie möge eine schlechtere Bewertung erhalten als ich. Ich wusste selbst, dass diese Gedanken gemein waren, dennoch konnte ich sie nicht abschütteln.
Ich wollte weitermachen. Ich wollte sogar gewinnen. Durch das Gespräch mit Ruben hatte ich sogar das Gefühl, dass ich nun noch besser mit ihm zusammenarbeiten konnte. Weil er mich nun verstand. Umso stärker wurde dann der Kloß in meinem Hals, als die letzte Reiterin, eine schüchterne Japanerin, das Viereck verließ. Bisher war ich auf dem zehnten Platz, womit ich in die nächste Runde gekommen wäre. Wenn sie sich vor mich geschoben hätte, hätte ich meine Taschen packen müssen. Ich hatte die Augen schließen müssen. Michis triumphierender Siegesschrei, der durch die ganze Stallgasse zu hören gewesen war, hatte mich meine Augen aufreißen lassen. „Du hasch es geschafft Mädle!" Das waren die erlösenden Worte gewesen und Michi hatte mich in seine starken Arme genommen und euphorisch im Kreis gewirbelt. „Wir sind eine Runde weiter?" hatte ich meine eigene krächzende Stimme gehört. „Ja, knapp, aber wir sind durch." Hatte sich auch Ruben eingeschaltet, auf seinem weichen Gesicht war ein verhaltenes Lächeln zu sehen. „Ich bin stolz auf euch beide! Und von jetzt an, geben wir richtig Gas!" Hatte er mir versprochen. Ich hatte bloß genickt, noch völlig überwältigt davon, nicht nach Hause fliegen zu müssen.
„Sag mal, Val, hast du Tomaten auf den Ohren?" Riss mich Ana aus meinen Gedanken, indem sie meine Tür mit einem Ruck aufriss. Mit zwei schnellen Schritten kam sie in den Raum gestiefelt und stemmte die Hände in die Seiten, als sie mich auf meinem Bett sitzend erblickte. „Du bist ja nicht mal angezogen." Stellte sie fest, die Lippen missbilligend zusammengezogen. Ihre Aussage stimmte so nicht ganz. Ich trug durchaus Klamotten, jedoch fiel meine schwarze Jogginghose und das hellblaue T-Shirt, das ich trug nicht gerade in Anas Kategorie von einem gelungenen Outfit. Sie selbst war schick angezogen, die schwarze Designer-Jeans klebte hauteng an ihrem Körper, die weiße Bluse schrie nach old-Money. Kurz gesagt: Im Vergleich zu ihr sah ich aus wie ein Häufchen Elend. „Jetzt aber los! Die Jungs warten schon draußen, um die erste Folge anzusehen und direkt danach geht es noch los. Team USA hat zu einer Party eingeladen. Sie haben die meisten Punkte nach Hause genommen." Kurz sah ich so etwas wie Ärger in ihren babyblauen Augen aufblitzen, bevor sie mir ein breites Lächeln schenkte. „Auf, auf! Du verpasst noch den Anfang!" Sie erhob sich von meinem Bett, auf dessen Bettkante sie sich für einen Moment niedergelassen hatte und klatschte eifrig in die Hände. Manchmal fragte ich mich wirklich, woher sie ihren Enthusiasmus nahm. Kopfschüttelnd schlug ich die Bettdecke zurück, unter der ich es mir die letzte Stunde gemütlich gemacht hatte und rutschte aus meinem Bett.„Gut dich zu sehen!" Geralds braune Augen lagen wissend auf meinen, als ich wenige Augenblicke später ins Wohnzimmer gestapft kam, und zog mich in eine freundschaftliche Umarmung. Der hochgewachsene Vielseitigkeitsreiter trug ebenfalls gemütliche Klamotten und sein zimtfarbenes Haar war an den Spitzen noch etwas feucht, was mich darauf schließen ließ, dass er gerade eben noch geduscht haben musste. „Danke dir!" Lächelte ich dankbar und fragte mit Blick auf seine noch nassen Haare: „Seid ihr gerade eben erst zurückgekommen?" Er nickte nur und fuhr sich durch die Haare. „Ja, wir haben erst nach euch mit der Dressur gestartet. Mann, ich kann gar nicht verstehen, wie ihr das jedes Wochenende machen könnt... Das wird doch irgendwann langweilig, immer nur in dem Viereck rumturnen..." Ein verschmitztes Grinsen zierte seine feinen Gesichtszüge, als er den Satz unheilvoll ausklingen ließ. Bevor ich zu einer empörten Antwort ansetzen konnte, öffnete sich polternd die Eingangstür unserer Wohnung und Johann kam hereingeplatzt, eine Flasche Wein in der einen, eine Schüssel Popcorn in der anderen Hand balancierend. „Wo ist meine Valerie?" Fragte er auch direkt mit lauter Stimme in Richtung der Küche, in die Dani und Ana verschwunden waren. Bevor er die beiden stören konnte, rief ich laut seinen Namen, um ihm zu signalisieren, dass ich mich im Wohnzimmer aufhielt. Wenige Sekunden verstrichen, dann kam er auch hereingestürzt, stellte beiläufig Wein und Popcorn auf dem Couchtisch ab, bevor er mich schon feste in seine Arme zog. Etwas überrumpelt entfuhr mir ein Quieken, bevor ich meine Arme auch um ihn legte. Als er mich wieder losließ hielt er mich an meinen Schultern fest und begutachtete mich eingehend. „Wie geht es dir? Du hast uns allen einen riesengroßen Schrecken eingejagt Erst als dein Ergebnis durchgesagt wurde und dann als du wie vom Erdboden verschluckt warst!" Seine sonst so unverwüstliche gut gelaunte Art war wie weggeblasen, stattdessen wirkte es, als würde er sich wirklich Sorgen um mich machen. Ich lächelte matt. „Ich weiß halt wie ich einen Auftritt hinlegen kann!" Gab ich lahm zurück und hoffte durch meinen halbherzigen Scherz die Stimmung wieder zu heben. Es schien zu wirken, denn auf den Gesichtern der beiden jungen Herren erschien ein Lächeln. „Nun gut, dann lasst uns mal den Fernseher einschalten, die Sendung soll in wenigen Augenblicken beginnen." Mit diesen Worten rettete Gerald mich und lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit aufgenommen großen Plasmafernseher, der gegenüber der großen Couchlandschaft in die Wand eingelassen worden war.
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Empress
Teen Fiction~Der dritte Teil von Princess~ Der letzte Ritt? Spielt keine Rolle! Der letzte Sieg? Bereits verdrängt! Verschwunden in den Geschichtsbüchern. Gestern? Längst vorbei. Aber jetzt steht alles auf dem Spiel! Jetzt ist der Moment: Eine Pferdestärke. Ein...