Der restliche Nachmittag war klar durchgetaktet. Zuerst waren wir alle in das Media Center berufen worden, um dort alle wichtigen Infos für die kommenden Tage zu erhalten. Anschließend waren wir einzeln von verschiedensten Presseleuten befragt worden und hatten nochmals für die Show Interviews geben müssen, die in der nächsten Folge ausgestrahlt werden würden. Und später am Abend würde nun noch der Vetcheck anstehen.
Aus diesem Grund stand ich auch wieder in der Box meines Pferdes und bürstete über sein kastanienbraunes Fell, während Michi pfeifend dabei war, Olympio einzuzöpfeln. In den ganzen Stallungen war es wieder einmal heillos überfüllt, Pferde wurden entweder nach draußen oder nach bestandenem Vet-Check wieder zurück in ihre Boxen gebracht, andere wurden wie Olympio fertig gemacht, oder es wurde bereits für die morgigen Einlaufprüfungen alles vorbereitet. So sah ich Dani, der gemütlich mit Handy am Ohr die Stallgasse entlanggeritten kam, und sich erst in der Box von dem blanken Rücken seines Pferdes schwang und diesem einen dankenden Klaps auf den Hals gab. „Ja, Mama, mir geht es wirklich gut in Wellington. Nein, ich habe noch keinen Sonnenbrand bekommen! Danke, der Nachfrage." sprach er in sein Telefon und seine Stimmlage machte deutlich, dass er gerade keine Lust auf dieses Gespräch hatte. „Du, ich muss jetzt aber auch Auflegen, Torsten will noch etwas wegen morgen besprechen! Tschüss und grüß mir alle, ja?" Unterbrach er auch relativ abrupt das Telefonat und wandte sich danach mir zu. „Eltern." Er tat es mit einem Schulterzucken ab und grinste mich danach an.
„Und? Haben sie dich im Interview auch durch den Fleischwolf gedreht?" Erkundigte er sich weiter, während er seinem Schimmel die Trense auszog und ihm nochmals freundschaftlich über das silbrig schimmernde Fell fuhr. „Na ja, bei mir waren die Themen sofort klar!" Brummte ich unzufrieden und machte eine kleine Kunstpause, damit Dani mich durch die Gitterstäbe hinweg wieder ansah. Ich nickte lediglich vage in Richtung einer Box ganz am Eingang des Stalles 1, der für die nächsten drei Tage unser Zuhause war. Dani schnallte sofort und verdrehte die Augen. „Ernsthaft? Ich frage mich sowieso, wieso sie teilnehmen darf... Ist sie nicht eigentlich immer noch dopinggesperrt?" Ich zuckte lediglich mit den Schultern. Für mich war es sonnenklar, weshalb die Initiatoren der Show Alice eingeladen hatten. Sie polarisierte wo es nur ging und obwohl es mir widerstrebte auch nur daran zu denken: Sie und ihr Hengst Mission Impossible FRH waren in Bestform. Die Dopingsperre war nur wenige Tage vor der Anreise abgelaufen, weshalb für sie nun nichts mehr im Wege stand, ihr Comeback zu feiern. Und das würde sie. „Du weißt aber, dass sie gegen Olympio und dich keine Chance hat, oder?" schaltete sich Gerald vorsichtig ein, dessen Pferd die andere Box direkt neben meinem Hengst bezogen hatte. Ich warf ihm ein dankbares Lächeln zu und bürstete aber danach nur noch verbissener über das bereits glänzende Fell. Denn ich wusste nur eines, um sie zu besiegen, würde ich mehr als alles geben müssen.
„Number 34 Olympio fit to compete. Next one please, Number 35." Der Tierarzt, der den VetCheck bei allen Pferden durchführte, nickte mir kurz zu, bevor er sich bereits dem nächsten Pferd widmete. Ich atmete einmal tief durch. So weit hatten wir es also schon mal geschafft. Unser erstes Turnier nach dem desaströsen Ende in Fontainebleau im Sommer. „Gut Mädle, komm, wir bringed den Hübscha hier mal wieder zrück und mached ihn fertig für euer Training! Oder?" Michi lächelte mir freundlich zu und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, als wüsste er, wie es in mir drin gerade brodelte. Die ganze Sache mit Alice nahm mich mehr mit, als ich es für möglich gehalten hatte. Sie war es gewesen, weshalb ich letzten März unehrenhaft aus der Princess-Show geworfen worden war, und sie hatte sich an meinen Pferden vergangen, als sie ihnen eine Schmerzsalbe untergejubelt hatte. Der Hass brodelte in mir und wartete nur darauf, freigelassen zu werden. Und er brodelte die gesamte Zeit, in der Michi und ich zurück zu den Stallungen gingen, um Olympio für das Abschlusstraining fertig zu machen.
Als ich jedoch 20 Minuten später in die große Arena einritt, in der viele meiner Konkurrenten schon fleißig trainierten, zwang ich mich, die Wut in mir hinunterzuschlucken. Es half alles nichts, und nun galt es, mein Pferd und mich bestmöglich auf die kommenden Tage vorzubereiten. Mein großer Fuchs unter mir schritt mit weitausgreifenden Schritten über den fast weißen Sand, der hier in der International Arena aufgeschüttet worden war, in der wir die nächsten Tage an den Start gehen würden. Die Vielseitigkeitsreiter würden ihren Anfang haben, sie würden jedoch lediglich ihren Dressurteil absolvieren, da die Belastung eines Drei-Tage-Events mit allen drei Disziplinen jede Woche für die Pferde doch zu viel wäre. So würden sie nächste Woche ihre Entscheidungen allein im Springparcours ausfechten, bevor es in Woche 3 erst zu einem Showdown im Gelände kommen würde. „Langweilig! Wie ihr nur Dressurreiten könnt, kann ich nicht verstehen!" hatte Gerald mir gestern anvertraut, während er seinen Apfelschimmel locker geritten hatte.
Wie von selbst schweifte mein Blick über den sandigen Platz und schnell entdeckte ich den Österreicher auch schon, mit leicht verkniffenem Gesicht ließ er seinen Wallach Celano die Tritte verlängern und ich musste zugeben, dass die beiden dabei gar keine schlechte Figur machten. Natürlich war es nicht vergleichbar mit vielen Dressurpferden, jedoch konnte man mit ebendiesen auch keinen Vielseitigkeitsparcours der Welt bestreiten. „Ganz nett, oder? Unser Gerald hat gute Chancen, die Runde morgen gut heimzuschaukeln." Mein Kopf fuhr herum, doch es war nur Daniel, der sich an meine rechte Seite geschlichen hatte. Sein Schimmel und mein Fuchs waren ungefähr gleich hoch und schritten nun so gemütlich nebeneinanderher. „Das traue ich ihm auch locker zu- sein Wallach hat gute Bewegungen!" Stimmte ich ihm zu und ließ meinen Blick wieder zu unserem Teamkameraden schweifen, der nun angaloppierte und ein paar Wechsel antestete. „Und wenn du noch morgen ablieferst und ich mir sowieso die Goldene morgen abhole, dann wird unser Haus am Sonntag mehr als einen Korken knallen lassen müssen..." Dani grinste mir schelmisch zu und trabte seinen Schimmel an, und sah mich fragend an. Ich verdrehte nur grinsend die Augen und trabte Olympio ebenfalls an. So zogen wir in einem gemütlichen Aufwärmtrab unsere Bahnen nebeneinander her und schwiegen. Und doch vermittelte es mir genau die Sicherheit, die ich brauchte, nicht nur für die heutige, noch folgende Trainingsarbeit, sondern für das gesamte Wochenende. Denn so sicher, wie sich der blonde Österreicher mit seinem Ergebnis am Ende der Prüfungen war, so unsicher war ich über mein eigenes. Würde es reichen? Oder würde ich patzen, nach all den Monaten, in denen ich nun die Turnierwelt gemieden hatte?
So oder so, ich konnte es nicht vorhersehen, sondern nur mein Bestes geben. Ich tätschelte meinem großen Kohlfuchs aufmundernd den massigen Hals. Und genau das hatte ich vor.
DU LIEST GERADE
Empress
Teen Fiction~Der dritte Teil von Princess~ Der letzte Ritt? Spielt keine Rolle! Der letzte Sieg? Bereits verdrängt! Verschwunden in den Geschichtsbüchern. Gestern? Längst vorbei. Aber jetzt steht alles auf dem Spiel! Jetzt ist der Moment: Eine Pferdestärke. Ein...