39. Kapitel

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Nachdem wir alle unsere Pferde geputzt und gesattelt hatten, ritten wir schließlich vom Hof. Vorne weg lief die aufgeregte Champion, gefolgt von Julia, Laila und schließlich von Kjell und mir. Mit gespitzten Ohren stampfte mein Rappe unter mir durch den Schnee und die warme Luft, die seine Nüstern verliesen, verwandelten sich in der kalten Frühjahrsluft in atmen beraubenden Atemwolken, die aussahen wie die Rauchwolken eines Drachens. Während Laila und Julia etwas weiter vor uns ritten und sich lachend unterhielten, war ich eher still und schielte unauffällig hinüber zu Kjell der mich ganz offen ansah. ,,Im Gegensatz zu Laila, seid ihr beide ziemlich still." Meinte Kjell auf einmal ,,Aber ich glaube, du bist gar nicht so still. In dir schlummert etwas Großes." Ich gab mir einen Ruck und sah ihn unsicher lächelnd an ,,Wieso?" fragte ich einfach. Erfreut, dass ich ihn ansah, erwiderte Kjell ,,Ich weiß nicht, aber ich weiß es einfach, dass du groß bist. Größer als man auf den ersten Blick vielleicht denkt." Mein Lächeln wurde etwas breiter, doch ich sah ihn einfach weiter an. ,,Aber ich frage mich, warum du so still bist. Du willst du laut sein, oder?" Wieder streiften meine Augen seine, und ich atmete tief durch ,,Ich bin nicht leise, es ist nur... ich hab verlernt laut zu sein. Es ist schwer, so zu sein, wie du bist, wenn keiner Zeit hat, sodass du es ihm zeigen kannst. Verstehst du?" ,,Hm." Murmelte Kjell ,,Aber hier kannst du doch laut sein! Oder... bist du es schon, nur nicht, wenn ich da bin?" Ich zuckte die Schultern ,,Ich weiß halt nicht... wem ich... wem ich vertrauen kann." Gab ich zu und blickte beschämt auf Narviks schwarze Mähne. Doch Kjell überraschte mich wieder einmal und sagte nur ,,Vertrauen ist etwas kostbares und wenn man es einmal verschenkt hat, vergibt man es nicht so schnell wieder." Überrascht sah ich an und nickte dann ,,Ja, genau." Murmelte ich und lächelte dann wieder vorsichtig zu Kjell. Dieser erwiderte es und schlug auf einmal vor ,,Wie wäre es wenn wir beide uns noch einmal richtig vorstellen? Ich hab das Gefühl, dass wir uns definitiv besser kennen lernen sollten." Er grinste und auch ich lächelte etwas breiter, bevor ich zögerlich nickte ,,Aber du fängst an." Meinte ich. ,,Okay." Er lächelte ,,Mein Name ist Kjell Norberg und ich bin sechzehn, bald siebzehn Jahre, alt. Meine Wurzeln liegen sowohl in Schweden als auch in Norwegen, doch ich habe in Deutschland zusammen mit meiner Mutter meine komplette Kindheit verbracht. Dadurch spreche ich drei Sprachen, mehr oder weniger als Muttersprache. Vor zwei Jahren bin ich zu meinen Großeltern nach Schweden gezogen und dort zur Schule gegangen. Und jetzt die Fragen bitte." Ich lachte ,,Wie lange hast du Amardo schon?" fragte ich grinsend. ,,Puh, fünf Jahre? Ich hab ihn glaube ich als dreijährigen in Spanien gekauft und dann weiter ausgebildet." Der Hengst schnaubte bestätigend, als hätte er verstanden, was Kjell gesagt hatte. ,,Lieblings Farbe?" fragte ich grinsend weiter. ,,Willst du mich in deinem Freundebuch eintragen?" lachte er ,,Aber sie ist schwarz oder blau." Ich grinste ,,Und wieso bist du wieder hier? Und nicht in Schweden?" Kjells gerade noch verschmitzte Miene fiel in sich zusammen und er sah mich ernst an ,,Das... kann ich dir nicht erzählen." Sagte er. ,,Wieso?" fragte ich verwirrt. ,,Es ist... nicht besonders... ich bin nicht stolz drauf." Er wich meinem Blick aus und strich sich sichtlich unwohl eine Strähne aus dem Gesicht. ,,Hast du Mist gebaut?" fragte ich vorsichtig weiter. Er zuckte die Schultern ,,Sagen wir es so...Ich hab mich mit den falschen Menschen angefreundet." Versuchte er es mich zu erklären und amtete frustriert aus ,, Am Anfang war alles noch ganz cool irgendwie. Ich hatte gerade Stress mit meinem Vater, der Wieder einmal nicht wie verabredet nach Hause gekommen ist, und wollte einfach mal ein bisschen.. keine Ahnung... frei sein schätze ich." ,,Was meinst du damit?" fragte ich, und versuchte das Schockierte in meiner Stimme zu unterbinden. ,,Es hat alles ganz einfach angefangen. Collin und seine Gang wollten sich nur kurz was aus dem Laden holen und ich sollte halt den Verkäufer ablenken..." ,,Du hast gestohlen?" fragte ich schockiert. ,,Nicht ich, Collin und seine Gang." Versuchte Kjell zu erklären, nickte dann aber geschlagen. ,,Ich dachte es wäre nur einmal, aber Collin ist immer öfter ‚Besorgungen' machen gegangen. Und immer öfter war ich dabei. Es war ein Spaß. Ein Spiel. Ich dachte ich hätte alles im Griff." Er verstummte ,,Nun ja, ich hatte es nicht. Das habe ich bemerkt, als ich auf einmal mit stehlen sollte. Ich wollte nicht, aber Collin hat auf mich eingeredet, bis ich es gemacht hatte. Danach, hab ich vollkommen die Kontrolle verloren. Er hat mich erpresst, als ich nicht mehr wollte, aus Angst, ich würde ihn verraten, wenn ich nicht mehr dabei war. Es gab Tage, da bin ich einfach nicht in die Schule, sondern gleich zu Collin und seiner Gang gegangen." Er schnaubte abfällig, doch es klang eher verzweifelt ,,Nicht weil ich es wollte, aber weil ich musste. Ich hatte Angst, dass Collin seine Drohungen wahrmachen würde und meiner Mutter und meinen Großeltern erzählen würde, was ich gemacht hatte. Ich hätte hundertprozentig zurück nach Deutschland gemusst, und das wollte ich auf gar keinen Fall." ,,Und was hast du dann gemacht?" fragte ich leise. Kjell zuckte die Schultern ,,Weiter gemacht. Bis wir eines Nachts in ein Lagerhaus eingestiegen sind. Das Haus hatte weitaus mehr als nur eine Überwachunsanlage, aber das wusste Collin nicht. Davor hatte nämlich immer Finn, die Überwachunsanlage gehackt und sie ausgeschaltet. Na ja, das hatte er auch, aber eben nur die eine. Als der Alarm los ging, waren wir gerade mitten im Gebäude und als wir rauskamen, war schon überall Polizei. Collin meinte noch, bevor sich uns festnahen, keiner sollte irgendetwas sagen, aber ich... habe gestanden. Nur deswegen bin ich jetzt auch hier und nicht im Gefängnis. Ich habe der Polizei alles erzählt, wann, wo und was wir gestohlen hatten. Der eine Typ hat, glaube ich, geahnt, dass ich das alles nicht wollte auch wenn ich ihm nichts erzählt habe. Na ja, es hat dann damit geendet, dass die Polizei meine Mutter angerufen hat und mit ihr verabredet hat, dass ich Sozialstunden leisten muss und danach nach Deutschland komme." Betroffen schwieg ich ,,Aber wieso?" fragte ich einfach. ,,Ich wollte einfach mal frei sein, nicht immer so sein, wie man das von mir wollte." Antwortete er und zuckte die Schultern. ,,Nein, ich meine, wieso erzählst du mir das alles?" fragte ich. ,,Weil... keine Ahnung. Weil ich glaube, dass ich dir vertrauen kann und du es wissen solltest." Wieder strich er sich eine Strähne aus dem Gesicht und sah mich dann wieder an ,,Außerdem glaube ich, dass du weißt, wie es ist, wenn man nicht so sein kann, wie man will." Ich wollte protestieren, doch ich schloss ohneetwas zu sagen, wieder der Mund. Ja ich wusste, wie es war, doch niemals hätte ich etwas Verbotenes getan, um frei zu sein! Und trotzdem verstand ich Kjell irgendwie. ,,Ich glaube ich versteh dich, irgendwie." Sagte ich schließlich nach einer Weile ,,Danke, dass du es mir erzählt hast." Er lächelte und nickte ,,Ehrlichkeit ist der Beginn jedes Vertrauens." Erklärte er. Ich lächelte und wollte gerade etwas erwidern, als ich plötzlich von Laila unterbrochen wurde ,,He ihr Turteltauben!" rief sie ,,Habt ihr Lust mal etwas schneller zu werden? Da hinten ist der Boden fest genug und nicht gefroren!" Ich grinste ,,Ay Ay Kapitän! Wettrennen." Rief ich zurück und trieb Narvik in einen kurzen Trab um zu den anderen aufzuschließen. Der Schwarze Wallach und auch die anderen Pferde, hatten natürlich verstanden, was ich gesagt hatte und hoben nun gespannt die Köpfe, als wir uns auf dem mehreren Kilometerlangen Feld aufstellten. Hier war der Schnee zum Glück nicht ganz so hoch und man konnte problemlos traben und Galoppieren ohne Angst zu haben, das eines der Pferde ausrutschen könnte. Kurz darauf hatten wir uns alle aufgestellt und warteten auf den Startschuss. ,,Auf die Plätze!" ,,Fertig?" ,,Los!" schrie ich und machte ich gleichzeitig auf Narviks ersten Galoppsprung gefasst. Doch obwohl ich mich weit nach vorne gelehnt hatte und in seine Mähne gegriffen hatte, fegte mich sein erster Satz fast aus dem Sattel. In einer atemberaubender Geschwindigkeit galoppierte der schwarze Wallach mit gespitzten Ohren unter mir über das Feld. Wir beide hatten den besten Start gehabt, und waren nun wenige Meter vor Laila und Auqarius, die etwa gleichauf mit Julia und Kjell war. Champion, der ebenfalls beschlossen hatte mitzulaufen, war recht weit hinter ihnen und hielt mehere Meter Abstand von den donnernden Pferdehufen. Mittlerweile setzte der Apfelschimmel sich jedoch immer weiter von den dreien ab und kam langsam zu uns nach vorne. Aquarius war einfach mit seinen Vollblüter Genen, weit vor dem Barockpferd und dem Sportpferd, welches auch aus den Kaltblütern Irlands gezogen wurde. Doch er würde nicht vor uns kommen, ich duckte mich noch weiter nach vorne, und gab Narvik freie Hand. Der Wallach nutze dies voll aus und machte sich so flach, als wäre er ein Rennpferd. Und trotz der unglaublichen Geschwindigkeit, war ich vollkommen ruhig und genoss den Galopp in vollen Zügen. Der Wind pfiff mir ins Gesicht und die Hufe der Pferde trommelten dumpf auf den gefrorenen Boden. Schmal lächelte ich und plötzlich spürte ich wieder diese Verbindung zu Narvik, die ich schon an jenem Tag gehabt hatte, als Laila und Julia meine Augen leuchten gesehen hatte. Es fühlte sich an wie ein Band, das meine Seele und Narviks verwand und mich zu ihn zog, auch Narvik schien es zu merken, den seine Ohren, die bis gerade noch, gespitzt waren, drehten sich nun erwartungsvoll zu mir. Wohlig schloss ich die Augen und ließ dieses Gefühl, der vollkommender Freiheit meinen ganzen Körper durchfluten. Jetzt war alles perfekt.

,,Als ich muss jetzt echt mal was sagen!" meinte Julia grinsend, als wir schließlich im entspannten Schritt wieder in Richtung Federstein zurück ritten ,,Ich reite keine Wettrennen mehr gegen euch! Aquarius ist eigentlich mehr Vollblüter als Warmblut und Narvik bekommt immer von Lea nen riesigen Magieschub, der ihn so schnell werden lässt, dass er fast abhebt! Da kann ich mit Irish Man doch gar nicht mithalten!" Ich lachte ,,Dieses Mal habt ihr doch gegen Auqarius gewonnen!" grinste ich. Julia seufzte nur dramatisch ,,Aber du warst mindestens ne Minute schneller als wir alle!" ,,Nehmt mich halt nicht in die Wertung." Grinste ich ,,Und auch wenn ihr mir das vielleicht nicht glaubt, absichtlich mache ich das auch nicht." ,,Und trotzdem ist es eine der schönsten Dinge, die wir machen können." Mischte sich Narvik mit einem zufriedenen Schnauben ein, welches natürlich nur ich und die anderen Pferde verstanden. ,,Ahhh, mir fällt gerade etwas ein, was ich euch eigentlich schon heute morgen erzählen wollte." Rief Laila auf einmal und ich sah sie neugierig an ,,Schies los!" ,,Also, du hast doch erzählt, dass du immer noch die Luft oder so beherrschst, richtig?" Ich nickte und lies zur Bestätigung einen leichten Windstoß aufwirbeln. Komischerweise beherrschte ich den Wind viel schneller als das Eis, vielleicht hing es damit zusammen, dass ich schon die volle Kraft des Himmels besaß, und es von der ,Bedienung' recht ähnlich war. ,,Außerdem hast du doch rausgefunden, dass du so was, wie die Queen der Magie bist." Erzählte Laila, mit einem schnellen Seitenblick auf Kjell, der mit unbewegtem Gesichtsausdruck nach vorne schaute. ,,Naturkönigin." Korrigierte ich sie leise, wagte es allerdings nicht sie zu unterbrechen. ,,Diese Queen der Natur, Naturkönigin, ist ja mehr der weniger jedes Kind der Natur in einem, dass bedeutet, dass du auch all ihre Kräfte besitzt." Während sie das sagte, wurde mir auf einmal ein Vorhang vor den Augen weggezogen und mein Unterkiefer sackte ein wenig nach unten. ,,Was ist, wenn das der Ausbruch des Himmel war? Was ist, wen das erst der Anfang war und du irgendwann die volle Kontrolle über jedes Gebiet der Welt hast?" Ich starrte das dunkelhaarige Mädchen an. Das ergab Sinn! Zu viel Sinn. Das konnte doch einfach nicht sein. ,,Aber... ich habe das alles doch erst seit eine halben Jahr. Und die volle Eismacht erst seit ein paar Monaten, wieso kommen da jetzt schon neue Kräfte?" versuchte ich mich verzweifelt rauszureden ,,Ich kann das nicht." Fügte ich noch leise hinzu.

,,Hey, natürlich kannst du das! Du hast so viel schon geschafft, der Rest wird ein Klacks!" rief Laila und trieb Aquarius neben Narvik ,,Du schaffst das!" ,,Und was wenn nicht?" fragte ich wieder leise ,,Was wenn ich alle enttäusche?" ,,Also ersten," mischte sich Julia nun ein ,,Kannst du niemals alle enttäuschen! Wir werden nämlich nie von dir enttäuscht sein!" Sie sah mich mit solcher Zuversicht an, dass ich es ihr schon fast glaubte ,,Und zweites, darfst du gar nicht daran denken, dass du es nicht schaffen könntest! Denn wenn du denkst du schaffst es nicht, dann schaffst du es auch nicht! Selbstbeeinflussung. Und sei mal ehrlich, glaubst du, wer auch immer dir diese Macht gegeben hat, hätte es jemanden gegeben, von dem es nur eine kleinste Chance gäbe, dass er es nicht schafft? Ich gebe dir die Antwort, nein! Aber du hast sie! Du bist die Naturkönigin! Und du schaffst das!" Schwach lächelte ich und spürte, wie ich langsam wieder Hoffnung tankte, die beiden hatten recht. ,,Ihr habt recht." Gab ich schließlich zu ,,Ich schaffe das!" ,,Das ist die Lea, die ich so lieb... mag." Korrigierte sich Kjell im letzten Augenblick und trotzdem wusste ich was er sagen wollte. Liebe. Kjell liebte mich? Doch bevor ich nachfragen konnte, was er genau damit meinte und ob es wirklich wahr war, ertönte ein erschrockenes Jaulen aus dem Wald, gefolgt von einem wütenden Knurren. Laila, Julia und Kjell nahmen dies wahrscheinlich nur leise war, doch ich hörte es laut und deutlich. Und es klang ganz und gar nicht gut. Und ich wusste auch wer dort gejault hatte. Champion.

Uiii, es geht weiter mit Kjalea! Ich bin gerade irgendwie voll im Shippingmodus😅😂 Wie findet ihr das Kapitel? Hoffentlich gut😁 Na ja, weiß gerade nicht was ich hier schreiben soll, na dann, bye👋

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