33. Kapitel

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Nach sechs anstrengend Stunden landeten wir schließlich in Oslo. Erleichtert atmete ich aus, als mich die kalte, klare Luft Norwegens begrüßte. Im Flugzeug war es unerträglich heiß gewesen und ich hatte unter meiner Verkleidung schrecklich geschwitzt. Nachdem wir unser Gepäck hatten und den Flughafen verließen, war es später Nachmittag und schon fast dunkel. Doch zum Glück wartete schon jemanden auf uns, Aegir hatte etwas abseits geparkt und scannte die Leute nach uns. ,,Talea, schön dich wieder zu sehen!" begrüßte er mich und deutete ein Verbeugung an ,,Agda." Nickte er. Die wiederum lächelte und stieg ins Auto, als Aegir ihr galant die Tür öffnete. Schweigend fuhren wir kurz darauf die Straßen entlang, normalerweise redete Aegir, wenn er mich oder meine Familie zum Beispiel irgendwo hinfuhr, doch wenn meine Großeltern dabei waren, war es still. Laut der Etikette durfte man nur ein Gespräch führen, wenn die Königin oder der König anfing. Bei meinen Eltern galt diese Regel zwar eigentlich auch, doch mittlerweile beachtete sie kaum noch jemand. Nur meine Großeltern, gerade mein Großvater, bestanden auf die Regel. Aber mal ehrlich, wer hat sich die eigentlich ausgedackt? Meinte mein Unterbewusstsein. Keine Ahnung. Seufzte ich. Doch meine Großeltern bestanden, zumindest meistens, darauf. Vielleicht weil sie es so gelernt hatten.

Als wir im Wohnsitzt meiner Großeltern, ein großer Palast ziemlich genau in der Mitte Oslos, ankamen, war es schon dunkel und es hatte begonnen zu schneien. Ich war schon oft hier gewesen, trotzdem beeindruckte mich der Palast immer wieder. Zwar war er in mitten Oslos, wurde jedoch von einem dichten Wald umringt. Das Schloss an sich war ein breites, verschnörkeltes Gebäude mit einer langen Treppe vor dem Eingang, vielen Säulen und einer Statur, die vor dem Palast stand. Sie zeigte den ersten König von Norwegen, Harald der erste auf seinem Pferd. Langsam fuhr der schwarze Wagen die Auffahrt hoch und hielt vor den Treppen des Gebäudes. Als ich ausstieg, spürte ich das altbekannte Kribbeln in meinem Bauch. Jedes mal wenn ich dieses Gebäude sah, trafen mich so viele Gefühle, dass ich die meisten von ihnen nicht einmal ein orten konnte. Heimat, Erfurcht, Trotz, Stolz, Freude, Angst. All das spürte ich gleichzeitig und ich wusste nicht einmal wieso. Mal ehrlich, wieso Angst? Dachte ich Ich werde hier ja nicht hingerichtet. Aber vielleicht war es die Presse, mit der ich diesen Ort verbannt, und vor der Presse hatte ich Angst. Die meisten Paparazzi waren einfache Fotojäger, die alles für ein gutes Foto taten. Fotograph klang vielleicht harmlos, doch ein Foto konnte viel anrichten. Es konnte unsere komplette Familie zerstören oder die Königsfamilie in schlechtes Licht rücken. Und das war gefährlich. Und gerade deswegen hatte ich so Angst. Für andere war der größte Alptraum ein abgebrochener Fingernagel, ein leerer Akku oder irgendein Tier, doch meine größte Angst war es, meine Familie in schlechtes Licht zurück. ,,Talea, komst du?" fragte Grandma, die bemerkt hatte, dass ich einfach nur auf die Treppen starrte. ,,Ja, klar. Sorry." Murmelte ich und folgte meiner Großmutter die Treppen hinauf. Doch sobald wir oben angekommen waren, blieb ich wieder stehen. Die Eingangshalle, war einfach zu beeindruckend. Obwohl ich sie sicher schon hunderte male gesehen hatte, war ich einfach immer wieder fasziniert. Überall glänzte Gold und Silber, der Boden blitze und große Kronleuchter hingen an der Decke. Norwegen war schon immer ein reiches Land gewesen, Fisch, öl, Gold und Smaragde, damit ließ sich früher wie heute gutes Geld machen. Grandma ließ sich davon nicht beeindrucken und lief zielstrebig weiter in die nächste Etage. Hier unten waren ‚nur' der Ballsaal, der Speisesaal, der aber eigentlich nur bei großen Feiern benutzt wurde, eine Art Wohnzimmer, Verschiedene Büros, von meinen Großeltern, Aegir und weiteren Bedienstet und Beratern, zwei Salons, die Küche, und weitere Räume, von denen ich entweder nicht einmal die Bedeutung oder nicht einmal wusste das sie existierten. Ich wusste nur, dass es eine geheimen Gang gab, der direkt nach draußen in den Wald, der an den Park anschloss, führte. Wahrscheinlich war er dafür gedacht, dass es falls einen Aufstand oder einen Angriff auf das Schloss gab, die Königsfamilie fliehen konnte. Ich hatte ihn entdeckt als ich wieder einmal bei meinen Großeltern war und das Schloss erkundet hatte. Dieses Mal führte uns Grandma jedoch gleich nach oben, wo die Schlafgemächer waren. Oben war es sehr viel gemütlicher wie ich fand, dunkler Holzboden, roter Teppich und weiße Wände machten alles sehr viel freundlicher. Hier oben waren auch unsere Zimmer, die wir beziehen konnten, wenn wir wie heute zum Beispiel, bei meinen Großeltern übernachteten, weil am nächsten Tag eine Feier oder ähnliches war. Oben angekommen sagte Grandma an mich gewandt ,,Ich muss mich jetzt erst einmal ausruhen, das viele Fliegen und reiten ist nichts mehr für mich." Sie seufzte ,,Dein Gepäck ist schon in deinem Zimmer, richte dich ein wenig ein und lies ein Buch oder so was. Harold hat wahrscheinlich gerade noch mit Ansgar irgendwelche Konferenzen und Maja und Kai kommen erst später. Sven und Alexandra wahrscheinlich auch." ,,Kim und Vivienne kommen auch?" fragte ich verwirrt. ,,Ja, müssen sie. Das ist eine Familienangelegenheit." Erklärte Grandma. Kim und Vivienne waren meine Cousinen und lebten etwas außerhalb von Oslo. Kim war neunzehn Jahre und studierte Jura, während Vivienne etwa so alt war wie mein Bruder und etwa genau das Gegenteil von ihrer Schwester war. Ihr Vater war Sven, der jüngere Bruder von meinem Vater und kam deswegen erst nach Kai in der Thronfolge vor. Das hatte ihm jedoch, laut meinem Vater, nichts ausgemacht, da er sowieso nicht gerne politisch aktiv war. Während ich mich anfing auf meine Cousinen zu freuen, rief Grandma nach eine der Bediensten. Kurz darauf kam ein junges, freundlich blickendes Mädchen und knickste. ,,Bitte bring Talea zu ihrem Zimmer." Sagte Grandma freundlich, das Mädchen nickte und bedeutete mir ihr zu folgen. Kurz darauf verschwand Grandma in ihrem Zimmer und auch Aegir verschwand. Mir war es etwas unangenehm, als mich das Mädchen zu meinem Zimmer führte und wieder knickste. ,,Danke." Murmelte ich ,,Aber du musst wirklich nicht knicksen, ich bin ja auch nichts Besseres als du." Überrascht sah mich das Mädchen an ,, Okay, dann bis bald?" sagte sie zögerlich und ich nickte ihr lächelnd zu ,,Bis bald."

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