Es war Sonntag. Kein ruhiger Sonntag, wie man sich das vielleicht vorstellte oder wie ich es mir innerlich immer gewünscht hatte. Entspannt aufwachen, eine Weile liegen bleiben, aufstehen, wenn man wirklich ausgeschlafen war, gemütliches Frühstück im Bett, eine heiße Dusche, die die Lebensgeister weckte. Nein. Dieser Sonntag fing ganz und gar nicht nach meinem Geschmack an, denn Sonntag bedeutete für gewöhnlich Spieltag. Und Spieltag bedeutete Arbeit.
Meine Mutter hantierte bereits seit sieben Uhr in der Küche und bereitete Brote vor, die sie beim Fußballspiel meines Bruders verkaufen würde. Sie verdiente nichts daran. Es war eine ehrenamtliche Arbeit, aber sie tat es gerne. Nicht nur für meinen Bruder, sondern für das ganze Team. Sie kannte die meisten Jungs bereits seit sie klein waren und ihre ersten Schritte mit einem Fußball zu ihren Füßen getan hatten. Ich war zwangsläufig immer mitgeschleppt worden. Ob ich nun wollte oder nicht. Die meisten Mütter beteiligten sich ehrenamtlich im Fußballverein. Es war eine stille Übereinkunft, die sie geschlossen hatten. Bei jedem Spiel wurden die Aufgaben neu verteilt. Vor zwei Wochen hatten wir Muffins backen müssen. Das war praktisch gewesen, denn man konnte sie schon am Vortag abbacken und brauchte sie am nächsten Tag nur noch in den Kofferraum zu verladen. 50 Muffins hatten das Licht der Welt erblickt und es waren kaum genug für alle da gewesen.
Diese Woche hatten wir es schwerer. Mettbrötchen. Meine Mutter schmierte fleißig, als ich die Küche mit schlurfenden Schritten und natürlich immer noch im Schlafanzug betrat. Ohne ein Wort zu sagen, machte ich mich daran, die frischen Brötchen in zwei Hälften zu schneiden.
Sie würde es nie zugeben, aber manchmal wurde ihr die Arbeit einfach zu viel. Sie hatte zwar immer ein Lächeln aufgesetzt, aber mittlerweile war ich mir nicht sicher, wie oft sie hinter dieser Fassade eigentlich hatte weinen oder schreien wollen. Sie tat so, als wäre es nichts Besonderes. Doch mir und sogar meinem Bruder, dessen Sehvermögen oftmals nicht einmal über seine eigene Nase hinwegreichte, war es aufgefallen, wie schwer sie es sich manchmal machte. Wie schwer es für sie war, alles unter einen Hut zu bringen. Einkaufen, Arbeiten, Kochen, Waschen, Putzen, wieder Kochen. Und dann auch noch ehrenamtliche Arbeit an einem gemütlichen Sonntag. Man musste vorsichtig sein, dass man daran nicht zerbrach. Es war ein gefährliches Spiel und ich hatte mir vorgenommen, ihr so viel beizustehen, wie ich nur konnte.
So oft ich es jedenfalls konnte. Meine Geduld war nicht einmal ansatzweise so strapazierfähig wie die meiner Mutter und das zeigte sich leider zu oft. Wenn meine Nerven zum Reißen angespannt waren, musste mein Bruder nur ein Wort sagen und schon war es vorbei mit meiner Beherrschung. Ich musste zugeben, er schaffte das ziemlich gut.
Nachdem meine Mutter und ich eine geschlagene Stunde still mit dem Radio im Hintergrund gearbeitet hatten, kam auch mein Bruder in die Küche geschlappt. Er sah die fertigen Mettbrötchen und grinste verschlafen, so wie er es immer tat, wenn er die halbe Nacht an seiner Playstation gehangen hatte und noch nicht ganz wach war.
„Bin ich im Himmel?", fragte er und meine Mutter strich ihm beim Vorbeigehen liebevoll über die Wange.
„Setzt euch. Ich mache euch gleich Frühstück. Aber erst muss ich die Brötchen wegbringen.", sagte sie. Während Paul sich hinsetzte, wie unsere Mutter es gesagt hatte, war ich diejenige, die sich ebenfalls eine Fuhre Mettbrötchen krallte und zu unserem Auto lief. Der Kofferraum stand bereits offen und meine Mutter stellte eine Tüte hinein. Meine Tüte folgte wenige Sekunden später. Sie lächelte sanft.
„Danke mein Schatz." Dann blickte sie an mir herunter.
„Jetzt ist aber genug! Du gehst sofort wieder rein, sonst holst du dir noch eine Erkältung." Ich lachte, tat aber, was sie verlangt hatte. An einem Tag wie diesem wollte ich nicht mit ihr diskutieren. Das konnte ich später noch.
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Katara - Bound To Dream
Teen FictionKatara ist das Mädchen, das man schnell wieder vergisst. In ihrer Schule ist sie unsichtbar. Leben lassen und dadurch überleben. Das ist ihr Motto. Sich aus allem raushalten und stumm das tun, was von ihr verlangt wird. Doch was geschieht, wenn der...