Für unsere Hausarbeit bekamen wir eine glatte eins. Ich konnte den Stolz in Frau Lammers Augen sehen, als sie die besten Noten laut vor der Klasse verkündete. Außer Aiden und mir hatten noch zwei andere Gruppen eine eins, doch die Klasse hatte allgemein gut abgeschnitten. Frau Lammer dachte sogar darüber nach eine weitere Hausarbeit in ihren Plan einzubauen. Ich glaubte, dass die gute Mitarbeit nur deshalb zustande kam, weil Frau Lammer die regulären Deutschstunden gestrichen hatte. Die zwei Wochen Auszeit hatten uns allen gutgetan. In vielerlei Hinsicht.
Unsere Lehrerin war glücklich das leidvolle Thema des Hauptmanns von Köpenick endlich hinter sich gelassen zu haben und zurück zu ihren Favoriten zu kommen. Stolz und Vorurteil hatte ich schon öfter gelesen als ich zählen konnte und für den Unterricht würde ich es gerne noch einmal lesen. Oder vielleicht auch zweimal.
Alles hätte wieder so sein können wie früher. Ich hätte mit Emma zusammen zu Mittag gegessen, wir säßen zusammen im Foyer und warteten auf die nächste Stunde und nachmittags blieben wir manchmal noch eine Weile länger, um unsere Hausaufgaben zu machen oder zu lernen. Mit einer klitzekleinen Veränderung.
Aiden hatte auf mich abgefärbt.
Ich war längst nicht mehr so still, wie ich es noch vor zwei Wochen gewesen war. Jedenfalls nicht in seiner oder Emmas Nähe. Stattdessen versuchte ich eine Unterhaltung zustande zu bringen, so oft es ging. Auch die neue Sitzordnung hatte bei Emma und mir einen Schalter umgelegt. Wir redeten, redeten und redeten. Früher hätten wir an einem normalen Tag nicht mehr als zwanzig Worte miteinander gewechselt. Heute waren es weitaus mehr als das. Unsere Freundschaft festigte sich mit jedem Tag ein bisschen mehr und das machte mich verdammt glücklich.
Der Wandel kam langsam, aber stetig. Auch wenn die Schritte klein waren, summierten sie sich im Laufe der Zeit. Blickten wir zurück, sah man wie viel der Strecke wir bereits hinter uns gebracht hatten. Und warfen wir einen neugierigen Blick nach vorn, offenbarte sich, wie viele tolle Erlebnisse noch vor uns lagen.
„Also dann bis morgen. Ich muss mich beeilen." Emma drückte mich kurz an sich und wandte sich bereits zum Gehen, als sie in der Bewegung innehielt.
„Achso, wegen der Mathehausaufgaben. Ich hab wahrscheinlich erst heute Abend Zeit drüber zu schauen. Schreibst du mir einfach?"
Emma hatte vor kurzem einen Teilzeitjob in einem kleinen Café angenommen und verbrachte nun einen Großteil ihrer Freizeit dort. Zeit für Hausaufgaben blieb da selten. Sie nutzte bereits jede Freistunde, die sich in ihrem Stundenplan finden konnte, aber oft war es einfach zu viel.
Die Frage, warum sie in ihrem Job nicht einfach etwas kürzertrat und sich auf die Schule konzentrierte, winkte sie ab.
„Ich brauche das Geld.", war ihre einzige Aussage. Danach wechselte sie blitzschnell das Thema. Mir war etwas unwohl bei dem Gedanken, dass sie und ihre Familie wohlmöglich Geldprobleme hatten und dass sie mit mir nicht darüber reden wollte. Dazu überreden wollte ich sie auch nicht, deswegen war es für mich keine Frage, dass ich ihr bei den Hausaufgaben half, so viel ich konnte, indem ich ihr meine Notizen sendete und ihr damit meine Solidarität zeigte.
„Ich schicke dir was ich gemacht hab. Ich glaube allerdings nicht, dass ich weit kommen werde. Kurvendiskussionen gehören einfach nicht zu meinen Stärken."
„Wem sagst du das."
Sie rollte theatralisch mit den Augen und lächelte dann schüchtern.
„Wir sehen uns."
Ich hob meine Hand und machte mich dann daran die letzten Bücher aus meinem Rucksack in mein Schließfach zu hieven. Ich wusste nicht, wie die Fächer auf die Schüler verteilt wurden, doch ich hatte definitiv die Arschkarte gezogen. Mein Fach befand sich nämlich in der obersten Reihe, also genau an der Stelle, die ich nur auf Zehenspitzen erreichen konnte. Von meinem Standpunkt aus konnte ich noch nicht einmal die Rückwand sehen. Ich hatte keine Ahnung, was für ein Chaos dort drinnen herrschte und bis zu meinem Abschluss sollte das auch nicht mein Problem sein.
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Katara - Bound To Dream
Teen FictionKatara ist das Mädchen, das man schnell wieder vergisst. In ihrer Schule ist sie unsichtbar. Leben lassen und dadurch überleben. Das ist ihr Motto. Sich aus allem raushalten und stumm das tun, was von ihr verlangt wird. Doch was geschieht, wenn der...