9 | Das, in dem Montag ist

366 32 71
                                    

So gut wie jeder Mensch auf dieser Welt hasste ich den Montag abgöttisch. Nach einem beinahe traumhaften Wochenende – bis auf ein paar Ausnahmen, an die ich jedoch nicht mehr denken wollte - war es eine Qual um sechs Uhr morgens die Füße aus dem Bett zu ziehen und seine Gedanken wieder auf die Schule richten zu müssen. Mein Bett war zu weich, zu flauschig und zu warm, als dass ich mich bereits von ihm verabschieden wollte. Der nervtötende Handywecker, ein Klingelton aus einer meiner Lieblingsserien, der spanischen Serie Haus des Geldes, machte es mir unmöglich liegen zu bleiben und die wohlige Wärme zu genießen. Ich musste dem stetig lauter werdenden Läuten wohl oder übel nachgeben.

Es war gemein. Am Wochenende konnte man so lange ausschlafen, wie man wollte, wurde meistens dennoch von seiner inneren Uhr geweckt, während man unter der Woche kaum einen Muskel bewegen konnte, wenn der Wecker schließlich klingelte. Zumindest ging es meinem Bruder und mir damit so. Paul und ich waren leidenschaftliche Langschläfer, wohingegen unsere Mutter nach dem Motto ‚Der frühe Vogel fängt den Wurm' lebte. Das hatte nicht selten zu Diskussionen geführt, bei denen es auch lauter werden konnte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir wollten einfach nicht einsehen, warum es notwendig war, bereits früh morgens mit dem Staubsauger durch das Haus zu laufen und solch einen Krach zu machen, der es unmöglich machte weiterzuschlafen. Das war pure Provokation, um uns endlich aus dem Bett zu schmeißen.

Wenn sie morgens um sechs Uhr bereits putzmunter und fröhlich durch die Küche tanzte, fragte ich mich ernsthaft, wie wir miteinander verwandt sein konnten. Der Gedanke, dass meine Mutter dann schon seit mindestens einer Stunde wach war und bereits erste Haushaltsarbeiten erledigt hatte, wollte mir einfach nicht in den Kopf gehen. Paul ebenfalls nicht. Es war ein wahres Wunder, wenn er es morgens überhaupt vor neun aus dem Bett schaffte. Der Glückspilz musste erst um zehn Uhr bei der Arbeit antanzen. Jetzt hatte er mindestens noch zwei Stunden, bevor sein Wecker auch ihn aus seinem Schlaf reißen würde.

Die Welt war ungerecht und ich unterstützte die Bestrebungen mancher Politiker den Unterricht erst um neun Uhr beginnen zu lassen. Mittlerweile gab es mehrere Studien, die bewiesen, dass Schüler und Schülerinnen – insbesondere in der Pubertät – sich später am Tag besser konzentrieren können als früher. Eine Stunde mehr oder weniger konnte viel ausmachen. Eine Stunde mehr Schlaf hätte mir an diesem Tag besonders gutgetan.

Das verzerrte Geräusch des Küchenradios drang gedämpft unter der Küchentür hervor. Als ich die Tür öffnete empfing mich ein wohlbekannter Anblick. Meine Mutter saß am Küchentisch, die Lesebrille auf der Nase und eine Zeitung in der Hand. Vor ihr stand eine Tasse Kaffee und ihr gegenüber stand bereits meine morgendliche Tasse Grüntee. Ich ließ mich auf die Bank fallen und seufzte. Mein erster Instinkt war es, die Augen zu schließen und es mir einfach auf der Eckbank gemütlich zu machen. Selbst bei dem grellen Licht hätte ich problemlos wieder einschlafen können, aber meine Mutter hätte mich wahrscheinlich sofort wieder geweckt.

Stattdessen nahm ich einen vorsichtigen Schluck aus meiner babyblauen Tasse. Der Tee war noch heiß und ich verbrühte mir beinahe die Haut. Meine Mutter lachte leise.

„Den Fehler machst du jeden Morgen.", bemerkte sie, ohne ihren Blick von der Zeitung zu heben. Und sie hatte Recht. Ein paar meiner Geschmacksknospen hatte ich auf diese Weise bestimmt schon einbüßen müssen. Morgens war ich zu nichts zu gebrauchen. Das plötzliche Ziehen in meiner Zunge sorgte immerhin dafür, dass ich ein wenig wacher wurde und meine Umgebung besser wahrnahm.

Der Radiosprecher beendete die sechs Uhr Nachrichten und schaltete auf die Morgenshow. Mit den ersten Tönen breitete sich ein leichtes Grinsen auf meinem müden Gesicht aus. Meine Mutter schloss die Augen.

„Und wer ist es?", fragte ich, wohlwissend, dass sie den Namen schon wieder vergessen hatte. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, sie in Sachen Musik auf den neusten Stand der Dinge zu bringen. Mit ihrem Musikwissen war sie nämlich bei den Beatles und Queen hängen geblieben – die natürlich auch zu meinen Favoriten gehörten. Allerdings gab es auch moderne Gruppen, die es durchaus wert waren in die Liste großartiger Künstler aufgenommen zu werden. Die Musik, die heutzutage im Radio rauf und runter lief, konnte meine Mutter nicht auseinanderhalten.

Katara - Bound To DreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt