15 | Das, in dem ABBA die Welt regiert

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Am Abend beschlossen Mom und ich den Sonntag gemütlich im Wohnzimmer ausklingen zu lassen. Mom wollte unbedingt noch die Wäsche bügeln und hatte das Bügelbrett strategisch neben dem Wohnzimmertisch und in einem guten Winkel zum Fernseher platziert. Das dampfende Bügeleisen verbreitete eine schwere warme Luft im Zimmer und der Duft nach frischer Wäsche ließ mich innerlich wohlig seufzen. Ich liebte diesen Geruch. Und noch mehr liebte ich es, mich dabei tief in meine weiche Kuscheldecke einzumummeln, an meinem Brot zu kauen und einfach nur zu entspannen.

Die große runde Holzplatte, die ich mit belegten Broten, Trauben und Käse bestückt hatte, war bereits halb leer. Auch Paul war zwischenzeitlich ins Wohnzimmer getapst und hatte sich zwei Brote geklaut. Unser Angebot sich zu uns zu setzen, lehnte er jedoch entschieden ab. Seine Konsole wartete auf ihn. Möglicherweise lag es auch an unserem Programm und den damit einhergehenden nicht vorhandenen Gesangskünsten unsererseits. Mom hatte unbedingt Mamma Mia schauen wollen und ich hatte nichts dagegen gehabt. Es war einer dieser Filme, die man sich immer und immer wieder anschauen konnte, die aber nie langweilig wurden.

Auch jetzt sangen wir aus vollem Hals mit. Ich einige Oktaven zu hoch und meine Mutter ein wenig schräg, aber solange wir uns nicht bei The Voice befanden – und so wie ich das sah, würde es noch einige Zeit und ein sehr hartes Training bedürfen, bis wir es dorthin geschafft hatten – fand ich unsere Gesangseinlagen im Großen und Ganzen gut gelungen. ABBA wäre stolz auf uns gewesen.

Mamma Mia, here I go again. My, my, how can I resist you?", summte Mom fröhlich, während sie das T-Shirt in ihren Händen zusammenlegte und auf einen immer größer werdenden Stapel beförderte. Die meiste Wäsche gehörte immer meinem Bruder, dabei besaß er laut meiner Erinnerung eindeutig weniger Klamotten als unserer Mutter oder meine Wenigkeit. Er zog ein Shirt lediglich einmal an und warf es dann in den Wäschekorb. Meine getragenen Klamotten landeten erst einmal auf einem Stuhl in meinem Zimmer. Oft dachte ich, ich würde sie an einem anderen Tag erneut anziehen, aber daraus wurde meistens nichts. Stattdessen zerknitterten sie nur, um zwei Wochen später ebenfalls in der Wäsche zu landen.

Ich erhaschte einen Blick auf meinen Lieblingspullover und nahm mir vor, das Teil später sofort zu mir zu nehmen.

Ich grinste als Meryl Streep rücklings auf einer Luftmatratze landete und den drei Männern entgegenblickte, die die Väter ihrer Tochter sein könnten. Die Situationskomik war unvergleichlich. Ich fragte mich, ob so etwas jemals im wahren Leben passieren könnte. Die Vorstellung hatte mich immer zum Lachen gebracht.

Ich nippte an meiner heißen Schokolade und dachte an Aiden. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Gedanken zu ihm schweiften. Neuerdings schien er mich förmlich zu verfolgen. Nicht nur in der Schule, sondern jetzt auch noch in meiner Freizeit. Ich war immer noch nicht dahintergekommen, was es mit dieser Wendung auf sich hatte. Nachfragen konnte ich schlecht. ‚Hey, es ist ja nett, dass du mit mir redest, aber woher kommt das auf einmal?' hörte sich einfach nicht besonders freundlich an. Wahrscheinlich hätte es nur dazu geführt, dass er mich ignorierte. Doch an diesem Punkt angelangt, war das wirklich das letzte, was ich wollte.

Die nächste halbe Stunde verging ereignislos. Mom und ich sangen und das Bügeleisen dampfte unaufhörlich weiter. Auf dem Bildschirm gab der Cast in diesem Moment Voulez-Vous zum Besten als Paul unerwartet und mit verschränkten Armen im Türrahmen auftauchte.

„Kein Wunder, dass ihr nichts mitbekommt. Es klingelt an der Haustür und niemand macht auf. Da soll einer was hören bei eurem Herumgekreische."

Er schüttelte den Kopf, schien aber auch ein wenig belustigt. Mom wandte nur kurz den Blick ab, bevor sie sich dem nächsten Wäschestück zuwandte.

Katara - Bound To DreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt