Paul sagte und tat nichts, als Aiden und ich zusammen den Sportplatz verließen. Dafür waren seine Augen umso wachsamer und er zeigte ganz offen, dass ihm missfiel, was er sah. Ich spürte, dass seine Adleraugen uns bis zum Ausgang verfolgten. Ab da war ihm die Sicht glücklicherweise durch Sträucher und jegliches andere Gestrüpp versperrt. Ich war froh, dass Aiden diesen Vorschlag gemacht hatte, denn auf dem Sportplatz hatte ich mich zu sehr unter Beobachtung gefühlt. Nicht nur durch Paul, sondern den ganzen Kader, die Zuschauer und meine Mutter. Als ich ihr eröffnete, dass ich mich mit Aiden verabredet hatte, hatte sie bis auf ein ‚Okay, viel Spaß' nicht viel mehr zu sagen. Das allein war schon verwunderlich genug, aber ich bereitete mich innerlich auf eine Flutwelle an Fragen vor.
„Wollen wir ein Stück durch den Wald gehen?"
Er lächelte zaghaft und ich nickte. Ich traute mich nicht die Stimme zu heben, aus Furcht, sie käme nur als fürchterliches Krächzen hervor. Der Waldboden unter meinen Füßen fühlte sich weich an. Die letzten Tage hatte es oft geregnet und bei jedem Schritt spürte ich, wie sich meine Schuhe weiter im Schlamm versanken. Irgendwann wich der lehmige Boden einem Kiesbelag. Darauf konnte man besser laufen und die Chance mit meinen zwei linken Beinen auszurutschen, mich der Länge nach hinzulegen und mich zum Volldeppen zu machen schwand. Ich sog die frische Waldluft in mich ein und genoss den Wind, der über meine Haut strich. Ab und zu raschelte es im Gebüsch, was die Anwesenheit eines kleinen Tieres vermuten ließ doch, sobald ich näher hinsah, war nichts zu erkennen. Auch die Vögel, die munter ihre Lieder sangen, hatten sich zwischen den Ästen versteckt.
So gingen wir bestimmt zehn Minuten nebeneinanderher, ohne etwas zu sagen. Es war keine peinliche Stille, aber in Anbetracht der letzten Tage, führten sie nur dazu, dass ich hibbelig wurde. Nicht einmal die harmonische Waldidylle konnte daran etwas ändern. In meinem Kopf malte ich mir tausend Szenarien aus, wie dieser Nachmittag zu Ende gehen würde. Eine Vorstellung war schlimmer als die nächste und je öfter ich mir vornahm, nicht mehr darüber nachzugrübeln, desto öfter formte sich ein neuer noch dunklerer Gedanke. Was, wenn er mir nun sagen wollte, dass dieser Beinahe-Kuss ein Fehler gewesen war?
„Darf ich ehrlich sein?", durchbrach Aiden schließlich das Schweigen. Ich war ihm so dankbar, dass ich mich nur schwer davon abhalten konnte ihm um den Hals zu fallen. Nach außen hin hatte ich eine neutrale Miene aufgesetzt. Jedenfalls hoffte ich, dass sie neutral war und nicht allzu viel von meinem inneren Chaos offenbarte. Auf meinen Armen breitete sich eine Gänsehaut aus, dabei hatte er noch nicht einmal angefangen zu sprechen.
„Ich bin froh, dass du mit mir redest."
Ich hatte mit allem gerechnet. Dass er mit einer gewagten Arschbombe direkt auf den letzten Abend zu sprechen kam oder, dass er mich darüber ausfragte, wie Paul auf die Szene in der Abstellkammer reagiert hatte oder dass er mich fragte, wie ich die Beziehung zwischen uns beschreiben würde.
Doch damit hatte ich nicht gerechnet.
„Ich weiß es sieht die meiste Zeit so aus, als würde ich mich mit allen und jedem gut verstehen, aber das stimmt nicht. Manchmal habe ich das Gefühl ganz allein auf dieser Welt zu sein und niemanden zu haben, mit dem ich richtig reden kann. Aber wenn ich mit dir rede ... ich weiß auch nicht, ich habe einfach das Gefühl, dass ich mich nicht zu verstellen brauche. Du verurteilst mich nicht."
Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Das, was er erzählte entsprach so gar nicht meinem Bild, welches ich von ihm hatte. Ich vergaß sogar, dass ich mir vorgenommen hatte nichts zu sagen.
„Was lässt dich überhaupt auf den Gedanken kommen, dass dich irgendwer verurteilen könnte? Du bist ... Aiden. Du ... du bist wahrscheinlich der beliebteste Junge der ganzen Schule, wenn nicht sogar der ganzen Stadt. Ich meine ..."
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Katara - Bound To Dream
Teen FictionKatara ist das Mädchen, das man schnell wieder vergisst. In ihrer Schule ist sie unsichtbar. Leben lassen und dadurch überleben. Das ist ihr Motto. Sich aus allem raushalten und stumm das tun, was von ihr verlangt wird. Doch was geschieht, wenn der...