20 | Das, in dem ich Partyqueen bin

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Der Samstag kam schneller als ich dachte. Kaum war der verhasste Montag - der entgegen meiner Vorstellung über Montage alles andere als schlecht verlaufen war - vorüber, zogen die nächsten Tage an uns vorbei wie im Zeitraffer. Wo war die Zeit nur geblieben? Genau das sagte auch meine Mutter an diesem Morgen, als sie und Paul mich aus dem Bett schmissen. Eigentlich war ich zu diesem Zeitpunkt bereits seit einer halben Stunde hellwach gewesen, aber es war Tradition bei uns sich an seinem Geburtstag von der Familie wecken zu lassen. Und so blieb ich ungeduldig liegen, wartete darauf, dass meine Mutter und Paul nach oben kamen, rieb mir den nichtexistenten Staub aus meinen Augen und grinste von einem Ohr zum anderen, während Paul und Mom schief zu einem Geburtstagsständchen ansetzten.

Mom umarmte mich fest, platzierte einen Kuss auf meine Wange und betrachtete mich einige Sekunden lang aus feuchten Augen.

„Meine Kleine. Es kommt mir wie gestern vor, als dein Vater und ich dich zum ersten Mal in den Armen hielten. Du warst so ein kleiner Wurm. Und jetzt bist du schon 18 Jahre alt."

Sie drückte mich erneut an sich und schwelgte in Erinnerungen.

„Und dann als Paul dich das erste Mal gesehen und festgehalten hat, haben seine Augen so geleuchtet. Du warst so friedlich und süß."

Paul schnaubte kaum hörbar.

„So friedlich und süß. Was ist daraus geworden?", fragte er belustigt und leider so leise, dass Mom es nicht hörte. Ich warf ihm einen feurigen Blick zu. Du mich auch, Bruder. Du mich auch.

Er zwinkerte schelmisch, bevor auch er sich zu mir hinunterbeugte, mich umarmte und ganz nebenbei einen Umschlag auf meinen Schoß fallen ließ. Fragend zog ich eine Augenbraue in die Höhe.

„Der lag in der Post."

Mein Lächeln verschwand kurzzeitig, dann legte ich den Brief beiseite und riss mich zusammen. Ich würde mir davon nicht die gute Laune nehmen lassen. Nicht heute. Mehr als ein ‚Herzliches Glückwunsch zum Geburtstag' und dem alljährlich beigelegten Geldschein erwartete ich ohnehin nicht.

Ich schüttelte den Kopf kaum merkbar, strich die Decke von meinen Beinen und tapste hinter Mom und Paul die Treppe hinunter. Die Dekoration in der Küche war zwar jedes Jahr gleich, doch auch, wenn mich dieselbe ‚Happy Birthday' Girlande empfing, wie sie es bereits seit 18 Jahren tat, konnte ich nicht aufhören zu strahlen. Nur diese 24 Stunden im Jahr konnten dieses Gefühl von unbegrenztem Glück in mir hervorrufen.

Der Frühstückstisch war bunt gedeckt. Außer unseren Tellern stand dort noch eine große Kerze vor meinem Platz und überall lagen Luftschlangen und Konfetti. Es war alles so wie jedes Jahr und doch war die Luft gefüllt von Vorfreude und Aufregung. Mein Herz klopfte erwartungsvoll und meine Hände, die unter normalen Umständen immer kalt waren, strahlten so viel Wärme aus wie ein Heizstrahler.

Den richtigen Geburtstagskuchen gab es erst am Nachmittag, aber der flackernde Kerzenschein sorgte bereits jetzt für eine feierliche Stimmung. Obwohl draußen der Regen leise gegen die Fensterscheiben tropfte, am Glas herunterrann und auf dem Dach zu einem uns unbekannten Rhythmus trommelte, hätte der Tag nicht schöner sein können. Lag der Geburtstag im Herbst konnte man kein 30-Grad Strandwetter erwarten. Gemütliche Waldspaziergänge, ein warmer Kamin und eine heiße Schokolade entsprachen schon eher der Wirklichkeit.

Da ich mein Geburtstagsgeschenk schon erhalten hatte, gab es für mich nicht mehr besonders viel auszupacken. Paul und Mom schenkten mir außer dem Regal noch einen Tag im Indoor-Wasserpark, der hier ganz in der Nähe war. Dort gab es alles, was das Herz begehrte. Unzählige Wasserrutschen, Spaßbecken, aber auch Wellnessbereiche und Saunas standen auf dem Programm. Der perfekte Ausflug, wenn die dunkle und kalte Jahreszeit demnächst das Wetter beherrschte und man dringend eine Auszeit benötigte. Als wir klein waren, war der Wasserpark für Paul und mich das größte auf der Welt gewesen. Wir beide liebten das Wasser und unsere Mutter war gezwungen mindestens einmal im Jahr mit uns diesen Park zu besuchen. Die Liebe zum Wasser mussten wir wohl von unserem Vater haben, denn Mom hasste alles, was mit Wasser auch nur gering in Verbindung stand. Deswegen kostete sie es auch einiges an Überwindung sich Jahr für Jahr aufzuraffen und die Stunden im kühlen Nass über sich ergehen zu lassen.

Katara - Bound To DreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt