Immer sie! - Teil 6

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Irgendwie hatte ich mich noch immer nicht an meinen Arbeitsplatz gewöhnt. Jeden Morgen stöckelte ich den betonierten Weg von der U-Bahn Station zum DC-Tower. Die schwarze Fassade erkannte man schon von Weitem und bald würden sich auch DC-Tower 2 und 3 dazu gesellen. Wie selbstverständlich hielt ich meine Karte vor das Lesegerät des Liftes und die Türen öffneten sich für mich. Ich wählte meinen Stock aus und wartete darauf, dass sich die Türen schlossen.

Wie auch schon gestern war es warm draußen, deshalb trug ich ein nur ein Kleid und einen Blaser gegen die morgendliche Kälte darüber. Das blitzblaue Kleid sollte durch den weißen Blaser etwas neutralisiert werden. Passend dazu trug ich weiße Pumps und hoffte damit den firmeneigenen Richtlinien zu entsprechen. Obwohl man Ellas Ansprüchen wohl nie genügen würde, solange man sich nicht bei ihr einschleimte.

Gerade als die Türen nur noch wenige Millimeter vor sich hatten, sprangen sie plötzlich wieder auf und ein Mann stieg ein. Ich hatte den Vogel wieder einmal abgeschossen und durfte nun eine Liftfahrt mit Dominik genießen. Er begrüßte mich mit einem kurzen Nicken, drückte den Knopf seines Stockwerkes und beachtete mich nicht weiter. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück und drückte mich in die Ecke des Fahrstuhls. Freeze, flight or flee lauten die Überlebenstaktikten aller Lebewesen auf dieser Erde. Auf mich traf in diesem Moment die Schockstarre am besten zu. Mit eingezogenem Kopf betrachtete ich meine schneeweißen Schuhe und kontrollierte, ob sie immer noch so sauber wie vor ein paar Sekunden waren. In mir regte sich das Gefühl ständig beobachtet zu werden, obwohl mich Dominik vorhin keines Blickes gewürdigt hatte.

Mit der Angst im Genick wagte ich es einen vorsichtigen Blick auf den Mann ein wenig vor mir zu werfen. Noch bevor ich ihn richtig erkannt hatte, senkte ich meinen Blick schon wieder. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht. Mein Chef beobachtete mich ganz genau in der verspiegelten Wand des Aufzugs. Langsam, als hätte er nicht nur ein paar Stockwerke, sondern alle Zeit der Welt, drehte er sich zu mir um.

„Elina, richtig?", fragte er mit der Arroganz, sich meinen Namen nicht merken zu müssen, obwohl er ihn ganz genau wusste.

Wieder hob ich vorsichtig meinen Kopf, sah aber nur sein Kinn an. Zögerlich nickte ich und hoffte, dass er mich damit in Ruhe lassen würde.

„Viel dürftest du gestern nicht gelernt haben, Prinzessin", knurrte er nun, während er einen Schritt auf mich zu machte und mich somit in der Ecke einsperrte.

Augenblicklich zog ich meinen Kopf noch weiter ein und versuchte irgendwie mich mit meinen Armen vor diesem Hünen zu schützen.

„Wenn ich dich etwas frage, dann hätte ich gerne eine Antwort", sprach er nun viel zu freundlich, „auch wenn du dich sonst so verhältst, wie ich es gerne sehe." Seine letzte Aussage quittierte er noch mit einem Lächeln, bevor er sich von mir abwandte und sich die Lifttüren öffneten.

Galant wie sein Vater trat er einen Schritt auf die Seite und gab mir so den Weg ins Büro frei. Unsicheren Schrittes wagte ich mich an meinem Vorgesetzten vorbei und holte erstmal tief Luft, nachdem ich den Aufzug verlassen hatte.

„Schönen Tag noch, Elina", sagte Dominik noch, bevor sich die Lifttüren wieder schlossen und ich dastand, wie ein begossener Pudel.

Ich blinzelte ein paar Mal bis ich wieder wusste, wo ich war und machte am Absatz kehrt um mich an meinen Schreibtisch zu setzen.

„Elina, was glaubst du, dass du hier so in der Gegend rumstehen kannst?", wetterte unsere allseits beliebte Hexe hinter mir.

Perplex drehte ich mich um und entdeckte zuallererst das geschwollene Gesicht von Ella. Obwohl unsre Namen sich so ähnlich waren, hatten wir beide rein gar nichts gemeinsam. Auch wenn ich nicht wissen möchte, was sie in dieser Firma schon alles mitgemacht hat.

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