Instinktiv drehte ich mich zu der wohlbekannten, aber dennoch gefürchteten Stimme um und griff gleichzeitig nach meinem vermissten Blazer, der drohte von meinen Schultern zu rutschen. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen tanzten, während sich ein schiefes, wohlwissendes Grinsen auf seinen Lippen zeigte. Vor Schock erstarrt blickte ich in Dominiks Gesicht und konnte mich keinen Millimeter rühren.
„Danke", stotterte ich nur mechanisch, während ich nun noch mehr zitterte als zuvor. Keines einzigen Gedankens fähig, sah ich nur im Augenwinkel, wie sich Miriam und Anja gegenseitig angrinsten und dennoch ein klein wenig fürchteten. Den großen Chef bekommt man immerhin nicht alle Tage von so Nahem zu sehen.
Freeze, fight or flee, schoss mir plötzlich durch den Kopf und binnen eines Augenblickes wog ich meine Chancen ab. Ich murmelte ein schnelles: „Entschuldigung", drängte mich an Dominik vorbei und stolperte in eine Richtung, in der ich die Toilette vermutete. Ohne irgendjemanden zu beachten, eilte ich durch den Raum und verlor dabei fast wieder meinen geliebten Blazer. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die Toilette gefunden habe, aber ich rannte förmlich in eine Kabine, klappte den Klodeckel runter und setzte mich erst einmal drauf. Völlig außer Puste rang ich um meinen Atem. Meine Hände zitterten wie Espenlaub und meine Knie würden sofort nachgeben, wenn ich es jetzt noch einmal wagen würde, aufzustehen.
Was machte ich hier eigentlich? Hatte Thomas mir nicht geraten, mich von allem fernzuhalten? Ich versteckte mich gerade vor meinem Chef am Klo eines teuren Restaurants hunderte Meter über Wien. Wie war ich denn bitte hierhin gekommen? Mein Chef machte unvorstellbare Dinge mit unschuldigen Frauen und ich sollte es nun büßen, weil ich eine davon zufällig gefunden habe und ihr helfen wollte? Was auch immer Dominik mit Viktoria gemacht hatte, er würde mir noch viel schlimmeres antun. Verdammt noch mal, warum ich überlegte ich hier eigentlich so lange, was ich machen sollte. Ich musste schleunigst weg von hier. Ich würde hier einfach rausgehen, in meine Wohnung fahren, ein paar Sachen packen und mich die nächsten Tage bei Thomas verstecken. Soll Dominik sich seinen Knebelvertrag doch sonst wohin stecken. Auch wenn ich dann eine Zeit lang keinen Job mehr habe, keine Sekunde länger spiele ich dieses Spiel hier mehr mit.
Entschlossen stand ich auf und strich meinen Jump-Suit glatt. Ich musste weg hier.
Leise schloss ich die Kabinentür auf und wollte gerade den ersten Schritt in die richtige Richtung machen, als zwei Personen den Raum betraten. Sicherheitshalber happte ich wieder zurück in meine Kabine und sah im letzten Moment noch einen schwarzen Anzug und etwas rosa-metallisch Glänzendes. Die beiden Personen waren sich nahe, als sie den Raum betraten, doch konnte ich jetzt nur mehr Kussgeräusche hören. Kleidung raschelte, die Atmung ging stoßweise und zwischendurch entkam den beiden immer wieder ein Keuchen. Sie würden doch hier jetzt nicht... doch sie würden. Ihre Körper klatschten rhythmisch aneinander. Anschließend klatschte noch etwas lauter auf jemandes Haut. Ich ging mal davon aus, dass nun eine Hand auf dem Hintern der anderen Person gelandet war. Im selben Moment entfleuchte der Frau ein begieriges Aufstöhnen, dass sicherlich nicht nur ich hier drinnen hören konnte.
„Sei leise", herrschte der Mann die Frau an und nun wusste ich, wer da draußen gerade zugange war.
Vorsichtig öffnete ich die Tür einen winzigen Spalt und konnte zuerst nur einen riesigen Mann im schwarzen Anzug sehen. Seine Hose hing bei seinen Knien. Jedes Mal, wenn er nach vorne stieß, konnte man das Spiel der Muskeln in seinem Hintern sehen. Die Frau saß dem Mann gegenüber und hatte die Augen geschlossen. Ihr Kleid war weit hochgeschoben und der glänzende rosa Stoff wurde von dem Mann an ihrer Hüfte zusammengeknautscht.
Ich konnte es einfach nicht glauben, was sich da vor meinen Augen abspielte. Die beiden waren tatsächlich ein Paar? Nie im Leben wäre jemand in der Agentur auf diese Idee gekommen, aber das erklärt so ziemlich einiges, was im unteren Stockwerk passierte.
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Immer sie!
ChickLitFortsetzung von "Warum ich?" Elina entkam ihrem strengen Vater durch einen neuen Job in der Werbeagentur D&H. Bereits seit ihrem ersten Tag hat sie das Gefühl, der Geist der Vergangenheit spukt durch die ganze Firma. Während sie versucht ihr Leben...