Er war damit fertig über seine Mutter zu reden. Aber warum sollte sie sich wegen ihm umbringen, wenn Dominik seinem Vater doch so ähnlich sah, also seinem wirklichen Vater, nicht seinem Erzeuger. Die drei mussten sich also irrsinnig ähnlich sehen. Das ergab keinen Sinn, doch Dominik wäre für meine Argumentation gerade nicht empfänglich. Wird er wahrscheinlich nie sein.
„Du hast etwas von zwei Frauen gesagt", stellte ich in den Raum, bevor mein übermütiger Anflug von Selbstvertrauen wieder vorbei war. Dominik saß nach wie vor mit hängendem Kopf, hängenden Schultern und wahrscheinlich auch mit einer durchhängenden Seele neben mir und starrte Löcher in den extravaganten Boden.
„Es reicht dir nicht, wenn ich schon am Boden liege. Du musst noch einmal extra nachtreten", flüsterte Dominik in sein imaginäres Loch im Boden. In meinem Herzen fühlte ich sofort einen Stich. Mein Brustkorb zog sich zusammen und entschuldigend sah ich ihn von der Seite an, schaffte es aber nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Mein Selbstvertrauen hatte sich so schnell wieder verflüchtigt, wie es gekommen war.
„Ach scheiß drauf, jetzt ist es auch schon egal", beschloss mein Chef nach mehreren Minuten der drückenden Stille. Sein massiger Körper erhob sich und die Matratze hüpfte in ihre ursprüngliche Form zurück. In diesem namenlosen Raum, für den eigentlich kein Name zu existieren schien, stand ganz klischeehaft eine Anrichte mit wunderschönem Kristallglas darauf. Eine Flasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit wurde von zwei schweren Gläsern ergänzt, die dieser gebeutelte Mensch mit eben dieser Flüssigkeit füllte. Mit immer noch hängenden Schultern, aber einer gewissen Entschlossenheit im Gesicht, reichte er mir das einzigartige Glas und setzte sich wieder neben mich.
Klirrend stießen unsere Gläser zusammen, ohne dass wir wusste, worauf genau wie anstießen. Der Whiskey schmeckte verboten gut. Stillschweigend starrten wir beide das Glas in unseren Händen an.
„Sie war eigentlich nichts weiter als eine dumme Idee, die wir aus Langeweile hatten. Normalerweise holten wir uns immer einen empfohlenen Studenten von Dr. Schneller. Nur dieses eine Jahr bestand er darauf, dass wir dieses Mädchen nehmen sollten. Sie war gut, keine Frage, aber in dieser Firma vergeudete sie ihr Talent. Ich betreibe diese Bude doch nur mehr zum Spaß. Und für meinen Vater. Mein Geld verdiene ich schon lange mit anderen Dingen, die viel lukrativer sind. Sie war stur und eigensinnig, laut und frech und verdammt schlau. Und trotzdem so dumm, diese Entscheidung zu treffen."
Er führte das Glas wieder an seine Lippen und leerte es in einem Zug. Gleichzeitig stand er auf und holte sich Nachschub, während er sprach:
„Markus war von Anfang an fasziniert von ihr. Er hatte die Geduld, um mit ihr umzugehen. Doch dieser Idiot musste sich Hals über Kopf in sie verlieben..."
„Das Mädchen auf seinem Schreibtisch, mit den blonden Haaren und den grünen Augen", unterbrach ich Dominik, „das war sie, oder?"
Mir einen bösen Blick zuwerfend kam er zurück und nickte kurz.
„Ja", seufzte er laut, „das war sie. Wir wollten ihr helfen. Ich wollte ihr helfen und alle Monster in ihrem Leben beseitigen. Aber das Leben meinte es nie gut mit ihr und so machte sie dem Leben einen Strich durch die Rechnung und sprang vom Dach des alten Firmengebäudes."
Während ich einen Schluck aus meinem Glas nahm, ließ ich mir seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen und erinnerte mich an etwas.
„Manche Gerüchte stimmen also", stellte ich fest und wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte.
„Ja, sie stimmen. Aber sie war weder eine Hure, die wir uns zum Spaß angestellt haben, noch war sie nur hier in der Agentur, weil sie mit Markus etwas hatte. Sie war einfach gut, viel zu gut..."
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Immer sie!
ChickLitFortsetzung von "Warum ich?" Elina entkam ihrem strengen Vater durch einen neuen Job in der Werbeagentur D&H. Bereits seit ihrem ersten Tag hat sie das Gefühl, der Geist der Vergangenheit spukt durch die ganze Firma. Während sie versucht ihr Leben...