Immer sie! - Teil 28

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Einatmen. Ausatmen. Pause. Einatmen. Ausatmen. Pause. Immer und immer wieder wiederholte ich dieses Muster. Doch weder diese Atemübung noch das Glas Whiskey in meiner Hand konnten maßgeblich zu meiner Beruhigung beitragen. Ich konnte nur erahnen, was die beiden gerade in Markus Büro besprechen, doch ich hatte nicht den Leichtsinn dort bleiben zu wollen.

Mit nackten Füßen saß ich auf dem schwarzen Ledersofa und schwenkte nachdenklich mein Whiskeyglas und hoffte in der goldenen Flüssigkeit irgendwo einen Lichtblick zu erkennen. Leider erinnerte mich die Farbe doch wieder nur an Dominiks Augen. Hatte ich wirklich einen solchen Vaterkomplex, dass ich ausgerechnet diesen Mann anziehend fand? Gedankenverloren schwenkte ich das Glas nun in die andere Richtung. Vielleicht wirbelten dadurch auch meine Gedanken in eine andere Richtung. Ein bisschen verwunderlich war es für mich doch, dass der Alkohol heute schon wieder schmeckte. Oder war ich von gestern noch betrunken und ich fabrizierte hier gerade einen aufgewärmten Rausch?

Die Tür wurde langsam geöffnet und ich erwartete Dominik. Doch in der Tür erschien eine große Gestalt mit schwarzen Haaren, die mich genauso verwirrt ansah, wie ich wahrscheinlich ihn.

„Was machst du hier drinnen?", fragte Daniel offensichtlich verwirrt.

„Auf Dominik warten", antwortete ich, während ich mich gerade hinsetzte und wieder in meine Schuhe schlüpfte.

Daniel schloss die Tür hinter sich, betrat den viel zu großen Raum und nahm ihn gleichzeitig für sich ein. Er musterte mich kurz, machte sich dann auf den Weg zur Anrichte und genehmigte sich ebenfalls ein Glas Whiskey. Für Montagvormittag sicherlich kein schlechter Start. Er kam ebenfalls zum Sofa und ließ sich neben mir darauf nieder.

„Dasselbe hatte ich auch vor", begann Daniel erstaunlich ruhig zu sprechen. So entspannt hatte ich ihn noch nie gesehen. Spielte er unten in seinem Stockwerk nur immer den Bösen? Ist ihm dieses ganze Spiel schon zuwider?

„Was ist passiert?", fragte der dunkelhaarige Mann weiter, während ich gerade einen großen Schluck aus meinem Glas nahm, um das Unbehagen zu vertreiben. Langsam hob ich den Kopf, klammerte mich mit beiden Händen an mein Glas und sah ihn seitlich an. Seine schwarzen Augen starrten ihn meine und ließen keinen Rückschluss auf seine Absichten zu. Was war denn wirklich passiert?

„Ich kann es dir beim besten Willen nicht erklären", antwortete ich wahrheitsgemäß und blinzelte dabei ein paar Mal.

Ich wusste nicht, wie Daniel auf meine Antwort reagieren würde. Doch er begann einfach zu lachen. Herzhaft zu lachen und ich konnte einfach nicht anders als ein wenig mitzukichern. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich in dieser Agentur lachen musste.

Nach wenigen Augenblicken verstummte das erheiternde Gelächter, Daniel stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Knien ab und umklammerte das Glas ebenfalls mit beiden Händen. Sein Kopf hing zwischen seinen Schultern hinab und begann zu sprechen:

„Markus hat mir vorher geschrieben, dass ich hierher kommen soll. Ich hätte nur gerne gewusst, welcher Wahnsinn mich heute wieder von ihm erwartet."

„Du denkst er ist wahnsinnig?"

„Manchmal. Und seit er auf dich aufmerksam geworden ist, noch viel mehr. Als ich dein Verhalten das erste Mal wirklich bemerkte, wusste ich, dass du für Dominik interessant sein könntest und setzte alles daran, dass er dich nicht in die Finger bekam. Leider hatte ich an diesem einen Tag einen Kundentermin und Ella machte das, was ich ihr aufgetragen hatte. Es konnte keiner damit rechnen, dass du in Dominiks offene Arme rennst."

„Mein Verhalten?", stotterte ich etwas verwirrt.

„Schüchtern, gehorsam, unterwürfig. Vorher auch immer diese Eigenschaften kommen, Dominik will sie."

Ich nahm den nächsten großen Schluck aus meinem Glas und leerte es. Daniel nahm es mir aus der Hand und stellte es vor uns auf den gläsernen Tisch.

„Das reicht", stellte er fest und ließ keinen Widerspruch zu.

„Die Frage, die offen bleibt, ist, ob Dominik nach einer Nacht mit dir genug hätte oder ob er dich dann erst recht will."

„Woher", setzte ich gerade an, doch Daniel unterbrach mich.

„Ich kenne Dominik schon sehr lange. Ich weiß, was er will, was er denkt, was er braucht. Er verlässt sich aber lieber auf Markus. Doch der ist seit einiger Zeit innerlich tot."

„Wegen diesem Mädchen", dachte ich laut.

„Irgendwie dreht sich in dieser Agentur noch wie vor alles immer um sie." Es folgte eine kurze Pause. „Es geht auch jetzt um sie?", ergänzte Daniel fragend.

Ich nickte nur als Antwort und wünschte mir, ich hätte noch Whiskey. Ich kann es Daniel auch gleich sagen, er würde es nachher ohnehin hören.

„Ich habe zufällig eine alte Freundin von diesem Mädchen getroffen. Sie erzählte mir, dass sie schon öfter Nachforschungen anstellen wollte, doch Dominik ihr immer einen Schritt voraus war."

„Du hast Sarah getroffen? Sie sucht immer noch nach Antworten?", fragte Daniel erstaunt.

„Du kennst sie?"

„Kennen ist übertrieben. Ich habe sie in einem Club kennengelernt und nach dem tragischen Vorfall hat sie mich kontaktiert, in der Hoffnung ich könnte ihr mehr verraten."

„Oder Ella", ergänze ich dieses Mal.

Schlagartig saß Daniel gerade neben mir und fixierte mich mit seinen schwarzen Augen. Sein Kopf legte sich leicht schief und ließ ihn unberechenbar wirken. Seine Finger zerquetschen das Glas in seinen Händen und ich hatte Angst, dass es jeden Moment in tausend Splitter zerspringen könnte.

„Was weißt du?", erklangen die Worte zischend aus Daniels Mund. Seine Augen glühten.

Auf keinen Fall durfte ich mich jetzt verraten. Daniel durfte nicht erfahren, dass ich von ihm und Ella wusste. Ich musste aufpassen, was ich sagte.

„Sarah sagte mir, dass sie mit Ella und dieser Frau befreundet war."

„Was noch?", zischte Daniel weiter.

„Sonst nichts", flüsterte ich und beobachtete ihn vorsichtig.

Langsam legte sich Daniels Wut und sein Argwohn. Wortlos stand er auf, nahm sowohl mein Glas als auch seines und befüllte sie an der Anrichte erneut mit Whiskey. Wie es aussah, gestand er mir doch noch ein Glas zu. Oder er wollte mich abfüllen, damit ich mich verplapperte.

Gerade als er mich meinen Whiskey überreichte, öffnete sich die Tür erneut und Dominik und Markus traten ein.

„Das ist euer wievieltes Glas?", fragte Markus sofort besorgt.

„Das zweite", antwortete Daniel sofort, als würde er Markus Sorge kennen.

„Seit du hier bist", ergänzte Dominik mit einem ärgerlichen Seitenblick auf mich. Nein, er hatte die gestrige Nacht noch nicht vergessen.

Die beiden nahmen am Sofa daneben Platz und so saßen wir in einer Viererrunde dort und keiner sprach.

„Was machen wir jetzt?", eröffnete Daniel das Gespräch.

Nach einer kurzen Pause, in der Dominik und Markus wahrscheinlich bewusst wurde, dass ich Daniel es bereits erzählt hatte, übernahm Dominik das Wort. Egal in welcher Situation, er würde immer einen Plan haben. War es das, was mich so an ihm faszinierte?

„Sie wird keinen Kontakt mehr zu Sarah haben", entschied er.

„Was?!", fragte ich sehr verwundert. „Ich habe sie bis jetzt einmal gesehen, es ist nicht so, als würden wir täglich miteinander reden."

„Dennoch möchte ich nicht, dass du jemals wieder mit ihr sprichst. Oder mit irgendjemanden, der sie kennt."

„Das kannst du nich...", rief ich entsetzt aus, doch Dominik brachte mich mit seinem Blick zum Schweigen.

„Ich werde auf dich aufpassen, wenn es sein muss", beantwortete er meine nicht gestellte Frage.

„Dominik", mische sich Daniel ein, „so etwas hatten wir bereits."

„Und wir wissen, wie es ausging", sprach nun Markus wieder. 

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