Immer sie! - Teil 24

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Irgendwie musste es doch verständlich sein, dass ich in dieser Situation nicht die geringste Ahnung hatte, was ich nun tun sollte. Nach wie vor kniete ich unbeholfen auf der dunklen Couch und sah über meine linke Schulter zu dem Podest, auf dem das schwarze Bett thronte.

„Komm her!", verlangte Dominik in gewohnter Manier.

Sollte ich? Musste ich? So unauffällig wie möglich versuchte ich einen Blick auf die Tür zu werfen, durch die wir gekommen waren. Wie oft hatte ich bis jetzt Gedanken daran verschwendet wegzulaufen? Ich musste mir endlich etwas Neues einfallen lassen. So konnte es nicht weiter gehen. Schaffte ich es, dieses Monster zu bändigen?

Zaghaft setzte ich mich in Bewegung und versuchte mit meinen Schuhen keinen Kratzer in das sündhaft teure Sofa zu machen. So wirklich wusste ich nicht, wohin mit mir. Deshalb setzte ich mich vorsichtig zu Dominiks Beinen, die immer noch fest am Boden standen, obwohl er sich am sprichwörtlichen Boden befand. Sein rechter Arm lag quer über seinen Augen, als versuche er sich vor der Welt zu verstecken.

„Ich hätte alles darauf verwettet, dass du jetzt versucht wegzulaufen", nuschelte Dominik in seinen Ärmel hinein.

Ich wusste nicht wieso. Vielleich war es Überforderung, vielleicht die Absurdität der Situation, möglicherweise Angst oder Dominik hatte gerade wirklich einen Scherz gemacht. Ich musste lachen. Das dürfte nicht nur mich überrascht haben, sondern auch meinen launischen Chef, der sich nun neben mir aufrappelte und die Ellenbogen auf seinen Knien abstützte. Der Blick, mit dem er mich bedachte, ließ ahnen, dass er mich für komplett übergeschnappt hielt.

„Das war kein Witz, Prinzessin", stellte mein Chef klar.

Ich holte einmal tief Luft, sodass sich meine Schultern hoben. „Ich sitze mit meinem Chef, der von mir eine Nacht möchte und gerade das erste Mal in seinem Leben einen Fehler einsieht, in einem überdimensionalen Bett in seinem Büro. Wenn ich nicht lache, dann müsste ich weinen."

Jetzt lachte Dominik. „Du bist immer noch betrunken, Prinzessin. Nicht wahr?"

„Möglich", antwortete ich kurz und knapp.

Ich wartete auf die nächste Ansage, die nächste Drohung, das nächste unheimliche Versprechen. Es kam Nichts. Dominik und ich saßen schweigend nebeneinander und starrten auf den riesigen Raum.

Dann kam mir ein absurder Gedanke....

„Wohnst du hier?", fragte ich den mächtigen Mann neben mir.

„Manchmal", antwortete er nun kurz und knapp.

„Und wenn nicht, dann wohnst du wo?"

„Willst du mich besuchen, Prinzessin?"

„Du weißt, wo ich wohne", versuchte ich seine Frage zu umgehen. „Es wäre fair, wenn ich auch etwas über dich erfahren würde."

„Seit wann ist das Leben fair?", antwortete Dominik und nuschelte wieder in seine Hände hinein. Nach einer kurzen Pause sprach er dann aber weiter:

„Ich habe ein Haus in Döbling."

Mir entkam ein verächtliches „war klar!" und schüttelte den Kopf. Was hatte ich denn auch erwartet? Eine 2-Zimmer-Wohnung im 15. Bezirk? Dominiks Kopf drehte sich langsam in meine Richtung und mir schwante Böses.

„Komm runter von deinem hohen Ross, Prinzessin. Wir wissen beide, dass das hier dein erster richtiger Job in deinem Leben ist und du dir deine kleinen manikürten Hände im Leben noch nie schmutzig machen musstest. Dein Vater besitzt eine 550 Hektar große Eigenjagd. Wahrscheinlich bezahlt er dir auch noch deine Wohnung. Du hast denselben Lebensstil wie ich."

„Aber ich brauche ihn nicht", erwiderte ich trotzig. Wie konnte es wagen, über mein Leben zu urteilen?

Nun schnaubte er verächtlich: „Woher willst du das wissen? Musstest du schon einmal darauf verzichten? Ich gebe es wenigstens zu, dass ich ohne mein Geld aufgeschmissen wäre."

Er hatte mich erwischt. Er hatte mich eiskalt erwischt. Er hatte vollkommen Recht. Ich musste noch nie auf etwas verzichten im Leben. Geld gab es immer in Hülle und Fülle und auch über meine Zukunft musste ich mir nie Gedanken machen. Mein Vater hatte nur mich. Ich würde alles erben. Mein Vater erlaubte mir das Studium, doch er wusste ganz genau, dass es mehr Schein als Sein war. Irgendwann würde ich nach Hause zurückkehren und den Betrieb übernehmen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen ich hätte Forstwirtschaft auf der BoKu studiert. Doch dann hätte mein Vater wieder seinen Willen bekommen. Das war das erste Mal, dass ich mich gegen ihn durchgesetzt hatte. Sein einziges Druckmittel war das Geld gewesen, doch schlussendlich hatte er kleinbei gegeben und mich doch mit Geld unterstützt. Aber Dominik hatte Recht, Geld gab es immer genug.

„Mein Vater versuchte immer mit Geld meine Mutter zu ersetzen", sprach ich leise, eher zu mir selbst, als dass ich es Dominik mitteilen wollte.

„Nichts kann eine Mutter ersetzen", stimmte Dominik mir melancholisch zu. Wenige Momente des Schweigens hüllten uns ein, bis Dominik die Stille durchbrach.

„Fragst du gar nicht?"

„Wenn du es mir erzählen willst, wirst du es mir erzählen. Aber ich denke nicht, dass ich es wirklich verstehen würde."

Verdutzt hielt Dominik kurz inne. „Warum? Deine Mutter ist doch auch gestorben."

„Ich kannte meine Mutter nicht. Ich weiß nicht, wie es ist eine Mutter zu haben. Dieser Luxus kam mir nie zu."

Augenblicklich richtete sich Dominik auf, legte vorsichtig seinen Arm um meine Schultern und zog mich zu sich heran. Behutsam drückte er einen Kuss auf meine Schläfe und lehnte dann seinen Kopf gegen meinen. Gemeinsam sahen wir in eine Richtung.

„Dann weißt du zumindest nicht, wie sehr man seine Mutter vermissen kann."

Ich wusste in diesem Moment nicht, ob die Zeit stehen geblieben war oder ob sie schneller als sonst verrann, aber wir saßen dort, ich in seinen Armen, trauerten beide um Menschen, die wir dringend in unserem Leben brauchen würden und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, das der echte Dominik da war.

„Wenn du willst, kannst du gehen", erklärte mein Chef mir. Ich sah in seine braunen Augen und suchte vergeblich die goldenen Sprenkel. Er erwiderte meinen Blick und schließlich schüttelte ich langsam meinen Kopf.


Es tut mir Leid, es tut mir wirklich Leid, dass alle so lange auf einen neuen Teil warten mussten. Zu meiner Verteidigung, mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht und ich musste erst einmal mich selbst ordnen. Aber ich werde versuchen, Elinas Geschichte nun weiter zu schreiben...

LG

H.U.D. 

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