Immer sie! - Teil 15

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„Es tut mir leid", stotterte ich. „Ich wollte nicht, dass Sie glauben, dass ich mich an ihn ranschmeißen würde." Perplex, überfordert und ein wenig benebelt stand ich Johann gegenüber und wusste nicht so recht wohin mit mir.

„Elina, Sie verstehen mich falsch. Ich gebe nicht Ihnen die Schuld daran. Ich möchte Sie nur vor meinem Sohn warnen. Sie tun sich nichts Gutes mit ihm", beruhigte mich Johann sofort und lächelte mich väterlich an.

„Aber..."

„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie hier unterbreche, aber ich habe die Hoffnung mittlerweile leider aufgeben müssen, dass mein Sohn zu einer ernsten Beziehung im Stande ist. Er kann Menschen um sich herum ruinieren und ich kann das nicht noch einmal zu lassen, Elina. Lassen Sie sich auf Nichts mit ihm ein."

„Ich hatte nichts dergleichen vor", flüsterte ich, während sich meine Finger fester um mein halb leeres Glas mit fast geschmolzenen Eiswürfeln legte. Verstohlen blickte ich mich um und sah zum Glück meinen verrückten Chef nicht. Keine Ahnung, wo der alte Bock ihn hingebracht hat.

„Hat mein Sohn Sie jemals belästigt?", fragte Johann nun ernsthaft besorgt und zog gleichzeitig die Augenbrauen hoch. Ein Blick, den man auch bei Dominik nur selten sah und dennoch war es absolut beeindruckend, wie ähnlich sich die beiden sahen.

„Was meinen Sie mit belästigt?", antwortete ich mit einer Frage, wie es Dominik auch so oft machte.

„Hat er Sie jemals unangemessen berührt? Sie können es mir sagen, ich verspreche Ihnen, es wird Ihnen nichts passieren. Sie behalten Ihren Job, genauso wie ihre momentane Stellung im Büro", sprach Johann aufmunternd. Zwischen den Zeilen hing das Versprechen, dass alles gut gehen würde. Ein Happy End, das auf uns alle irgendwann warten sollte - ein Happy End, das mir so oft versprochen wurde, sodass ich die Hoffnung darauf aufgegeben hatte. Ein Happy End, dass ich mir erhoffte, als ich endlich bei meinem Vater ausziehen konnte – ein Happy End, dass mit dieser Firma wieder in weite Ferne gerückt war.

„Er hat mehrere Annäherungsversuche gestartet, aber hat mich nie belästigt", antwortete ich Johann und war gespannt auf seine Reaktion. Ich musste nicht einmal lügen. Dominik hatte mich noch nie unanständig berührt. Klar hatte er mich in die Enge getrieben und seine Spielchen mit mir gespielt, aber da war ich schlimmeres gewohnt.

Johann nahm einen tiefen Atemzug, der gleichzeitig Erleichterung aber auch Besorgnis signalisierte. Nun suchten seine Augen den Raum nach bestimmten Personen ab, aber auch seine Suche blieb erfolglos und sein Blick schweifte wieder zurück zu mir.

„Elina, machen Sie sich keine Sorgen mehr deswegen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihre Ruhe haben. Versprochen!"

Während Johann seinen letzten Satz sprach, griff seine rechte Hand an meine linke Schulter und drückte diese sanft. Wie gesagt, dass Versprechen auf ein Happy End hing zwischen allen Zeilen, die Johann sagte. Ohne ein weiters Wort zu verlieren, machte Johann am Absatz kehrt und begrüßte andere Mitarbeiter. Wie konnte man nur in jeder Situation diese Contenance bewahren?

Die Eiswürfel in meinem Glas waren nun endgültig geschmolzen und einen wässrigen Whiskey konnte ich nicht leiden. Daher stellte ich mein Glas am Rand der Schank ab und versuchte ein bekanntes Gesicht zu finden. Bis ich mir gerne selbst auf die Stirn geschlagen hätte – vorher hoffte ich noch auf eine Möglichkeit von hier zu verschwinden und nun wird sie mir am Silbertablett serviert und ich starrte nur blöd in der Gegend herum.

Ohne großartige Überlegungen anzustellen, schnappte ich mir meinen weißen Blazer und ging zügig, aber unauffällig zum Ausgang. Weder Dominik noch meine anderen Chefs waren zu sehen als ich den Aufzug erreichte und sich die silbernen Türen endlich geschlossen hatte. Die Zahlen der Stockwerke rauschten am Tablett des Aufzugs nur so hinunter und ich kam meiner Freiheit Stück für Stück näher.

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