Ten

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Die Bar, die wir eine halbe Stunde später betreten, wird von einem dämmrigen Licht erleuchtet und verströmt das Gefühl einer flüchtigen Geborgenheit, das einer Ruhe vor dem Sturm gleicht. Die vielen Vorhänge und Wandbehänge scheinen miteinander zu tuscheln und die Luft ist erfüllt von Geheimnissen. Ich bin überrascht, als ich in dem großen Raum mit einigen Nischen und ein paar Gängen ausschließlich Teenager in unserem Alter erblicke, denn alles in allem wirkt der Laden eher so, als würden sich vor allem Studenten oder mittelalte Erwachsene sonst hier herumtreiben.

Nun ja oder Kiffer und Hippies.

Natürlich bleibt unser Eintreffen nicht lange unbemerkt und Miley wird sofort von einem blonden Mädchen in eine Umarmung gezogen. „Hey, schön dass du auch gekommen bist."

„Klar doch", entgegnet Miley lächelnd, doch da fällt der Blick der Blondine auf mich.

„Warte. Du hast Chris Cornwall mitgebracht? Wow, ich-", meint sie und lächelt mich dann etwas zurückhaltend an. Ich spare mir eine richtige Begrüßung, setze aber ebenfalls ein Lächeln auf. „Kommt ruhig weiter nach hinten", fügt das Mädchen hinzu und wirft dabei immer wieder Blicke in eine Runde von vier weiteren Mädels, von denen sich erst jetzt eines umdreht. Ich sehe den Blick, der über Miley wandert und dann an mir hängen bleibt. Die Augen werden ein Stück größer und kurz darauf hat das Mädchen auch schon die anderen stumm auf mich aufmerksam gemacht.

Normalerweise stören mich solche Reaktionen nicht, solange es bei den Blicken und oberflächlichem Geplauder bleibt. Ich bin es mittlerweile gewohnt, dass ich meist im Mittelpunkt stehe. Nur heute wünsche ich mir, es wäre anders. Heute wünsche ich mir einen Tarnumhang oder einen Unsichtbarkeitszauber, der mich vor all den neugierigen Blicken schützt. Denn meine Maske bröckelt und ich fühle mich angreifbar.

Zu meiner Erleichterung bleiben die Mädchen jedoch auf ihrem Platz und Mileys blonde Freundin führt uns durch einen Gang in ein zweites Zimmer, in dem sich noch mehr Leute aufhalten.

„Miley!", höre ich eine bekannte Stimme und schon steht der Gastgeber persönlich vor uns. Irritiert beobachte ich meine Freundin, die plötzlich über beide Ohren strahlt und dümmlich zurückgrinst, als Rick sie anlächelt. „Freut mich, dass du da bist."

„Danke für die Einladung", meint Miley und lässt sich dann von Rick in eine Umarmung ziehen. Wie eine Statue stehe ich daneben und starre die beiden befremdlich an, bevor mein Blick durch den Raum huscht und all die neugierigen Augenpaare mustert. Ich unterdrücke den Drang, Miley und Rick auseinanderzuschieben, als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch nicht voneinander lösen. Die Falte auf meiner Stirn wird immer dicker, bis sie wahrscheinlich der von meinem Vater gleicht. Erst als Rick beschließt, uns etwas zu trinken zu holen, wendet sich Miley wieder mir zu.

„Was denn? Wir haben uns nur umarmt", stellt Miley klar und mustert mich mit einem verständnislosen Blick. „Du musst nicht so dreinschauen, als hätte ich mich gerade ausgezogen."

Ich erwidere nichts, doch als Rick mit den Getränken zurückkommt und die Blondine von vorhin sich mit einer Freundin zu uns gesellt, reiße ich mich wieder zusammen.

„Das ist übrigens Rachel, Ricks Schwester", klärt mich Miley auf und deutet auf die Blondine, die noch einmal kurz zur Begrüßung die Hand hebt.

„Hi, freut mich. Und das hier ist meine Freundin Harriet." Wieder erscheint das Lächeln auf meinem Gesicht, das mir jedoch fast verrutscht, als mein Blick auf die fünfte in der Runde fällt, die kein Wort herauszubringen scheint und deren Gesicht einer überreifen Tomate Konkurrenz macht.

„Ich bin Chris. Aber ich schätze das wisst ihr schon", sage ich langsam und ernte diesmal zur Abwechslung keinen Hieb von Miley, die sich sonst oft über meine Arroganz beschwert.

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt