Twenty-Five

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„Kommt gut nach Hause", sagt Miley zum Abschied und umarmt kurz Leo und dann etwas länger Rick, bevor sie in den Bus steigen. Auch ich hebe kurz die Hand, dann sind Miley und ich auch schon alleine und bei ihrem verklärten Blick und dem breiten Grinsen, wird mir langsam wieder bewusst, weswegen ich heute eigentlich zum Bowling mitgekommen bin.

Die Straßen liegen dunkel und verlassen vor uns, während wir den Heimweg antreten. Eigentlich wohnen wir gar nicht so nahe beieinander, trotzdem haben wir uns früher immer gegenseitig nachhause begleitet und meistens hat dann einer von uns einfach beim anderen übernachtet. Es ist lange her, seit wir das zum letzten Mal getan haben, trotzdem fühlt es sich irgendwie vertraut an, nebeneinander durch die Nacht zu laufen.

„Heute war ein guter Tag", sagt Miley seufzend, bevor sie plötzlich an mir vorbeihuscht und auf eine niedrige Mauer neben dem Gehsteig springt. „War doch ein cooles Treffen, oder?"

Langsam balanciert sie die alte Mauer entlang, den Blick konzentriert auf ihre Füße gerichtet, die Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen. Ich beobachte sie und schiebe den Drang beiseite, nach ihrer Hand zu greifen und sie zu stützen, als sie kurz schwankt.

Wir sind keine Kinder mehr. Die alten Zeiten sind vorbei. Miley kann auf sich selbst aufpassen.

Ihre braunen Locken fliegen durch die Luft, als sie mit einem großen Satz wieder neben mir auf dem Gehweg landet. Obwohl ich sie im Dunkeln nicht so gut erkenne, verstärken die leichten Sommersprossen auf Mileys Wangen und ihr unbeschwertes Grinsen den Eindruck, wieder das kleine Mädchen von früher vor mir zu haben. Ein Lied summend tänzelt meine beste Freundin auf der Straße vor mir her und bringt mich zum Schnauben.

Nun ja, vielleicht auch nicht. Vielleicht braucht sie doch noch ein paar Regeln, um uns beiden nicht zu schaden.

„Sowas sollten wir öfter machen. So wie heute. Dir hat es doch auch Spaß, gemacht, richtig?" Ich schweige, bis wir an eine Kreuzung mit einer roten Ampel kommen und ich Miley wieder einhole. „Wir sind eine gute Gruppe, findest du nicht auch? Du, Leo, Rick und ich. Die beiden sind doch echt nicht übel." Bevor ich ein Wort über meine Lippen bringe, redet Miley schon weiter. „Wir könnten nächste Woche ins Kino gehen. Oder in den Vergnügungspark. Rick und ich haben überlegt, ob-"

„Du solltest dich nicht so oft mit Rick treffen." Meine Worte zerschneiden die klare Luft wie eine Klinge und lassen die Stille wieder wie einen schweren Mantel über uns fallen.

Ich habe es gesagt. Es gibt kein Zurück. Es muss sein.

Miley sieht mich endlich an, ihr Gesicht spiegelt ihre Verwirrung wider. „Was?"

„Hör auf, dich so oft mit Rick zu treffen", wiederhole ich und muss dann selbst schlucken, als ich merke, wie sich ihr Gesichtsausdruck verändert. Plötzlich fühlt es sich an, als hätte die Klinge aus Worten mich selbst getroffen.

„Wieso?"

Ich wende den Blick ab und lasse Miley stehen, als die Ampel auf ‚grün' umschaltet und ich die Straße überquere.

„Wieso sagst du sowas?"

„Lass es einfach, okay? Ich verstehe sowieso nicht, was du von dem Typen willst."

Miley hat mich eingeholt, bleibt dann, nachdem wir die Straße überquert haben, aber erneut stehen. Am liebsten wäre ich einfach weitergegangen, doch das Stechen in meiner Brust lässt mich doch innehalten und mich umdrehen. Mileys Blick sucht meinen und ich kann durch ihre Augen erahnen, was in ihr vorgeht.

„Du hattest doch auch Spaß heute und jetzt streite das bitte nicht ab, ich weiß es nämlich. Warum soll ich mich also nicht mehr mit Rick treffen? Was hat er dir je getan?" Ich schweige, während ich in meinem Kopf nach den passenden Worten suche. „Und seit wann bestimmst du, mit wem ich mich treffe und mit wem nicht?"

„Was denkst du denn, wie das aussieht?"

„Wenn ich etwas mit Rick unternehme?"

„Es gibt schon Gerüchte über euch. Einige denken, ihr wärt zusammen." Ich merke, wie Mileys Wangen sich leicht verfärben und sie kurz den Blick auf den Boden richtet. „Pass besser auf", sage ich seufzend und will schon weitergehen, doch Miley macht keine Anstalten, sich vom Fleck zu rühren.

„Und was ist so schlimm daran?", höre ich sie leise sagen, bevor sie mich wieder ansieht. Jetzt ist sie nicht mehr das kleine Mädchen von früher, das sich vor Scham hinter ein paar Kissen versteckt und sie mir dann ins Gesicht wirft, wenn ich nicht aufhöre, sie zu ärgern, weil sie einen Jungen süß findet. „Sollen sie das doch denken", murmelt sie und mit einem Mal verwandelt sich das Stechen in meinem Inneren in eine lodernde Flamme.

„Hörst du dir eigentlich zu? Denkst du überhaupt noch mit? Rick ist einfach nur seltsam. Kann sich nicht entscheiden, ob er jetzt sportlich oder wie ein Obernerd rüberkommen möchte. Und von Leo will ich gar nicht reden. Der Typ denkt wohl, wir leben noch in der Hippie-Zeit, benimmt sich als wäre er Mutter Theresa und meint Blätter zu essen ist cool. Und was soll überhaupt seine Frisur? Glaubt er, die langen Haare machen ihn zu einem Rockstar oder ist er einfach zu faul, zum Frisör zu gehen? Ich meine-"

„Geht es hier wirklich um Rick? Und um mich?", unterbricht Miley meinen kleinen Ausbruch und ich halte irritiert inne. Irgendwie habe ich plötzlich den Faden verloren. Wieder verändert sich Mileys Blick und ich sehe eine Art Erkenntnis in ihren Augen aufblitzen. Langsam kommt sie auf mich zu. „Worum geht es hier wirklich?" Ich lege die Stirn in Falten und verschränke die Arme vor meiner Brust. Mir gefällt Mileys Blick nicht und ihr Verhalten erinnert mich an unser Gespräch auf der Party.

‚Wenn ich meiner Wahrnehmung nicht wegen des Alkohols ein bisschen misstrauen würde, würde ich sagen, ihr beide hättet miteinander geflirtet.'

„Hör auf, vom Thema abzulenken, ich-"

„Hier geht es um Leo, richtig?", sagt Miley leise, doch gleichzeitig bestimmt. Wieder ein Stechen, diesmal in meiner Magengegend. „Um Leo und um dich."

Was zum Teufel redet sie da? Was soll das? Wie ist dieses Gespräch nur in eine so falsche Richtung gelaufen?

„Chris, du kannst mit mir reden, du weißt ich bin immer für dich da."

„Da gibt es nichts zu reden", sage ich schroff, doch auch meine Stimme ist leise und klingt nicht halb so sicher, wie ich es gerne hätte. „Ich habe dir gesagt, was ich sagen wollte. Triff dich nicht ständig mit Rick."

Mileys Blick ist leicht traurig und sie seufzt. „Hör auf dich gegen alles zu wehren und jeden von dir zu stoßen, der dir helfen will."

„Hier geht es nicht um mich. Hier geht es um dich. Und um deine Entscheidungen, die weder dir, noch mir, noch sonst irgendjemandem helfen. Warum hörst du nie auf das, was ich sage?" Meine Finger beginnen zu schmerzen und ich merke erste jetzt, dass ich die Hände zu Fäusten geballt habe. In mir brodelt etwas, das sich durch meine Worte wie eine zischende Schlange den Weg nach draußen bahnt. Als Miley leicht ungläubig die Augenbrauen hebt, muss ich mich beherrschen, sie nicht anzuschreien.

„Merkst du nicht, dass du dir nur selbst wehtust?", sagt sie leise.

Wieso hört sie mir nicht zu? Wieso wechselt sie ständig das Thema? Wieso bin ich so verdammt wütend?

Doch gerade als ich glaube, dass der Vulkan in meinem Inneren endlich ausbricht, erstarrt die Lava plötzlich zu Stein und sackt mit einem dumpfen Knall nach unten. Mit einem Mal fühle ich mich müde und schwer, alles ist ein einziger Kraftakt.

„Lauf nicht vor dir selbst davon."

Mileys Worte hallen in mir wider wie ein endloses Echo, als ich mich umdrehe und sie auf der dunklen Straße stehenlasse.

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt