Thirty-Five

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Im Nachhinein weiß ich nicht mehr wieso, doch einige Minuten später stehe ich vor Mileys Haustüre und hebe die Hand, lasse sie dann jedoch unschlüssig in der Luft verharren, ohne auf die Klingel zu drücken. Eigentlich will ich gerade nicht mit meiner besten Freundin reden und ein Teil von mir wünscht sich sogar, dass sie nicht hier ist, doch alles ist im Augenblick besser, als zuhause zu sein.

Nach gefühlten weiteren zehn Minuten überwinde ich mich endlich und höre kurz darauf die Klingel durchs Haus schallen. Obwohl ich mir fast wünsche, dass Mileys Großvater die Tür öffnet, stehe ich ein paar Sekunden später meiner besten Freundin gegenüber, die mich überrascht ansieht, ihre Lippen dann jedoch zu einem warmen Lächeln formt.

„Wow, das habe ich jetzt wirklich nicht erwartet. Komm rein."

Ich erwidere nichts, ziehe mir schweigend die Schuhe aus und folge Miley dann nach oben in ihr Zimmer. Wie so oft herrscht ein leichtes Chaos in dem Raum, überall verteilt liegen Klamotten und Nagellack herum und ihr Schreibtisch sieht aus wie ein Schlachtfeld. Nur Mileys CD- und DVD-Sammlung steht fein säuberlich sortiert in ihren Regalen.

„Wir haben eben keine Putzfrau", sagt Miley abwehrend, als sie meinen Blick bemerkt, obwohl sie genau weiß, dass es nicht die Putzfrau ist, die mein Zimmer aufräumt. Ich gehe nicht weiter darauf ein und lasse mich nach kurzem Überlegen auf Mileys flauschigem Teppich vor ihrem Sofa nieder. Dankbar greife ich nach der Packung Kekse, die mir meine beste Freundin hinhält.

Sollte ich mit Gary persönlich reden und ihm sagen, dass er mich nicht für den Wettbewerb anmelden soll?

„... Referate dieses Jahr?"

Mit meinem Vater darüber zu diskutieren macht keinen Sinn, aber Gary kann ich vielleicht auf meine Seite ziehen.

„Chris?"

„Hm?" Erst jetzt realisiere ich, dass Miley mit mir spricht. Kurz mustert mich meine Freundin, dann seufzt sie leise und lässt sich neben mir auf den Boden sinken.

„Okay, was ist los? Du bist nicht nur hier, weil du meine Nachricht gelesen hast, oder?"

2. Platz: Christopher Cornwall. Nicht gut genug. Versager. Homo. Eklig.

Ich will schon fast widersprechen, lasse es dann aber sein und schweige weiter vor mich hin.

„Heute in der Schule warst du noch nicht so mies drauf. Ist zuhause irgendwas passiert? Dein Vater?" Miley muss keine Antwort von mir hören, um zu wissen, dass sie mit ihrer Vermutung richtig liegt. Zumindest teilweise. „Was hat er gesagt?"

„Ich habe eine Drei in Physik geschrieben", antworte ich und Miley seufzt ein weiteres Mal. Sie weiß, was das heißt. „Er will mir einen Wochenplan zusammenstellen und ich soll nächste Woche schon wieder auf einem Wettbewerb spielen." Miley sieht mich ungläubig an und schüttelt dann den Kopf. Im ersten Moment fehlen ihr die Worte.

„Sieht er denn nicht, was er dir damit antut?" Ich ziehe die Knie an meinen Körper, schlinge die Arme darum und lege meinen Kopf darauf. „Soll ich meinen Großvater fragen, ob er mit ihm redet?"

Kurz denke ich nach, schüttle dann aber den Kopf. Eine Weile lang schweigen wir, doch irgendwann reicht es mir, darüber nachzugrübeln. „Was wolltest du mit mir besprechen?", frage ich und merke, wie sich Mileys Körperhaltung mit einem Mal verändert.

„Eigentlich ist es nicht so dringend, vielleicht sollten wir das doch auf wann anders verschi-"

„Nein. Los, sag schon."

Miley will protestieren, erkennt dann jedoch, dass ich mich nicht mehr umstimmen lasse. Sie kennt mich gut genug um zu wissen, dass die kurze Zeit, in der ich mich ihr geöffnet habe, schon wieder vorbei ist.

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt