Die Angst ist mein ständiger Begleiter, doch auch wenn ich sie schon so lange kenne, meldet sie sich an diesem Montagmorgen mit voller Kraft zurück.
Angst zu fallen, Angst zu verlieren, Angst zu versagen, Angst fallengelassen zu werden.
Angst alleine zu sein.
Doch anstatt wie bisher mit allen Mitteln dieser Angst entkommen zu wollen, sich hinter einer Maske vor ihr zu verstecken, vor ihr davonzulaufen oder sie zu verleugnen, sehe ich sie nun zum ersten Mal wirklich an. Und auch wenn eine Stimme in mir verzweifelt aufschreit, mir befiehlt, wieder nach Hause zu gehen und dieser Situation zu entrinnen, setze ich einen Fuß vor den anderen und erreiche schließlich mein Klassenzimmer, das ich, ohne mir etwas anmerken zu lassen, betrete.
Denn ich weiß jetzt, dass es Menschen gibt, die hinter mir stehen. Die mich, obwohl sie meine Fehler und Geheimnisse kennen, akzeptieren.
Ich sehe Ethan nicht an, der wie gewohnt auf seinem Platz sitzt und mein Hereinkommen natürlich bemerkt. Erst als ich Garrett auf meinem Platz neben Ethan sitzen sehe, halte ich kurz inne. Dass das auf Ethans Mist gewachsen ist, ist mir sofort klar als ich Garretts schuldbewussten Blick und die Unruhe in seinen Augen sehe.
„Hübsches Gesicht", höre ich Ethans Stimme provokant durch das Zimmer schallen und spätestens jetzt sind alle anderen Gespräche verstummt. Noch immer sehe ich meinen ehemaligen besten Freund – falls man ihn jemals als solchen bezeichnen konnte – nicht an und steuere nach meinem kurzen Zögern einfach Garretts leeren Platz an, auf den ich mich dann wie selbstverständlich sinken lasse.
„Hätte nicht gedacht, dass du dich heute so blicken lässt, Cornwall. Dass du dich mit so einer Visage überhaupt aus dem Haus traust?", spottet Ethan weiter, doch ich erkenne an seiner Stimme, dass es ihn wurmt, dass ich hier bin.
„Du solltest deine Klappe nicht so weit aufreißen, Ethan", mischt sich plötzlich eine Klassenkamerdin von uns ein. „Jemand der anderen eiskalt ins Gesicht schlägt, sollte sich selbst überlegen, ob er sich so unter die Leute trauen soll."
Das hat gesessen. Wäre es ein Junge gewesen, der so etwas gesagt hätte, wäre dieser wohl der nächste mit einem blauen Auge geworden, doch da es ein Mädchen ist, höre ich Ethan nur unterdrückte Schimpfwörter murmeln, ansonsten bleibt er still. Ein anderes Mädchen dreht sich besorgt zu mir um und bietet mir Schmerztabletten an, die ich dankend ablehne.
Ich falle nicht. Ich bin nicht allein. Es gibt Leute, die zu mir helfen.
Der Schultag verläuft besser als gedacht. Ethan lässt zwar immer wieder ein paar provokante Kommentare ab, doch ich merke erleichtert, dass sich viele Mitschüler nun gegen ihn stellen und zu meiner Genugtuung wirken seine Versuche, mich runterzumachen immer verzweifelter.
„Ich hätte dir Nase und Kiefer brechen sollen, damit die Mädels deinem ach so schönen Gesicht nicht mehr so blind hinterher laufen. Die sind so dumm und kaufen dir die arme Opferrolle hier ab. Aber ich weiß, wie du wirklich bist. Ich weiß, was du bist."
Wie jedesmal, wenn Ethan diese Andeutungen macht, stockt mir kurz der Atem, doch aus irgendeinem Grund hat mich Ethan immer noch nicht vor allen bloßgestellt, also setze ich meinen Weg nach draußen einfach fort und ignoriere, dass Ethan mir folgt.
Fehlen ihm die Beweise, um mich zu outen? Doch seit wann brauchen Gerüchte an dieser Schule irgendwelche handfesten Fakten?
„Du bist ein ekelhafter Lügner. Ein dreckiger Betrüger." Ethan spuckt mir die Worte förmlich ins Gesicht und mittlerweile scheint sich sogar schon Garrett für seinen Freund zu schämen, denn er wirkt, als würde er am liebsten im Boden versinken.
![](https://img.wattpad.com/cover/236645700-288-k591095.jpg)
DU LIEST GERADE
Falling for You ✔
أدب المراهقينChris scheint das perfekte Leben zu führen: Aufstrebender Klavierspieler, Mitglied einer Band und beliebt in der Schule. Doch nicht alles ist so einfach und schön, wie es von außen wirkt. Als der Sieg beim Klavierwettbewerb plötzlich gefährdet wird...