Seventeen

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„Chris, wie geht es dir?", begrüßt mich Mr. Henderson am Nachmittag bei sich zuhause und ich habe das erste Mal seit langem wieder einmal das Gefühl, meine schwere Maske ein Stück weit ablegen zu können.

„Ging schon mal besser", sage ich und seufze, als ich durch die Tür trete.

Mr. Henderson nickt. „Dachte ich mir. Willst du Tee?"

Dankend bejahe ich und ziehe mir die Schuhe aus. Als ich die Küche betrete, erblicke ich Miley, die mich lange ansieht, aber nichts sagt. Sie hält sich an unsere vor Jahren getroffene Abmachung, erst nach der Klavierstunde mit mir zu plaudern. Obwohl mir ein bisschen vor diesem Nachher graut, bin ich ihr dankbar für diese Geste.

Die zwei Stunden vergehen schnell und obwohl ich mehrere Pausen einlegen und einige Parts vorsichtiger spielen muss, verläuft es besser als gedacht. Die Finger schmerzen ein bisschen, doch es ist ertragbar und die Schwellung ist mittlerweile schon ziemlich zurückgegangen.

„Gut", beendet mein Lehrer die Probe und nickt zufrieden. „Ich habe Schlimmeres befürchtet", gibt er dann zu und ich schnaube zustimmend.

„Ich auch." Gewissenhaft reinige ich die Klaviatur des schwarzen Flügels, der das geräumige Wohnzimmer vervollständigt und stehe dann auf.

„Du kommst morgen noch einmal?" Mr. Henderson hustet kurz, fängt sich dann jedoch wieder und blickt mich abwartend an.

Meine Antwort ist ein Nicken.

„Gut."

Ich will schon aus dem Raum gehen, doch Mr. Henderson bedeutet mir, kurz stehen zu bleiben. „Chris, ich weiß, du willst dich wahrscheinlich nicht mit einem alten Mann über deine Sorgen austauschen und da hast ja auch Miley, aber ich hoffe du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt." Der ältere hagere Mann mit dem weißen Haar und der großen Brille sieht mich lange an. „Du bist stark, aber es ist okay, sich manchmal auch helfen zu lassen", fügt er langsam hinzu und ich senke meinen Blick.

„Danke", sage ich leise und schlucke.

„Du bist immer willkommen. Egal was passiert."

Ich nicke, lächle ihn leicht an, wende mich dann aber wieder der Tür zu, die auf den Gang führt. Als wir den Raum verlassen, drehe ich mich kurz noch einmal um. „Sieht man mir so sehr an, dass mein Leben gerade nicht ganz perfekt läuft?"

„Eigentlich merkt man es kaum. Dein Pokerface ist tadellos. Nur dein Spielen verrät dich", sagt Mr. Henderson und zwinkert mir dann zu. Ich schnaube und lasse den Kopf sinken.

„Natürlich. Das hätte ich wissen können."

„Das Klavier lügt nie. Es zeigt immer die wahre Natur eines Menschen", sagt der ältere Mann und lächelt mich an. Bevor ich meine Schuhe anziehe, trage ich meine leere Tasse zurück in die Küche und werde von Miley begrüßt, die immer noch in dem Raum sitzt und ein Buch liest.

„Hey, Chris."

„Hey."

Langsam klappt sie den Roman zu und steht auf, bevor ich das Zimmer verlassen kann. „Alles gut?" Die Worte bleiben wie Nebelschwaden zwischen uns hängen und verstärken das dumpfe Gefühl in meinem Magen. „Okay, dumme Frage. Aber wie es scheint musst du zumindest den Wettbewerb nicht absagen."

Ich sage immer noch nichts und verharre regungslos auf meinem Platz.

„Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Wegen der Party und weil du dann so plötzlich gegangen bist. Ich wollte nur wissen, ob irgendwas vorgefallen ist, oder-"

„Alles gut", sage ich und seufze.

Miley nickt langsam, schüttelt dann jedoch den Kopf. „Rede mit mir, Chris." Wieder kehrt eine kurze Stille ein, doch die Spannung ist fast greifbar. „Ist auf der Party irgendwas passiert?", fragt meine beste Freundin dann vorsichtig und sucht meinen Blick, doch ich weiche aus.

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt