Twenty

1.5K 161 65
                                    

Als ich am nächsten Morgen aufwache, spüre ich sofort, dass etwas anders ist. Die Leere hat sich teilweise verflüchtigt und plötzlich ist da ein Stechen und eine Übelkeit, die mich aus dem Bett fahren lassen.

Shit. Shit. Shit.

Es ist mir egal. Es muss mir egal sein.

Nachdem ich mich angezogen und fertig gemacht habe, hat sich mein Magen etwas beruhigt, dennoch versuche ich mit aller Macht, die schützende Leere in mir wieder größer werden zu lassen.

Mit einem leichten Unwohlsein und pochenden Schläfen fahre ich in die Schule und wappne mich für den Tag. Überall sehe ich neugierige Blicke, doch nur wenige trauen sich, mich auf den Bewerb anzusprechen. Die Glückwünsche nehme ich mit einem leichten Lächeln entgegen, die Mitleidsbekundungen tue ich mit einem Pokerface ab.

„Ach Chris, wieso hast du dich denn nicht mehr bemüht?", begrüßt mich Ethan vor dem Klassenzimmer und legt einen Arm um mich. „Was sollen jetzt die ganzen Tussen denken?" Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich seinen Arm um meine Schultern tröstlich oder bedrohlich finden soll. „Wie soll ich denn jetzt mit dir angeben?"

Ich schnaube und ringe mich zu einem Lächeln durch.

Es ist mir egal.

Ich weiß, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht, doch ich weigere mich, den Tatsachen ins Auge zu sehen.

Fake it 'till you make it. Wenn ich mir lange genug einrede, dass es mir nichts ausmacht, ist es irgendwann auch so.

„Du brauchst also mich, um angeben zu können? Ist dein Ego plötzlich geschrumpft?", antworte ich frech.

Ethan klopft mir lachend auf den Rücken. „Nein, keine Sorge, meinem Ego geht es wunderbar. Wie sieht's mit deinem aus?"

Ich schlucke, werfe ihm dann aber einen überheblichen Blick zu. „Ich hab mir gedacht, ich halte mich ein bisschen zurück, damit du neben mir nicht untergehst."

„Viel zu freundlich, unser Chris", scherzt Garrett und klopft mir ebenfalls auf den Rücken, als er an uns vorbeigeht. „Bei unseren Bandauftritten musst du dich aber nicht zurückhalten", fügt er noch hinzu, doch ich komme nicht mehr dazu zu antworten, da in diesem Moment der Unterricht beginnt.

***

„Hey." Miley stoppt mich, als ich als einer der letzten aus dem Klassenzimmer trete und den Ausgang ansteuere.

„Hey", murmle ich und gehe langsam weiter, doch meine beste Freundin folgt mir einfach.

„Was hast du denn heute vor? Ich dachte wir könnten mal wieder Pizza essen gehen? Oder wir machen uns einen gemütlichen Nachmittag mit Schokolade auf der Couch?"

Ihre Stimme klingt vorsichtig aber entschlossen. Sofort spüre ich die Wehmut in mir aufkommen und denke an all die Tage zurück, die wir früher gemeinsam verbracht haben. Natürlich habe ich mein Versprechen nicht vergessen und ich will eigentlich zustimmen, doch etwas hält mich zurück.

Wer sich eine Pause gönnt, verliert. Wer sich öffnet, macht sich verwundbar.

„Wir könnten uns ein Musical ansehen. Rocky Horror? Hamilton?", schlägt Miley vor und ich unterdrück ein Seufzen. Früher haben wir uns jedes Musical angesehen, das wir in die Finger bekommen haben und zu jedem Disney-Film haben wir lauthals mitgesungen. Irgendwann später habe ich dann angefangen, die Lieder auf dem Klavier nachzuspielen und Miley hat den Gesangspart übernommen, obwohl ich auch darin eigentlich besser bin als sie.

Doch das alles ist lange her. Mittlerweile sehe ich mir Musicals und Disney-Filme nur noch heimlich und alleine in meinem Zimmer an, wenn ich krank bin. Schließlich sind tanzende Filmprotagonisten, die alle paar Minuten in kitschigen oder dramatischen Gesang ausbrechen, etwas für Mädchen und Kinder, richtig?

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt