Gedankenverloren tippe ich auf meinem Handy herum und bespreche mit Miley via Textnachrichten, wann und wo wir uns heute treffen, während ich mir Cornflakes in den Mund schaufle.
„Willst du noch welche?", fragt meine Mutter, doch ich schüttle nur den Kopf und blicke nicht auf.
Ist mir doch egal, wenn Leo erst ab 18 Uhr Zeit hat. Ist mir egal, ob er überhaupt kommt.
Ich tippe schnell ein paar Zeilen, die ich dann jedoch wieder lösche. Ein ‚Ok' ist alles, was übrig bleibt. Erst, als ich schwere Schritte höre, und mein Vater die Küche betritt, kehrt mein Bewusstsein wieder in die Realität zurück.
„Chris, du machst dich dann bereit, nach dem Mittagessen fahren wir nochmal zu Dr. Peters."
Mein sarkastisches ‚Guten Morgen' bleibt mir im Hals stecken und ich sehe kurz auf und wäge ab, ob ich es mir leisten kann, genauer nachzufragen.
„Wenn er meint, dass alles mit deiner Hand in Ordnung ist, dann sage ich der Leitung des Konzertsaals zu, dass du in eineinhalb Wochen bei der Eröffnung der Galerie mitspielst."
Mein Löffel fällt mir aus der Hand und landet mit einem Klirren in der halbleeren Schüssel. Ein paar Milchtropfen spritzen auf unseren Küchentisch. „In eineinhalb Wochen schon? Bei der Eröffnung?", wiederhole ich mit großen Augen, die ich gleich darauf wieder zu Schlitze verenge.
„Ja."
„Das ist zu knapp", sage ich, was mir einen eiskalten Blick meines Vaters beschert. Wie immer setzt er sich nicht zu mir und meiner Mutter, sondern lässt sich nur eine Tasse Kaffee herunter, von der er dann nippt, während er wie ein Tiger in der Küche auf und ab marschiert.
„Blödsinn. Außerdem brauchst du jetzt jeden Auftritt, den du kriegen kannst. Du hast einiges wiedergutzumachen."
Meine Hand verkrampft sich und ich unterdrücke den Drang, einfach aufzustehen und zu gehen. „Ich habe nächstes Wochenende einen Bandauftritt auf dem Schulfest", presse ich hervor und versuche, ruhig zu atmen. „Dafür muss ich auch üben." Mein Vater runzelt nur die Stirn und schüttelt leicht den Kopf.
„Du solltest diesen Kinderkram endlich an den Nagel hängen. Das bringt dich nicht weiter."
Natürlich versteht er es nicht. Natürlich fragt er mich nicht, ob ich überhaupt auf dieser Eröffnung spielen will. Und natürlich sitzt meine Mutter wie immer nur stumm daneben und starrt die Tischplatte an.
„Das ist kein Kinderkram. Ich werde auf der Schulfeier spielen", sage ich langsam aber mit fester Stimme und erwidere den Blick meines Vaters.
Eis gegen Eis. Welches ist kälter? Welches härter?
Wieder schüttelt mein Vater den Kopf, doch ich habe das Gefühl, diesmal einen kleinen Sieg errungen zu haben, als er den Blickkontakt unterbricht.
„Du kannst es dir nicht leisten, deswegen den richtigen Klavierunterricht zu vernachlässigen. Spiel meinetwegen auf deiner kleinen Schulfeier, ich will aber nicht hören, dass du wegen dieser dummen Band weniger für die Eröffnung übst." Damit scheint das Gespräch für meinen alten Herrn beendet, denn er trinkt den letzten Schluck seines Kaffees und verlässt dann ohne ein weiteres Wort die Küche. Ich atme geräuschvoll aus, während ich meine Schüssel nehme und den Rest der Milch in den Abfluss gieße. Mir ist dir Appetit längst vergangen.
„Ich kann heute Abend nicht üben, ich hab schon was vor", zische ich in Richtung Gang, wohlwissend, dass mein Vater mich nicht mehr hört.
„Er könnte dich wenigstens fragen, bevor er dich einfach für Events anmeldet", höre ich meine Mutter und zucke bei ihrer Stimme leicht zusammen. Unentschlossen stehe ich vor der Tür zum Flur herum, lasse mich dann aber wieder auf die Küchenbank sinken und lege meinen Kopf auf meine Hände.
Mein Vater handelt, ohne Dinge mit mir zu besprechen und meine Mutter bespricht Dinge, ohne dann danach zu handeln.
„Was hast du denn heute vor?", fragt meine Mutter nach einer Weile, doch ich seufze nur kurz.
Und ich? Handle und spreche komplett gegensätzlich.
Langsam hebe ich meinen Blick und sehe in die dunklen Augen meiner Mutter, die mich vorsichtig mustern, als wäre sie ein Reh, das den Scheinwerfern eines stehenden Autos entgegenblickt. Wenn ich die Augenfarbe von meinem Vater geerbt habe, stammt der Rest wohl eher von meiner Mutter. Die dunklen, fast schwarzen Haare, die dünne Statur, die großen Augen, die langen Finger. Ich kann nicht sagen, welche Ähnlichkeit mich mehr stört.
„Ich treffe mich mit Miley", sage ich und merke, wie sich die Miene meiner Mutter leicht aufhellt. „Und mit ihren Freunden", füge ich noch hinzu und frage mich noch im gleichen Augenblick, warum ich das gesagt habe.
„Das ist ja toll. Ihr scheint euch wieder besser zu verstehen."
Ich spare mir eine Antwort und beginne wieder, etwas in mein Handy zu tippen. Diesmal kann ich mich jedoch nicht einmal darauf richtig konzentrieren.
„Was sind denn das für Freunde?", bohrt meine Mutter nach und ich bereue es schon wieder, mich nicht einfach in meinem Zimmer verkrochen zu haben.
„Leute aus der Schule", sage ich ausweichend und schließe kurz die Augen. Meine Mutter setzt an, noch etwas zu sagen, doch da erhebe ich mich schon von der Bank und verlasse ein „Muss üben" murmelnd die Küche.
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Falling for You ✔
Подростковая литератураChris scheint das perfekte Leben zu führen: Aufstrebender Klavierspieler, Mitglied einer Band und beliebt in der Schule. Doch nicht alles ist so einfach und schön, wie es von außen wirkt. Als der Sieg beim Klavierwettbewerb plötzlich gefährdet wird...