Sixteen

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In all den Jahren, in denen ich oft genug stundenlang am Klavier geübt habe, habe ich mich noch nie so müde gefühlt wie heute, als ich mich durch die Schulflure schleppe. Die Stunden wollen nicht so recht vergehen, doch gleichzeitig kommt die große Pause schneller als mir lieb ist. Da wir gerade Biologie hatten, verlassen wir nach dem Klingeln den Biologiesaal, während ich lächelnd die kopierte Mitschrift eines Mädchens entgegen nehme. Meine Finger schmerzen nicht mehr so sehr wie die letzten Tage, doch trotzdem ist es besser, das Schreiben vorerst einmal sein zu lassen.

„Hey, Chris, gehen wir in die Cafeteria?", fragt Ethan und als ich nicht gleich antworte, runzelt er die Stirn. „Was ist los mit dir, Alter? Du redest ja gar nicht mehr."

„Schlecht geschlafen", murmle ich, was nicht einmal gelogen ist.

„Und du siehst echt scheiße aus", fügt mein bester Freund noch hinzu und grinst, doch mir fehlt die Energie, um zu antworten. „Also, ab in die Cafeteria."

Zögerlich folge ich meinen Freunden und wäge in Gedanken ab, ob es wohl sicherer wäre, zur Klasse zurückzukehren oder sonst irgendwo hinzugehen, als mich eine bekannte Stimme zusammenzucken lässt.

„Chris? Chris!" Miley läuft durch den Schülerstrom auf mich zu und ich unterdrücke den Drang, mich nervös nach einer Fluchtmöglichkeit umzusehen. Jetzt ist er da: der Moment, dem ich entkommen wollte. „Da bist du ja. Du hast meine Anrufe gestern schon wieder ignoriert." Ihre Stimme klingt eher besorgt als vorwurfsvoll. Ich sehe sie nur kurz an, wende dann aber meinen Blick ab.

„Hab viel zu tun."

„Du bist so schnell von der Party verschwunden und ich dachte, es ist vielleicht irgendwas passiert." Sie stockt und seufzt. „Also, was-"

„Hey, Miley. Könntet ihr euer Gespräch vielleicht in der Cafeteria fortführen, ich hab wirklich Hunger", unterbricht Ethan meine Freundin, die ihn daraufhin ansieht, als würde sie jetzt erst bemerken, dass er da ist. Am liebsten wäre ich einfach gegangen und hätte mich daheim in meinem Bett verkrochen, doch ich weiß, dass das keine Option ist.

Wer sich eine Pause gönnt, verliert.

„Könntet ihr nicht einfach vorgehen? Ich würde gerne in Ruhe mit Chris sprechen", probiert es Miley weiter, doch ich weiche ihrem Blick abermals aus. Ethan sieht zuerst Miley und dann mich mit gehobenen Augenbrauen an. Er will sich schon abwenden und wirklich gehen, doch da finde ich meine Stimme wieder und antworte statt ihm.

„Ich hab auch Hunger", höre ich mich sagen und bemerke mit einem Stich in der Brust, wie Mileys Schultern nach unten sacken. Sie sieht mir mit diesem seltsamen Blick hinterher, als ich mich Ethan, Garrett und den anderen anschließe und ich zwinge mich, weiter zu gehen, obwohl ein Teil von mir am liebsten umgekehrt wäre.

All die Fragen, all die ungesagten Dinge und all die Verwirrung, die wie Steine in meinem Magen liegen, ziehen mich nach unten und machen das Gehen zu einem Kraftakt. Immer wieder muss ich mich selbst daran erinnern, meinen Rücken gerade zu halten, obwohl ich das sonst wie von ganz allein funktioniert.

Wer sich entspannt, verliert.

Miley bleibt hinter mir verdattert am Gang stehen, doch ich verschlucke mich, als ich es endlich wieder wage, vom Boden aufzusehen, denn in diesem Moment kommt vor uns noch jemand um die Ecke gebogen.

„Chris."

Mein Magen beginnt sich zu drehen und ich habe das Gefühl, mich gleich in den Mülleimer, der in der Ecke steht, übergeben zu müssen.

„Hey, Chris. Hast du kurz Zeit?"

In dem kurzen Augenblick, in dem meiner Leos Blick trifft, sehe ich Nervosität in seinen Augen, die irgendwie seltsam fehl am Platz wirkt. Wo ist nur sein selbstbewusstes Lächeln hin?

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt