Fifteen

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„Bist du schon nervös wegen des Wettbewerbs in ein paar Tagen?" Die junge Frau gegenüber von mir lächelt mich freundlich an, doch da ich selbst ein Meister im Faken von freundlichen Gesichtsausdrücken bin, erkenne ich sofort, dass es nur aufgesetzt ist. „Oder kennt jemand wie Chris Cornwall so etwas wie Nervosität nicht?"

Schön wär's.

Ich ahme ihren Gesichtsausdruck nach und fahre mir dann lässig mit der linken Hand durch die Haare. „Natürlich bin ich auch öfter mal nervös", gebe ich mit einem gespielten Auflachen zu und lasse die Hand dann wieder sinken. „Die Aufregung verschwindet nie ganz, aber mit der Zeit wird es besser."

Sie nickt und geht dann zur nächsten Frage über. „Wie siehst du deine Chancen am Mittwoch? Fühlst du dich sicher? Wird es einen vierten Sieg in Folge geben?"

Mit dieser Frage habe ich gerechnet. „Sicher ist noch gar nichts. Wer gewinnt, entscheidet sich erst am Tag selbst. Ich habe mich natürlich vorbereitet, aber die Konkurrenz ist nicht zu unterschätzen." Diesmal ist diese Antwort nicht einmal gelogen. Gar nichts ist sicher, denn obwohl Dr. Peters nach viel Überredungskunst meines Vaters zugestimmt hat, dass ich am Wettbewerb teilnehmen darf, verliere ich viel Übungszeit, weil ich mich trotz allem schonen soll. Und seit dem letzten Mal vor der Party, habe ich nicht probiert, auch nur einen Ton zu spielen.

„Natürlich. Trotzdem hast du hohe Erwartungen, habe ich Recht?" Ich sehe der Frau an ihrer Nasenspitze an, dass sie mir meine Antwort nicht abkauft und ich kann es ihr nicht verübeln.

„Ich versuche, die Erwartungen an mich auszublenden und mich auf das Stück zu konzentrieren. In dem Moment zählt nur das Klavier und die Musik", antworte ich souverän und gebe mir einen gedanklichen Schulterklopfer, als ich merke, dass die Journalistin aufgibt.

„Verstehe. Nun, du sagtest bereits, dass du dich gut vorbereitet hast, wie sieht denn dein Alltag zurzeit aus? Wie ist das in den intensiven Wochen vor so einem bedeutsamen Bewerb? Lässt sich das viele Üben denn überhaupt mit der Schule vereinbaren?"

„Es ist nicht immer einfach, aber wenn man es wirklich will, dann findet man einen Weg, das alles gut unter einen Hut zu bringen."

„Ohne dass die Schulnoten darunter leiden?", fragt sie und ich sehe, dass sie eine Chance wittert.

„Ich denke, auch in dem Bereich schlage ich mich ganz gut."

„Darf ich fragen, was ein Klavier-Wunderknabe denn so für einen Notendurchschnitt hat?"

„Eins Komma zwei." Gelassen nehme ich einen Schluck von dem Wasser, das für mich bereitgestellt wurde und betrachte amüsiert das verrutschte Lächeln auf dem Gesicht der Journalistin. Es ist ungewohnt und ich muss mich immer wieder daran erinnern, alles mit meiner linken Hand zu machen, doch es funktioniert besser als gedacht. Den Verband unter meinen weißen Handschuhen, die zu meinem Glück als Pianisten-Accessoire durchgehen, hat bisher noch niemand bemerkt.

„Wow. Beachtlich."

Obwohl mich mein Gegenüber augenscheinlich nicht gut leiden kann, verläuft das Interview gut. Trotzdem sehne ich mir allmählich ein Ende herbei.

„Du übst also sehr viel und bist auch in der Schule gut, wie sieht es dann mit Freizeit aus? Bleibt da noch Zeit für andere Dinge? Hast du sonst irgendwelche Hobbys?"

Bis vor kurzem haben mir gerade solche Interviews Spaß gemacht, in denen ich skeptische Journalisten in ihrem eigenen Fachgebiet schlagen kann, doch heute ist es einfach nur auslaugend.

„Sehr viel Freizeit bleibt da leider wirklich nicht mehr", räume ich ein. „Aber ab und zu kleine Ausflüge und Treffen mit Freunden sind trotzdem möglich. Wenn ich nicht gerade mit meiner Band probe."

Falling for You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt