11. Kapitel - Der Geheimgang

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Als James die Augen öffnete, blendete ihn Sonnenlicht. Er blinzelte. Anscheinend war er tatsächlich nochmal eingeschlafen. Dann kehrten die Ereignisse der Nacht schlagartig zu ihm zurück und er war sofort hellwach. Er setzte hastig seine Brille auf und sah sich als erstes nach Remus um. Zu seiner endlosen Erleichterung, lag der neben Sirius im Bett, schien unversehrt. Aber dann drehte er im Schlaf langsam den Kopf und da sah James, dass auf seinem Gesicht neue Schrammen und Kratzer erschienen waren. Was war in der Nacht passiert? Da regte sich auch Sirius. Er blinzelte kurz und zeigte dann dieselbe Reaktion wie James. Sein Kopf zuckte sofort nach rechts, um nachzusehen, ob Remus zurück war. Dann entspannte er sich, hob aber direkt wieder den Kopf. Anscheinend hatte auch er die Kratzer bemerkt. Sirius wandte den Kopf und sah James an. Was ist passiert?, schien sein Blick zu sagen, aber James konnte nur die Schultern zucken. Er hatte keine Ahnung. Für seinen Geschmack hatte er von viel zu vielen Dingen, die in den Mauern von Hogwarts vor sich gingen keine Ahnung. Sirius hob den Kopf etwas weiter, um nach Peter zu sehen. Er schlief noch. Eine Weile war es noch ruhig im Schlafsaal, bis allmählich weitere Schüler erwachten, darunter auch Remus und Peter. James und Sirius machten ihnen Handzeichen, ihnen zu folgen. Die Vier liefen die Treppe hinunter in den Gemeinschaftsraum. Zu ihrer großen Enttäuschung waren schon einige Schüler dort, also konnten sie hier unmöglich über die letzte Nacht sprechen, es gab viel zu viel, dass definitiv niemand außer ihnen erfahren durfte. Also gingen sie zurück in den Schlafsaal, zogen sich an und verließen den Gryffindor Turm. Es war das Wochenende vor Ferienbeginn und es herrschte schon eine allgemeine Urlaubsstimmung und die meisten freuten sich darauf, für zwei Wochen nachhause zu ihren Familien zu fahren. James hatte überlegt ebenfalls zu seinen Eltern zu fahren, sich dann aber dagegen entschieden. Und zwar schon vor dieser Nacht, denn die hatte sowieso sämtliche Planungen über den Haufen geworfen. Er wollte nicht in seine glückliche Familie fahren, während Sirius blieb, statt zu seiner schrecklichen Familie zu gehen, Remus blieb, statt in das Elendsviertel, aus dem er kam, zurückzukehren und warum Peter blieb, wusste er zu seinem eigenen Erstaunen nicht einmal. Was war er für ein Freund? Aber darüber würden sie später reden. Nun waren sie auf dem Weg zu ihrem Lieblingsort, wenn es darum ging Gespräche zu führen, die nicht unbedingt jeder hören sollte. Und eigentlich war es generell ihr Lieblingsort. Das Ufer des Schwarzen Sees. Sie hatten einen Kürbis mitgebracht (Warum standen Riesenkraken auf Kürbisse? Die gab es doch unter Wasser nicht einmal!) und schleuderten ihn in hohem Bogen auf den See hinaus, wo der Riesenkrake, der sie inzwischen schon kannte und sie als Nahrungsquelle zu schätzen wusste, unauffällig eine Armspitze aus dem Wasser hob, um den Kürbis unter Wasser zu ziehen. Dann sahen sich die vier Jungen noch einmal um und ließen sich dann im Gras neben dem Wasser nieder. Am See waren eher selten Leute. Die meisten hielten sich eher in der Nähe der Gewächshäuser auf, wo den ganzen Tag die Sonne hin schien und auch außerhalb der großen Glaskästen viele hübsche Pflanzen gepflanzt waren. Trotzdem senkte James die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern, als er begann Remus von der vergangenen Nacht zu erzählen: „Wir haben eine unglaubliche Nacht hinter uns. Zuerst eine Frage: Wo zur Hölle warst du?", James sah, wie Remus erbleichte, aber er fuhr fort. Das hatten sie so besprochen, damit Remus sich nicht wieder so ausgenutzt fühlte. Das sollte er nie wieder. „Egal, antworte später", schob James dann direkt hinterher und fuhr fort, „Jedenfalls sind wir aufgewacht und haben gemerkt, dass du verschwunden warst. Dann sahen wir, wie McGonagall, Dumbledore und du zur peitschenden Weide gegangen seid und sie dich allein haben da rein gehen lassen." Remus wurde noch etwas blasser, aber sie hatten sich geeinigt nicht auf jegliche Reaktion einzugehen. „Wir haben uns Sorgen gemacht, also sind wir los um dich zu suchen. Wir wussten ja nicht, wo du rauskommst und wie du zurück kommen sollst ohne von der peitschenden Weide abgemurkst zu werden", ergänzte Peter. Sirius nahm den Faden der Geschichte wieder auf und berichtete den Rest, von dem zufällig belauschten Gespräch, wie Hawk sie erwischt hatte und von James kaltschnäuziger Erpressung. Während Sirius erzählte, fiel Remus die Kinnlade herunter und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Spannung und Neugier vertrieben die Angst auf ihre Frage zu antworten. James beobachtete ihn aufmerksam. Die Kratzer waren schon wieder fast verheilt. Vermutlich hatte Madame Pomfrey ihn, nach seiner Rückkehr, direkt verarztet. Trotzdem wirkte er ausgezehrt und erschöpft. Es störte James massiver als er zugeben wollte, dass er nicht wusste, was mit einem seiner besten Freunde los war. Er hatte offensichtlich Probleme, wollte sich anscheinend aber nicht von ihnen helfen lassen. Aber er wollte ihn nicht drängen, um ihn nicht ein zweites Mal zu verlieren. Aber warum sprach er nicht mit ihnen? Vertraute er ihnen nicht? Der Gedanke schmerzte ein wenig. Aber vielleicht gab es ja auch einen anderen Grund, dass er ihnen nichts sagen wollte. James war so vertieft in seine Gedanken, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Sirius fast fertig war mit Erzählen. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Sirius und lauschte der Geschichte. Er selbst hatte sie erst vor wenigen Stunden erlebt und doch klang sie so surreal. Aber Remus schien ihnen ohne Vorbehalte zu glauben. Als Sirius geendet hatte, schwieg Remus und ließ sich ein wenig im Gras zurücksinken, um alles, was er gerade erfahren hatte, zu verarbeiten. „Ich kann es nicht glauben. Da bin ich einmal nicht da und direkt passiert sowas!", brachte er dann hervor und wirkte ein wenig fassungslos. „Wenn wir gerade schon beim Thema sind", begann James vorsichtig, „wo warst du denn eigentlich genau? Das war ja überhaupt nur der Grund dafür, dass wir überhaupt draußen waren in der Nacht." Remus sah ihn an und James konnte in seinen dunkelbraunen Augen förmlich sehen wie die Gedanken dahinter arbeiteten, Argumente gegeneinander abwogen und er schließlich zu einem Entschluss zu kommen schien. Aber er sagte nichts. „Remus, du weißt, du musst es uns nicht sagen", meinte James, „wir wollen das nicht wissen, weil wir es einfach wissen wollen, sondern weil wir uns Sorgen gemacht haben und weil wir dir helfen wollen. Aber wenn du das nicht willst, ist es okay für uns." Remus nickte und antwortete im Brustton der Überzeugung: „Das weiß ich. Ich habe euch nicht vertraut und ich weiß, dass das ein Fehler war, ich weiß, dass ihr sowas nie tun würdet." James fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Er konnte kaum sagen, wie viel ihm dieses Vertrauen bedeutete. „Aber", fuhr Remus fort, „ich kann nicht mit euch darüber sprechen. Ich würde gerne, wirklich, aber... Ich habe Angst, nicht vor euch, sondern UM euch. Ich werde euch auf keinen Fall in diese Angelegenheit mit hineinziehen. Ich weiß was ihr jetzt denkt, dass es schon nicht so schlimm sein kann, dass euch das nichts ausmacht. Aber selbst wenn, ich kann das vor mir selbst einfach nicht verantworten, versteht ihr?" Er sah sie an, sein Blick auf dem schmalen Grad zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Auch, wenn James gern gewusst hätte, was los war, war er trotzdem dankbar, dass Remus ihnen gegenüber ehrlich war, anstatt sich etwas auszudenken. Genau wie sie ehrlich zu ihm gewesen waren. Sirius ergriff das Wort: „Du hast vollkommen recht." Alle sahen ihn überrascht an. „Ich denke wirklich, dass es nicht so schlimm sein kann und ausmachen tut es mir erst recht nichts. Aber wir werden deine Entscheidung respektieren Remus und nicht weiter fragen. Und was deine Angelegenheiten betrifft... Wir werden uns jederzeit mit Freuden hineinstürzen!" Remus lachte und Sirius grinste, fügte dann aber ernster hinzu: „Wirklich Remus, egal was es ist, du kannst dich auf uns verlassen und ob du es uns sagt oder nicht, du bist nicht alleine." Remus lächelte jeden von ihnen dankbar an und es war ihm anzusehen, wie viel ihm das bedeutete. „Na dann, jetzt wo das geklärt wäre", sagte Peter und stand voller Tatendrang auf, „wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir noch einen Plan!" „Was für ein Plan?", fragte Remus irritiert. „Oh!", rief James, „Wir haben vor lauter rührenden Versprechungen ganz vergessen, dir von unserem Plan zu erzählen!" Remus sah ihn mit skeptisch erhobenen Augenbrauen an. James grinste, als er sagte: „Wir werden, nach den Gemeinschaftsräumen der Slytherins suchen und versuchen hinein zu kommen, um dieses mysteriöse Buch zu finden." „Der Plan scheint mir zwar nicht ganz wasserdicht, aber ich bin dabei!", rief Remus und sprang auf. Er reichte James und Sirius die Hand und sie zogen sich hoch. Dann liefen sie nebeneinander auf das Eingangsportal zu, um ihren Plan in die Tat umzusetzen.

James  Potter und die Rumtreiber - Der geheime PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt