24. Kapitel - Die Rettung

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Die Zeit schien still zu stehen. Mit einem Mal registrierte James jedes kleinste Detail, jedes Steinchen im Schlamm, jeden Holzsplitter, der sich vom Holz der Tribüne löste. Und da war noch etwas. Plötzlich sah James etwas weiter links und ungefähr einen Meter unter ihm ein helles Glitzern. Es war als wäre sein Gehirn auf der Tribüne zurückgeblieben, er konnte nicht denken, er nahm einfach nur alles wahr, es passierte einfach, ohne dass er Einfluss darauf hatte. Da schien ein eigenartiger Reflex zu übernehmen, ein Gefühl, das ihm wage bekannt vorkam. Einen Augenblick flogen vor seinem inneren Auge zwei Bücher durch die Luft, dann sah er wieder klar. Das Glitzern. Er wusste nicht, wie er diese Kontroller über seine Muskeln aufbrachte, aber er warf seinen Körper in der Luft herum und seine Hand schnellte blitzschnell vor, was für ihn, vollgepumpt mit Adrenalin, schien als bewege er sich langsam und kontrolliert. Als sich seine Faust schloss, spürte er kühles, feuchtes Metall. Der kleine Gegenstand war rund und schien zu zappeln, um sich glitschig und nass wie er war, aus seiner Faust zu winden. Aber James hielt ihn fest, auch wenn er nicht wusste warum. Noch immer hörte er nichts außer dem heulenden Wind in seinen Ohren und entferntem Jubel. Wie durch Watte hörte er, wie die Anfeuerungsrufe zu entsetzten Schreien wurden. Dann sah er den Boden direkt vor sich. Einen Herzschlag später, spürte er einen harten Aufprall. Alles in ihm wurde zusammengepresst und der losgelöste Teil seines Bewusstseins, der alles genau wahrnahm und seltsame Verbindungen herstellte, dachte an das Apparieren mit Sirius Vater. Er blinzelte, sah wie erste Leute über das Spielfeld rannten. Dann verlor er das Bewusstsein.

Als er die Augen wieder aufschlug, konnte nicht viel Zeit vergangen sein. Er war noch immer auf dem Spielfeld, aber er lag auf dem Rücken und sah unzählige Gesichter über sich. In seiner Hand spürte er ein schwaches Flattern. Da erst bemerkte er, dass McGonagall über ihm kniete und ihrem Zauberstab über sein Gesicht hielt, während sie einige Worte murmelte. James strampelte sich frei und wich ein wenig zurück. Er mochte McGonagall, aber das war wirklich zu nah für seinen Geschmack. Da sah er, dass Sirius und Remus hinter ihr standen. Peter kam gerade keuchend angelaufen und blieb ebenfalls hinter ihr stehen. „Was ist passiert?", stotterte James verwirrt. „Sie sind von der Tribüne gefallen", antwortete McGonagall und sah ihn besorgt an, „Was fühlen Sie? Wo tut es weh?" Tatsächlich fühlte er gar nichts, aber das könnte vielleicht eine beunruhigende Antwort sein, also murmelte er: „Gut, alles gut." McGonagall sah ihn skeptisch an. Noch immer öffnete er seine Faust nicht, er war nicht sicher, ob er sie überhaupt noch öffnen konnte. Wieder spürte er dieses Rumoren, wie ein gefangenes Tier. Da hörte er erstes Geflüster, sah Schüler, die auf seine geschlossene Faust deuteten. Da erst fiel ihm selbst ein mal nachzusehen, was er da überhaupt so krampfhaft festhielt. Er sah nach unten und ihm blieb die Luft weg. Er konnte es nicht glauben. In seiner Hand flatterten tatsächlich Flügel, kleine, goldene, filigrane Flügel. Er hatte den goldenen Schnatz gefangen. Es war, als wäre sein Gehirn ihm doch noch von der Tribüne aus hinterher gesprungen und nun mit einem gewaltigen Schlag in seinen Schädel zurückgekehrt. Er hatte den Schnatz gefangen. Er hatte im freien Fall den Schnatz gefangen! Er konnte es nicht glauben. Sein Blick huschte sofort zu seinen Freunden. Sirius sah absolut begeistert aus und Remus hob anerkennend die Augenbrauen. Peter schien vor Bewunderung beinahe zu platzen und bei seinen großen Augen musste James ein Grinsen unterdrücken. Aber dann kamen mit seinem Gehirn auch die Schmerzen und nicht zu grinsen war ihm noch nie so leichtgefallen. Er krümmte sich zusammen und presste eine Hand auf seinen Brustkorb. Als er Luft holte sah er erst schwarz und hatte dann ein weißes Glühen vor Augen, als unglaublicher Schmerz sich in dünnen Spitzen durch seinen Körper zu bohren schien. „Potter, Sie müssen sofort in den Krankenflügel", ordnete McGonagall an, stand auf und hob ihren Zauberstab. Sie schwang ihn durch die Luft und obwohl sie keine Worte benutzte, erkannte James an der Bewegung, dass es sich bei dem Zauber um Windgardium Leviosa handelte, den Schwebezauber. Er spürte sich selbst leicht werden und sah wie er in die Luft stieg. Das Gefühl war unglaublich, das hatte er bisher nur auf dem Besen gehabt. Obwohl ihm der Besen deutlich lieber war, dort hatte er die Kontrolle. „Bewegen Sie sich nicht, Potter", befahl Professor McGonagall, „Ihre Rippen sind möglicherweise gebrochen und wir wollen wirklich nicht, dass sich diese durch Ihre Lunge bohren." Das überzeugte ihn. Obwohl er sich aufrichten wollte, um wenigstens einigermaßen würdevoll auszusehen, gehorchte er und rührte sich nicht. Er wurde von McGonagall in den Krankenflügel eskortiert, wo Madame Pomfrey McGonagalls Theorie bestätigte. Drei Rippen waren gebrochen, und das Handgelenk, das bei der Landung unter seinem Körper begraben worden war, war schwer geprellt. „Kopf hoch, bis morgen kriege ich dich wieder hin", ermunterte ihn Madame Pomfrey freundlich und er rang sich ein Lächeln ab. Sie verabreichte ihm einen einfach widerlichen Saft, damit seine Knochen wieder zusammenwuchsen und ließ ihn dann allein, damit er sich ausruhen konnte. Sie schickte alle Schüler weg, die ihn anstarren und mit ihm reden wollten. Er versuchte zu schlafen, aber grauenhafte Schmerzen in seiner Brust hielten ihn wach. Irgendwann erschien Professor McGonagall an seinem Bett und fragte: „Wie fühlen Sie sich, Potter?" „Ätzend", antwortete James und versuchte sich aufzurichten, zuckte aber sofort zusammen und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Es beunruhigte ihn, dass McGonagall hier war. Sie wird mich doch jetzt nicht von der Schule werfen, oder? In diesem Zustand? „Nun, das kann ich mir vorstellen, auch ich bin schon in den Genuss dieses schrecklichen Skele-Wachses gekommen", erzählte sie und nickte in Richtung der Flasche auf seinem Nachttisch, die Madame Pomfrey dort stehen gelassen hatte, „aber eigentlich wollte ich Sie etwas fragen." Nicht gut, dachte James und versuchte sich einigermaßen aufrecht zu halten, falls sie ihn nun rauswarf, wollte er dabei nicht wie ein Häufchen Elend aussehen. „Ich hoffe dafür ist es nicht zu früh und ich bin jetzt zu taktlos", begann McGonagall vorsichtig, „aber könnten Sie sich vorstellen, nächstes Jahr für Gryffindor als Sucher zu spielen?" James fiel die Kinnlade herunter. „W-was?", fragte er stotternd, „Warum? Sie haben mich doch noch nie spielen sehen!" McGonagall lächelte leicht. „Potter, Sie haben im freien Fall, einem absoluten Ausnahmezustand, bei Wind und Regen einen Schnatz gefangen." Nun, da sie es sagte, wurde James erst klar, wie beeindruckend das klang, auch wenn es eigentlich nur ein reiner Reflex gewesen war, der den Schnatz gefangen hatte. „Professor, ich fühle mich wirklich geehrt, aber das war reiner Reflex und-", versuchte er zu erklären, aber McGonagall unterbrach ihn, „Eben! Das ist der Reflex eines Suchers, Potter." James schwieg. Er konnte es nicht glauben. „Also?", fragte McGonagall noch einmal. Da erwachte James aus seiner Starre: „Ja! Ja, natürlich!" McGonagall lächelte zufrieden. „Hervorragend", sagte sie beschwingt, „Das Training beginnt nach den Ferien, Sie werden genau wie alle anderen Teammitglieder einen Trainingsplan erhalten. Und nun lasse ich Sie am besten in Ruhe gesund werden." James nickte perplex. „Gute Nacht, Mr. Potter und gute Besserung." Damit verschwand sie durch den Vorhang, von dem jedes einzelne Bett umgeben war. James lag einfach nur da und grinste. In seinen Gedanken raste er bereits auf einem neuen Besen über das Spielfeld, in der Hand den flatternden, goldenen Schnatz, während sein Haus ihm zujubelte. Er wurde von einem Geräusch aus seinen Träumereien gerissen. Ein kurzes Schleifen. Er hob den Kopf und sah, dass sein Vorhang zur Seite geschoben worden war. Aber es war niemand dort. Kurz darauf, wurde er wieder geschlossen, aber er konnte noch immer niemanden sehen. Er überlegte schon, wie er die Skele-Wachs-Flasche auf seinem Nachttisch am besten als Waffe benutzen konnte, als plötzlich ein leichtes Flimmern in der Luft erschien und Sirius, Remus und Peter aus dem Nichts vor ihm standen. Neben ihnen fiel der Tarnumhang zu Boden. „James!", rief Peter im Flüsterton begeistert und sah aus, als wolle er sich jeden Moment auf ihn werfen. Sirius grinste ihn an und fragte: „Na, alles klar?", während sich Remus auf dem Fußende seines Bettes niederließ. Auch Sirius setzte sich und Peter rannte auf die andere Seite seines Bettes und setzte sich dort neben Remus. „Was hat denn so lange gedauert?", fragte James grinsend, obwohl er in Wahrheit ziemlich überrascht war. Er freute sich unheimlich, dass sich seine Freunde zu ihm geschlichen hatten. „Beschwer dich nicht, wir mussten warten, bis McGonagall weg war. Was wollte die eigentlich?", fragte Sirius, aber Remus unterbrach ihn: „Wie geht's dir, James?" „Sagen wir so", begann James, „Ich werde garantiert sterben, aber nicht an meinen Verletzungen, sondern an Langeweile!" Seine Freunde lachten und Remus meinte: „Solange du dich noch beschweren kannst, ist ja alles gut." „Ich werde mich mit meinem letzten Atemzug noch beschweren", verkündete James theatralisch und die anderen lachten wieder. Nach den Strapazen der letzten Stunden, tat es gut mit seinen Freunden zu lachen und er fühlte sich besser als es irgendeiner von Madame Pomfreys Säften ihm jemals ermöglichen könnte. „Aber im Ernst, was wollte McGonagall hier?", fragte Peter und klang nun etwas besorgt, "Sie hat dich doch nicht etwa..." „Nein", sagte James und grinste breit, „ihr werdet es nicht glauben." „Komm schon James, spann uns nicht auf die Folter", rief Sirius, gleichzeitig genervt und neugierig. Eigentlich hatte James vorgehabt sie noch länger zu foltern, aber er hielt es nicht mehr aus. „Sie will, dass ich nächstes Jahr im Quidditsch-Team als Sucher spiele!" „Was?!", rief Remus und sein Gesicht leuchtete auf. „Das ist ja der absolute Wahnsinn!", stimmte Sirius mit ein und sprang auf, während er James begeistert ansah. „James, du wirst der Star von Gryffindor!", kreischte Peter. James lachte und freute sich nun noch mehr, da seine Freunde sich so mit ihm freuten. Den Rest des Abends blieben sie bei ihm, bis sie irgendwann die Schritte von Madame Pomfrey hörten, die sich auf den Weg zu James Bett machte. Seine Freunde verabschiedeten sich schnell, wünschten ihm gute Besserung und versprachen ihn am nächsten Tag aus dem Krankenflügel abzuholen. Die Schmerzen der nachwachsenden Knochen hielten James in der Nacht wach. Als seine Freunde am nächsten Morgen wie versprochen erschienen, tat ihm zwar nichts mehr weh, aber er war todmüde, die dritte Nacht in Folge, in der er kaum geschlafen hatte. Als Madame Pomfrey anbot ihn vom Unterricht freizustellen für den Tag, lehnte James zu ihrer Überraschung ab. Er würde auf keinen Fall in irgendeiner Form negativ auffallen, zwar schien McGonagall davon überzeugt, dass er im nächsten Jahr noch da sein würde, aber er wollte ganz sicher sein, bevor er sich entspannte. Für alles andere war ihm Hogwarts einfach zu wichtig.

James  Potter und die Rumtreiber - Der geheime PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt