19. Kapitel - Die Heulende Hütte

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Sirius, Remus und Peter folgten James kurz entschlossen in die Menschenmenge. Hunderte von Hogwarts-Schülern füllten die schmalen Straßen Hogsmeades. James lief zielstrebig weiter, obwohl er genaugenommen keine Ahnung hatte, wohin er lief. Er wollte vorerst aus den Menschenmassen heraus, um mit seinen Freunden zu besprechen, wie genau sie denn die Heulende Hütte finden sollten. Remus ging schnellen Schrittes an ihm vorbei und übernahm die Führung. James war überrascht. Wusste Remus, wo sich die Heulende Hütte befand? Er beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, sondern seinem Freund zu vertrauen und ihm zu folgen. Die richtige Entscheidung. Wenige Minuten später, hatte Remus seine Freunde aus Hogsmeade heraus durch ein kleines Waldstück geführt. Die Bäume waren kahl und wirkten auf seltsame Art bedrohlich, was James nur dazu antrieb sich noch mehr zu beeilen. Schließlich ließen sie die Bäume hinter sich und sahen eine weite Fläche vor sich. Und dort, recht weit entfernt, stand ein einziges Haus. Es wirkte etwas heruntergekommen und James fragte sich, wie lang es wohl schon leer stand. Aber das war in diesem Moment nicht wichtig. Wichtig war, dass drei Gestalten über die weite Fläche liefen, zielstrebig geradewegs auf das berüchtigte Spukhaus zu. Ohne weiter zu überlegen, zog James den Tarnumhang aus seiner Jacke hervor und hielt ihn über seinen Kopf, sodass seine Freunde sich ebenfalls darunter verteilen konnten. Dann liefen sie im Gleichschritt los. Ihr anfangs zu viert holpriger Gang, war nun einheitlich und sie konnten ohne Probleme auf so engem Raum gehen, ohne den Umhang zu verziehen oder gar zu verlieren. Sie holten schnell auf und waren bald nur knapp hinter den drei Blacks. Sie hörten eine unsichere Stimme: „Müssen wir da echt rein? Es reicht doch, wenn wir hier in der Nähe sind, oder hinter das Haus gehen. Außer uns ist sowieso niemand verrückt genug hierher zu kommen, niemand wird hier auftauchen." Es war Andromeda, die sich anscheinend eindeutig Witzigeres vorstellen konnte, als in eisiger Kälte allein in ein Spukhaus zu gehen, das sonst niemand betrat. „Sei nicht so ein erbärmliches Weichei!", antwortete Bellatrix neben ihr und in ihrer Stimme schwang ein Hauch von Verachtung mit. James erkannte sie an den schwarzen Locken, die unter ihrer Mütze hervorquollen. „Wir müssen ganz sicher sein", zischte Narcissa und James konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Sie waren anscheinend ernsthaft paranoid. Aber er würde sich nicht beschweren. Ohne diese Paranoia, hätten sie sie wohl nie gefunden. Die drei Blacks hatten die Tür erreicht. Probeweise klopfte Narcissa, aber natürlich geschah nichts. Dann drückte sie gegen die Tür und der einzige Widerstand, der sich ihr zu bieten schien, war der von seit Jahrzehnten nicht mehr geölten Türangeln. Sie waren schwergängig und quietschten. Andromeda zuckte zusammen und Bellatrix warf ihr mit hochgezogenen Augenbrauen einen spöttischen Blick zu. Narcissa gab den beiden einen ungeduldigen Wink ihr zu folgen. Bellatrix stolzierte an ihr vorbei, während die dritte Schwester folgsam ihnen murrend folgte. Die Freunde sahen sich unter dem Umhang vielsagend an. Der Moment der Wahrheit war gekommen. James warf einen prüfenden Blick auf Peter. Peter erwiderte den Blick und nickte entschlossen. James lächelte ihm ermutigend zu und dann betraten sie, unsichtbar, die berühmte Heulende Hütte.

Innen sah es genauso aus wie man es von einem Spukhaus erwartete. Spinnendweben überall, dicke Staubschichten, alte Bilder von längst Verstorbenen. Alles war wie ein lebendiges Klischee aus einem Gruselroman. Aber doch war da etwas, das James das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es waren nicht die Spinnenweben, nicht der Staub, nicht die quietschenden Türen und auch nicht die Augen, der Verblassten auf den Bildern, die jeden seiner Schritte zu beobachten schienen. Es war das Chaos und die Zerstörung. Zersplitterte Möbel lagen in den Ecken oder auf den Weg, Dielen waren eingebrochen, zerbrochene Bilder und Spiegel auf dem Boden und zerfetzte Tapeten an den Wänden. Narcissa, Bellatrix und Andromeda waren vor ihnen zum Stehen gekommen und sahen sich um, genauso erstarrt, wie James und seine Freunde. Niemand sprach ein Wort. Nur der Winterwind vor den zerbrochenen Fenstern, machte dem Namen des alten Hauses mit seinem schaurigen Heulen alle Ehre. James Blick wanderte über den Möbelfriedhof, den dieses Haus darstellte. Welcher Geist konnte so etwas tun? Da bemerkte er noch etwas. In den hölzernen Türrahmen, auf dem Boden, an den Überresten der Möbel – überall waren Kratzspuren. Riesige Krallen mussten über dieses Holz gefahren sein, in der rasenden Zerstörungswut, der das Haus seinen Zustand wohl zu verdanken hatte. Was auch immer hier hauste, es war kein gewöhnlicher Geist und was immer es war – ganz im Gegensatz zu dem Argument, dass sie verwendet hatten um Peter zu beruhigen – es konnte ihnen zweifellos Schaden zufügen. „S-sicher, dass wir nicht lieber draußen reden wollen?", flüsterte der Junge, als hätte er Angst etwas, das womöglich irgendwo in diesem Haus schlummerte, zu wecken. James verstand diese Angst nur zu gut. Auch die beiden Mädchen wirkten nun etwas verunsichert, aber nach kurzem Schweigen verkündete Bellatrix: „Nein, wir bleiben hier, wenn wir schonmal da sind. Hier wird uns garantiert niemand belauschen können." „Da hast du wohl recht", stimmte Narcissa zu und sah sich ungerührt um. „Also", begann sie dann und James drängte seine Angst entschlossen zurück, er musste jedes Wort mitbekommen, sich alles einprägen. Er konnte nicht zulassen, dass Professor Binns' Schicksal noch andere ereilte. „Wie wir alle wissen, war der Test ein voller Erfolg. Besprechen wir einfach unsere nächsten Schritte und verschwinden dann aus dieser Bruchbude." Die anderen nickten zustimmend und Narcissa fuhr fort: „Wir können auf keinen Fall einen weiteren aktiven Schritt machen, bevor wir nicht mit unseren Eltern gesprochen haben, es muss alles genau abgestimmt sein - ein Fehltritt und..." Ein Schauer schien durch die staubige Luft zu laufen und James meinte ihre Angst für einen Moment spüren zu können. Aber dann schüttelte sie sich leicht und der Moment war vorbei. " Also, in den Osterferien fahren wir nach Hause und nehmen das Buch mit. Der letzte Schritt braucht, wie ihr wisst, extrem viel Vorbereitung, wir müssen alles mit Mutter und Vater genau durchgehen, uns darf wirklich kein kleinster Fehler unterlaufen." „Unser letzter Schritt", korrigierte Bellatrix mit gewichtiger Stimme, „den wirklichen letzten Schritt, wird er selbst machen, auf dem von uns geebneten Weg." „Das Finale wird dann nach den Osterferien erfolgen, denn wenn alles klar und sicher ist, gibt es keinen Grund ihn noch länger warten zu lassen", beendete Narcissa ihren eigenen Satz. Einen Moment herrschte Stille im Haus, selbst der Wind war verstummt. Dann nickte Bellatrix mit dem Kopf in die Richtung aus der sie gekommen waren. Die Richtung, in der James, Sirius, Remus und Peter standen. Sie lief schnellen Schrittes voran und die anderen beiden folgten ihr. Die Freunde sahen einander panisch an. Sirius behielt als einziger einen recht klaren Kopf und schob seine Freunde geistesgegenwärtig zur Seite. Der Boden knarrte und ein lautes Poltern war zu hören, als sich Remus und James auf einer Kommode abfingen, aus der sofort die Schubladen herausfielen und auf dem Boden landeten. Ohne sich noch einmal anzusehen und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rannten die drei Blacks aus dem verlassenen Haus. James, Sirius, Remus und Peter warteten noch ein paar Sekunden, bis sie sicher sein konnten, dass die anderen sie nicht mehr würden hören können. Dann nahmen sie selbst die Beine in die Hand und machten, dass sie nach draußen kamen. Falls das, was dort lebte, von dem Poltern geweckt worden war, wollten sie nicht hier sein, wenn es durch das Haus zu streifen begann, auf der Suche nach dem Auslöser des Geräuschs, das seine Ruhe gestört hatte.

Narcissa, Bellatrix und Andromeda waren schon weit weg, als sie durch die Tür nach draußen traten. Sie rannten um ihr Leben und von der überheblichen Arroganz, die sie sonst zu jeder Zeit an den Tag legten, war nichts mehr auch nur zu erahnen. Als sie über die Hügelkuppe und in den kleinen Wald verschwanden, streifte James den Umhang von ihnen ab und verstaute ihn wieder in seiner Innentasche. Trotz der ernsten Situation, brach Sirius als erstes in Gelächter aus und James konnte nicht anders als einzustimmen. Remus entlockten sie ein Grinsen, nur Peter konnten sie nicht erheitern. Er war blass und es schien als habe er das mysteriöse Poltern gehört und nicht  verursacht. „Wahnsinn, wie die rennen können", brachte Sirius prustend hervor. „Jaaa, ich glaube ich habe im Leben noch niemanden so schnell laufen sehen", japste James, versuchte aber sich einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen, „wir- wir sollten uns echt mal beruhigen." Das gelang langsam, zumindest soweit, dass sie wieder gehen konnten. Sie machten sich auf den Weg in Richtung des Waldes und kamen wieder zu Atem. „Was sagt ihr dazu?", fragte Remus schob aber an Sirius gewandt direkt hinterher, „Nein, nicht zu ihrer Geschwindigkeit und auch nicht zu ihrer Eleganz beim Rennen." Das brachte Sirius nur dazu erneut los zu prusten, während James antwortete: „Ich würde sagen, wir haben Glück. Es bedeutet in jedem Fall, dass wir noch einige Wochen Zeit haben, bevor wieder etwas passiert." Remus nickte zustimmend. Sirius schien ein ernster Gedanke gekommen zu sein, denn sein Lachen erstarb von einem Moment auf den anderen. „Wir brauchen dieses verdammte Buch und wir müssen rausfinden, welches 'Finale' sie mit meinen Eltern besprechen wollen. Und für beide Probleme gibt es genau eine Lösung." Sirius Augen schienen um einige Nuancen dunkler zu werden, wie immer, wenn er an seine verhasste Familie dachte. „Sieht so aus, als würde ich in den Ferien nach Hause fahren."

James  Potter und die Rumtreiber - Der geheime PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt