#3 - new friends

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song für's chapter: LAYING IN THE SNOW - LEFT BOY
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Ich folgte Hannah durch einen langen Gang bis in den großen Aufenthaltsraum. Erst jetzt bemerkte ich wie groß die Schule tatsächlich war. Der Gang war gefüllt von Kindern aller Größen, die in schnellem Tempo umher rannten und dabei den Geräuschpegel ganz schön in die Höhe schnellen ließen.

Um ein Haar hätte ich Hannah verloren, die gerade scharf nach rechts abgebogen war und fast in der Menge verschwand, aber ich bekam es zum Glück noch rechtzeitig mit. Sofort war ich wieder an ihrer Seite und fragte sie - obwohl ich ihr eigentlich aufgrund der Lautstärke mehr ins Ohr schrie - etwas verwirrt: "Ist das hier immer so voll?"

"Nee, eigentlich nicht so schlimm", antwortete sie und schenkte mir ein Lächeln, "ist bestimmt nur wegen dem ersten Schultag."

Dann rannte sie auf einmal los und ich blieb erneut ein Stück zurück. Ich folgte ihr mit meinem Blick und erkannte sofort ihr Ziel. Sie umarmte gerade schwungvoll einen großen Jungen und danach ein kleineres Mädchen mit schwarzen Haaren. Die beiden sahen auf den ersten Blick echt nett aus und anscheinend waren es gute Freunde von Hannah.

Dann drehte sich Hannah zu mir um und lächelte mich an. Sie winkte mich mit ihrer Hand zu sich und ich schloss die letzten Meter zu ihr auf.

"Leute, das ist Dreylis, unsere kleine Draufgängerin", stellte sie mich vor und präsentierte mich mit ihren Händen.

"Eigentlich überhaupt nicht, ich bin sonst immer voll nett", verteidigte ich mich und schob meine Unterlippe ein Stück heraus.

"Das glaub ich dir nicht", meinte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie grinste mich spöttisch an und ich fühlte mich sofort wohl mit ihr. Wir hatten schon jetzt diese lockere freundschaftliche Verbindung.

"Ich glaub dir", schaltete sich der Junge ein und schenkte mir ein Lächeln. Ich wendete mich ihm zu und erwiderte es augenblicklich. Gott, wenn alle Männer hier so heiß waren... Ich war im Himmel!

"Danke, unbekannter Mensch", meinte ich zu ihm.

"Jonas", stellte er sich vor und hielt mir die Hand hin. Ich drückte seine Hand und schenkte ihm erneut ein Lächeln.

"Hi?", begrüßte ich ihn, weil ich nicht wirklich wusste, was ich sagen sollte, während seine warmen braunen Augen mich neugierig musterten.

"Das hatten wir schon", unterbrach Hannah lachend unseren Augenkontakt und stupste mich von der Seite an. Dann zeigte sie auf das Mädchen links von ihr und sagte: "Das hier ist Maite. Und damit hast du auch schon meine besten Freunde kennengelernt. Wenige, aber dafür richtige."

Ich grinste sie an, da ich total ihrer Meinung war. Vor dem Umzug hatte ich auch nur eine beste Freundin gehabt, deswegen fand ich es schön, dass sie ebenso dachte und es genauso kannte.

"Hey, Dreylis", meinte das Mädchen zu mir und grinste mich mit perfekt geraden, weißen Zähnen an. Ich rechnete es ihr hoch an, dass sie sich meinen Namen gemerkt hatte. Er war ja nun nicht gerade der typischste.

"Maite, richtig?", fragte ich vorsichtshalber noch einmal nach und drückte ihr dann ebenfalls die Hand, während sie zur Bestätigung nickte. Hannahs Freunde waren mir genauso wie sie selbst sofort sympathisch und ich beschloss, ihnen eine Chance zu geben.

"Übrigens danke, dass ihr mich so einfach bei euch aufnehmt", bedankte ich mich und lächelte einmal in die Runde.

"Klar", kam von allen zurück und wir lachten zusammen. Es war ein schönes Gefühl, so schnell Anschluss gefunden zu haben und ich genoss das erst einmal.

"Wo kommst du eigentlich her?", fragte Hannah mich auf einmal und ich spürte, das gleich eine Welle von Fragen über mich einbrechen würde. Also bemühte ich mich, die Fragen zu beantworten.

"Aus einer winzigen Kleinstadt in der Nähe von Berlin, aber ist unwichtig", meinte ich und hoffte, dass sie nicht weiter nachfragen würden. Doch zu früh gefreut.

"Und warum bist du jetzt hier?", fragte Hannah weiter nach.

"Probleme mit meinen Eltern", meinte ich kleinlaut und hoffte, dass ich so deutlich machte, dass ich nicht darüber reden wollte. Es war schwierig, überhaupt mit dem Thema umzugehen und es fiel mir nicht leicht, es zu erzählen. Und schon gar nicht Menschen, die ich erst heute kennengelernt hatte. Egal, wie nett sie waren.

"Und bist du jetzt hier ganz alleine?", fragte Maite mich. Das war glücklicherweise einfacher zu beantworten und ließ mich wieder etwas lächeln.

"Nein, ich wohne mit meinem großen Bruder zusammen. Aaron. Er studiert hier in Köln", erzählte ich, wurde dann aber von der lauten Schulglocke unterbrochen.

Ich atmete tief durch und holte dann schnell mein Handy heraus, um zu schauen, was für Fächer ich heute noch so hatte. Noch zwei Stunden Englisch und zwei Stunden Geschichte. Das war auszuhalten.

"Hat jemand von euch jetzt auch Englisch bei Gra? Und danach Geschichte bei Mit?", fragte ich meine neuen Freunde und las die Lehrerkürzel vor. Jonas nickte bei beidem und wir grinsten uns an.

Dann warf ich noch einen Blick runter auf den Stundenplan auf meinem Bildschirm und stellte fest, dass ich vorhin Deutsch gehabt hatte. Bei jemandem mit dem Kürzel Vdl. Was war das denn für ein komischer Name? Keine Vokale?

Kopfschüttelnd sperrte ich mein Handy und ließ es wieder in meiner Tasche verschwinden. Ich würde an so jemanden keine Zeit verschwenden, der Typ hatte doch einen an der Klatsche.

***

Nach der sechsten Stunde kam ich völlig fertig mit den Nerven aus dem Geschichtsunterricht. Anfangs hatten Jonas und ich noch viel miteinander geredet, doch dann hatte die Lehrerin uns allen 30 Seiten zu lesen gegeben und wir hatten keine Gelegenheit mehr dazu gehabt.

Meine Gedanken waren komplett erfüllt mit verschiedenen Definitionen der Nation und des Nationalgefühls, sodass ich wenig darauf achtete, wo ich hinlief. Ich war fast aus der Schule heraus, als ich um eine Ecke und sofort gegen jemanden lief.

"Boah, pa-", wollte ich den Jungen vor mir gerade anschnauzen, als ich hochschaute und das Gesicht erkannte. Es war schon wieder mein Lehrer. Mein Deutsch-Lehrer mit dem komischen Kürzel. Ich verstummte sofort und wollte am liebsten im Erdboden versinken.

"Wo wollen sie denn hin, Dreylis? Muss ich sie noch einmal daran erinnern, dass sie einen Termin bei der Schulleiterin haben?", fragte er mich, während sich seine Augenbrauen zusammenzogen.

Ich nickte einmal stumm und blickte auf den Boden zwischen uns.

"Und achten sie bitte etwas mehr auf ihren Ton, besonders im Umgang mit Lehrpersonen", ermahnte er mich. Ich blickte zu ihm auf. Wie konnte jemand so intellektuell und trotzdem so nervig sein? Es wirkte fast so, als ob es ihm Spaß machte.

Erst jetzt fiel mir auf, wie groß er wirklich war. Zwischen uns lagen bestimmt zwei Köpfe, was bei meinen 1,69 Metern nicht schwierig war. Er stand ziemlich nah vor mir, sodass ich seine Augenfarbe besonders deutlich erkennen konnte, und ich versank erneut in diesem wunderschönen Meeresblau.

Doch dann zwang ich mich selbst zur Ordnung, wendete meinen Blick ab und ging an ihm vorbei zum Büro der Schulleiterin. Ich würde dieses unnötige Gespräch nun einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen.

teach me. | dnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt