#12 - escape

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song für's chapter: TO Ü FEAT. ALUNAGEORGE - SKRILLEX X DIPLO
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"Welche Sorte hätten sie gerne, Dreylis?", fragte mich Herr von der Laden von der Seite, während er sein Portemonnaie aus seiner hinteren Hosentasche herauszog. Ich blickte über die vielen Eissorten mit zum Teil unaussprechlichen Namen oder Eigenkeationen, die ich noch nie gehört hatte. Bevor ich mich vergriff, wählte ich doch lieber meine Lieblingssorte.

"Eine Kugel Schokolade im Becher, bitte!" Ich warf der Frau hinter dem Tresen ein Lächeln zu und verfolgte mit meinem Augen ihre Bewegungen. Die Eiskugel befand sich schnell im Becher, den ich dankend entgegen nahm.

"Ich hätte gerne eine Kugel Amarena-Kirsch", bestellte dann der junge Mann neben mir. Das klang lecker, hätte ich vielleicht auch nehmen können. Eins musste man ihm lassen, er hatte Geschmack.

"Wollen wir uns eine freie Bank im Park suchen?", fragte Herr von der Laden, während wir gemeinsam die kleine Eisdiele verließen. Laut ihm war es die beste Eisdiele Kölns und ich war schon gespannt darauf, das auszutesten.

Schnell nickte ich und wir liefen in Richtung der kleinen Grünfläche, die umrahmt von den vielen Hochhäusern wie das Paradies wirkte. Ich fand die Situation immer noch komisch und kam nicht drum herum, mich unwohl zu fühlen. Immer wieder warf ich Herrn von der Laden einen interessierten, aber gleichzeitig auch verwirrten Blick zu und fragte mich, wie es dazu gekommen war, dass sich unsere Nachsitzstunde in eine Stunde Eis essen verwandelt hatte.

Wir ließen uns nebeneinander auf einer Bank nieder und ich probierte den ersten Löffel von meinem Eis. Und ja, es war echt verdammt lecker! Schokoeis mit Schokostückchen - was gab es Besseres?

"Haben sie sich eigentlich so langsam hier in Köln eingelebt?", ertönte die tiefe Stimme neben mir. Verwundert blickte ich auf und fragte mich augenblicklich wie er es schaffte, seine Eiswaffel so elegant zu essen. Sofern ein wenig geschmolzen war und drohte herunterzulaufen, schnellte seine Zunge nach vorne und entfernte das Missgeschick.

Und mein Eis schmolz einfach in der Mittagssonne vor sich hin, sodass ich inzwischen im Grunde einen Becher Milchshake hatte.

Aber was war nochmal seine Frage gewesen?

"Ja, habe ich", antwortete ich, bevor ich feststellte, dass die Antwort zu knapp war und hinzufügte, dass ich Freunde gefunden hatte, mich gut mit meinem Bruder verstand und es auch in der Schule gut lief.

"Das freut mich", lächelte er mir zu, während seine Augen in der Sonne glitzerten. Schnell schaute ich auf den Boden vor mir, um diesem intensiven Blick zu entkommen. Ich verstand absolut nicht, warum mich das so sehr berührte, aber es gefiel mir nicht.

Vor meinen Augen tauchte Jonas' Gesicht auf und ich schüttelte meinen Kopf, um meine Gedanken abzuschütteln. Ich war glücklich mit Jonas, ich wollte nur ihn. Aber warum fühlte ich mich dann gerade so, als ob ich ihn betrügen würde?

Verunsichert löffelte ich mein Eis weiter, ohne meinem Lehrer noch einen Blick zuzuwerfen. Die Situation war nun noch komischer, als sie eh schon war und am liebsten wäre ich weggelaufen, um all dem hier zu entkommen.

Nach einer Weile ertönte ein Räuspern links neben mir und schließlich blickte ich doch zu Herrn von der Laden auf, der inzwischen aufgestanden war. "Ich muss nun auch wieder gehen, der Nachmittagsunterricht ruft."

Ich nickte zustimmend und sprang auf. Diesen Fluchtweg wollte ich nur allzu gerne nutzen. Doch leider war ich wohl etwas zu euphorisch, sodass ich umknickte und unglücklich dem Boden näher kam. Kurz bevor ich aufschlug, spürte ich dann allerdings starke Arme meine Hüfte umschlingen, die meinen Fall verhinderten.

Erstaunt blickte ich auf - direkt in Herrn von der Ladens Augen. Wieder einmal stellte ich fest, wie groß er war. Aber das war Nebensache. Er hatte mich gerade gerettet und aufgefangen. Für einen Moment schauten wir uns nur an. Seine Arme lagen immer noch auf meiner Hüfte und er hatte mich bei dem Versuch, mich vor dem Fall zu bewahren, an seine Brust gezogen.

Dann wurde mir klar, wer die Person vor mir war und in welcher komischen Situation wir uns schon diese ganze gemeinsame Stunde über befanden hatten. Ruckartig trat ich einen Schritt zurück, woraufhin er seine Armen sinken ließ und mich somit freigab.

Frei.

Ich nickte ihm noch einmal kurz zur Verabschiedung zu, drehte mich dann um und machte mich aus dem Staub. Ich wollte möglichst viel Entfernung zwischen den mysteriösen Mann und mich bringen und diese komplette Stunde einfach vergessen, verdrängen, ignorieren.

teach me. | dnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt