Die weißen Wolken hängen, bauschig wie Zuckerwatte, am strahlend blauen Morgenhimmel. Langsam wandern sie, vom Wind getrieben, umher und ziehen den Blick des blonden Mannes auf sich. Sein Gesicht wirkt kantig und hart, genauso wie sein muskulöser Körper, doch sein Inneres ist weich und voller Güte. Der kühle, morgendliche Wind weht durch die belebten Straßen New Yorks und rüttelt den Ex-Soldaten langsam wach, während ihn der schwarze Kaffee in seinen Händen aufwärmt. Die Füße hat er auf einem kleinen Hocker abgelegt.
Bedächtig schließt Steve seine Augen und genießt die Frischluft. Der Mann lauscht dem Geräusch der Autos, die über die Straße rasen, an einer Ampel kurz anhalten und dann wieder abrupt anfahren. Nach kurzer Zeit zeigt sich ihm eine Regelmäßigkeit in diesem Verhalten, der sich mit dem rauschen, der fallenden Herbstblätter vermischt.
Zwar ist seine Umwelt heute nicht anders als sonst, doch trotzdem kribbelt an diesem Tag etwas in seinem Bauch, was ihn fast verrückt macht, denn für ihn ist das hier etwas völlig besonderes. Nicht, dass er zum ersten Mal auf dem Balkon seiner Wohnung sitzt oder dass er zum ersten Mal Kaffee trinkt, doch es ist sein erster vollkommen freier Tag. Das wirklich besondere daran ist, dass er, im Gegensatz zu sonst, weder auf einer Mission ist, noch die ganze Nacht durchgearbeitet hat. Stattdessen hat er mal in seinem eigenen Bett geschlafen und mal keinen Papierkram machen müssen.
Plötzlich hört er, wie sich die Glastür neben ihm öffnet und schlägt augenblicklich die Augen. Im Türrahmen steht ein Mann mit langem braunen Haaren und einem metallenen Arm, den er allerdings zum Teil unter dem Ärmel seines weißen Pullovers versteckt hält. Ein breites Grinsen hat sich auf seine Lippen geschlichen und zu Steves Verwunderung ist es das Echteste und Liebevollste, dass Bucky ihm ja geschenkt hat. Langsam kommt der Dunkelhaarige auf den Blonden zu und legt ihm die Arme um den Hals: "Und? Genießt du deinen ersten Morgen ohne die Avengers?" "Es klingt vielleicht komisch, aber das tue ich tatsächlich. Ich hätte nie gedacht, dass es so erfüllend sein würde, nicht mehr im Dienst zu sein. Irgendwie fühle ich mich endlich wieder richtig frei", er schaut seinem Freund tief in die Augen.
"Sagt der Mann, der früher unter allen Umständen zur Armee wollte", neckt der Winter Soldier, doch Steve kennt ihn gut genug, um zu wissen, dass es ihm dabei nicht anders geht. "Ich hab diesem Land lange genug gedient", seufzt er: "diese Auszeit brauche ich einfach mal." "Du hast sie dir aber auch wirklich verdient. Schließlich hast du so viel geopfert, mein Schatz", sanft fährt er dem Mann mit seiner Hand aus Fleisch und Blut liebevoll durch das blonde Haar. Der Spitzname sorgt in Steves Innerem für eine Welle von Glücksgefühlen.
Vielleicht hat Bucky ja recht. Die Avengers auf unbestimmte Zeit zu verlassen und sich eine Auszeit zu nehmen, war vielleicht eine der besten Ideen, die Fury jemals hatte. Vorher war er so erledigt und hatte kaum noch Energie für die Missionen oder gar für sein Privatleben. Doch seit er sich freigenommen hat, ist er mit Bucky zusammen gezogen und hat sich endlich mal wieder Zeit für sein eigenes Leben genommen. Nun kommt er wieder dazu zum Boxen zu gehen und auch dazu das Grab von Peggy zu besuchen, der Frau, die sein Herz gestohlen hat, bevor er sich zu Bucky hingezogen gefühlt hat. Natürlich hat sie ihren Platz in seinem Herzen nie verloren, doch der Winter Soldier ist nun der Mensch, mit der sein Leben verbringen könnte und endlich hat er das Gefühl von Freiheit. Nie wieder muss er seine Liebe zu Männern verstecken oder sich vor Tony dafür rechtfertigen, dass er sein Leben für die Leute, die er liebt, riskieren und auch opfern würde. Denn Steve ist so viel mehr als nur Captain America!