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LUNA

Sie haben die Musik lauter gedreht, sodass die Basstöne sicherlich noch in den Straßen Londons zu hören sind. Der Tanzschweiß und das herzhafte Lachen der anderen Gäste auf der Tanzfläche schweifen bis zu den Tischen herüber. Deren gute Stimmung färbt sich dermaßen ab, dass ich kaum erwarten kann, nach dem Essen mich ebenfalls ins Tanzen zu stürzen.

Tanzen ist wie Loslassen. Für einen bestimmten Moment vergisst du deine Sorgen. Deine Sorgen in der Familie, im Beruf und in der Liebe. Es ist schön. Es ist ein sehr schönes Gefühl, aber die Stimmung an meinem Tisch spiegelt das komplette Gegenteil wider. Es ist so unangenehm ruhig.
Klar, er hatte ein Tisch reserviert, er hatte sich aufgebrezelt und mich begleitet wie kein anderer. Aber ist das direkt schon ein Date?

Kyle hatte den Gin Tonic bestellt, der mir bis jetzt mehr Beachtung geschenkt hatte, als der Genießer selbst. Obwohl ich kein Schluck davon gekostet hatte, spüre ich den bitteren Nachgeschmack seiner Reaktion auf meine Worte. Wenn man sich unsere nicht existierende Interaktion als Teekanne vorstellt, wäre sie längst erkältet. Die Luft ist eindeutig raus.

„Wir müssen reden." verkündet Kyle dann plötzlich. Ich entfessele mich von meinem Handy, indem ich es auf der bordeauxroten Tischdecke abstelle. Auch mal wach?
„Ja, definitiv. Wenn du mich hierher geführt hast, um mich anzuschweigen, kann ich genauso gut mit einer Wand reden." Er schluckt schwer.
„Okay. I get you."

Ich verschränke meine Arme. Was ist los? Sogar im Lexikon finde ich keine Erklärung, für die Art Verhalten, die er preisgibt. Seit wann...

„..daten wir uns? Habe ich da etwas verpasst?" Meine eine Augenbraue schießt in die Höhe.
Schon wieder schaut er mich nicht an. Sein linkes Bein hoppelt rauf und runter. Ob er nervös, sauer oder erneut schüchtern ist? Ich blicke irgendwie gar nicht mehr durch.

„Ja, ich dachte.. ich dachte ich führe dich aus, weil.. weil ich mehr empfinde .. äh.." Sein Blickwinkel liegt auf seiner Gabel, während sich mein ganzer Körper verkrampft. Eine winzige Welle Gänsehaut durchflutet mich sowie das dringende Gefühl auf Toilette zu gehen. Die leise Vorahnung kitzelt allmählich an meinem Gewissen.

„Kyle. Du weißt-" setze ich an, „du weißt, dass es nicht geht." Ich bin jetzt diejenige, die ihn nicht direkt anschauen kann. So sehr, habe ich Angst vor seiner Reaktion.
„Du bist immer noch nicht über Nolan hinweg, stimmt's?"
„Doch, doch! Ich bin mir sicher, dass ich ihn nicht mehr liebe, daran liegt es nicht." sage ich mit entschlossener Stimme.

Nolan ist mir fremdgegangen, das Schlimmste, was meiner Meinung nach in einer Beziehung passieren kann. Ich habe viele Tränen vergießen müssen und das will ich nicht wieder durchleben. Es war schön mit Nolan, aber diese Beziehung war mir eine Lehre.

Ich bin noch nicht bereit. Sag es.

„Woran dann? Liegt es an der Sache heute in der Wohnung?" In seiner Stimme schwingt Frustration mit.
„Äh-"
„Oi pretty gyal, hier kommt dein Essen!" unterbricht mich Camilo. Ich strahle ihm erleichtert ein Lächeln entgegen. Er platziert zwei Teller, gefüllt mit Fleisch, Gemüse und exotischem Reis vor meiner Nase. Es duftet herrlich.

Perfekter Zeitpunkt, Camilo. Durch ihn können Kyle und ich die Konfrontation kurz pausieren. Das ist meine Chance!
„Entschuldigt mich." Ich drücke mich an den tänzelnden Gästen vorbei, um in die Toiletten zu gelangen. Der charmante Kellner nickt verständnisvoll, während Kyle mir verdutzt bis zum WC hinterher starrt. Oder doch enttäuscht? Ich weiß es nicht mal wirklich. Dort angekommen, lässt sich mein Seufzer nicht mehr verbergen.

My Own StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt