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NOLAN

Wieso? Wieso nur ?!
„Beantworte meine Frage!" brülle ich. Ich spüre, wie alle meine Blutbahnen nur so vor Wut kochen. Das gefährliche Kribbeln in meiner Hand hat immer noch nicht nachgelassen. Dieser Idiot hätte einfach mehr Schläge verdient, da reicht eine blutige Nase nicht. Diese ganze Scheiße hier ist geradezu schwindelerregend.

„Nein, Nolan. Ich werde nicht deine Frau sein. Ich bin jetzt mit Kyle zusammen und bin endlich glücklich." verkündet sie.
Ich werde nicht deine Frau sein. Ich bin jetzt mit Kyle zusammen. Ich bin endlich glücklich.

Eine recht kahle Vase gefüllt mit frischen Blumen. Die Samen wurden vor einigen Jahren gepflanzt und von dort an wuchs sie immer weiter. Doch jemand hat vergessen, sich um sie zu kümmern. Eher spielte man mit der Vase herum und riskierte den Wurf ins Leere. Die Vase wurde nicht aufgefangen, sondern zersplitterte in Tausenden von Scherben. Scherben, die mich und mein scheiß Leben beschreiben. Scherben, die dich trotz Behutsamkeit verletzen.

„Nolan." ruft Jordan. Ich schrecke leicht hoch. „Du starrst seit deiner Ankunft irgendwohin, ist alles in Ordnung?"
Wow. Mein Bruder klingt sogar wirklich ein wenig besorgt. Breitbeinig sitzt er auf dem mintgrünen Sessel, sein Mimosa von seiner Hand bedeckt.
„Mir geht es super. Und wenn, dich interessiert es sowieso nicht, wie es mir geht." gaffe ich.

Seid ehrlich, wenn ihr jemanden nach einem Hallo fragt, wie es ihm geht, juckt es euch gar nicht. Habe ich Recht?

„Jetzt werd nicht gleich so zickig, er wollte doch nur nett sein!" beschwert sich Kelly. „Da sehen wir uns fast ein halbes Jahr nicht und du machst hier eine Szene!"

Das? Das nennt sie „eine Szene machen"?

Schnaubend verlasse ich das zweite Wohnzimmer und begebe mich in den Flur, der mit großen Wandmalereien geschmückt ist. Die grünen Ledersitze links und rechts stehen im Kontrast zu der dunkelbraunen Wand. Diese Kombination mit der gefälschten Mona Lisa im Hintergrund habe ich schon immer gehasst. Nur weil Menschen reich sind, müssen deren Etablissements nicht abscheulich aussehen.

An der kleinen Bar in der Mitte des Flurs halte ich an, um mir ein Whisky einzuschenken. Wenn ich diesen Abend überstehen will, brauche ich den jetzt ganz dringend. Bernsteintropfen fallen ins kristallisierte Glas, als ich ein Seufzen neben mir wahrnehme. Ein knittriges Gesicht mit grauem Haaransatz steht etwas von mir entfernt. Ich verwechsele sie auch gerne mit einer Schlange.

„Wieso bist du nicht bei deinen Geschwistern?" erkundigt sich meine Mutter.
„Darf man sich nicht mehr etwas zu trinken holen?" werfe ich ihr entgegen.
„Du hättest auch einfach Madeleine bitten können, dir ein Whisky zu holen." Sie verschränkt die Arme. „Und das weißt du."

Sofort erweitere ich den Abstand, indem ich mich weiter zur falschen Mona Lisa bewege. Giftige Schleimstreifen spritzen, beim Vorhaben mich mit ihrer gespaltenen Zunge einzuwickeln, aus ihrem Mund.
„Ich bin deine Mutter! Kein Grund, sich weiter von mir zu entfernen." Sie startet ein Versuch sich mir mit ihrer ausgestreckten Hand zu nähern, aber der Geruch von schlängelnder Falschheit übertrifft dem von frischem Übergebenem. Gekonnt weiche ich aus.

„Du bist eine Mutter, die erst viel zu spät erkannt hat, dass sie eine ist. Keine Ahnung, warum die anderen deinen Anblick noch ertragen können."
Mit diesen Worten entfliehe ich der Cobra und will mich im oberen Badezimmer vor ihrer Beutejagd verstecken. Und dort komme ich erst heraus, wenn das Essen bereits zubereitet ist.

My Own StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt