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NOLAN

Madeleine Butler.
Sie ist, neben dir Luna, die einzige, an die ich während der Fahrt denken muss. Verzeih mir.

„Wie sehr ich mich nach dir gesehnt hatte." hat sie gesagt. Sie hat mich geküsst und um mich geweint. Ich hätte es gerne von jemanden gehört, den ich seit Monaten, nicht mehr aus den Augen lasse. Seit ich die schwarzen Tore von Marlows größter Villa hinter mir ließ, belästigen mich die trüben Sumpfgeister, die sich duplizieren und mich unbedingt auf der Heimfahrt begleiten wollen. Darf ich vorstellen?

Madeleines Einfluss, ich nenne ihn auch den M-Virus. Zunächst dachte ich, dass ich geheilt sei, doch jedes noch gute Rezept, ist gegen diese Erkrankung machtlos. Ich befürchte, das bedeutet, dass meine Albträume von jener Nacht wieder hochkommen, da sie meine Wunden mit einem stumpfen Messer aufgerissen hat. Genau deswegen wollte ich den Kontakt vermeiden.  Wir beide, das fühlt sich nicht richtig an. Und es ist nicht richtig, mit seiner Halbschwester ein Verhältnis einzugehen. Die Erinnerungen mit ihr sind schön, jedoch sollten sie Erinnerungen bleiben, bevor der Teufel nach uns fahndet.

Tatsache ist, dass mein Herz von Luna gestohlen wurde und dass ich nichts daran ändern kann.

Ich erhöhe die Geschwindigkeit, da ich das erste Zeichen in Richtung Mayfair sehe. Ich bin fast zuhause. In meinem wahren Zuhause. Keine dunkle Festung. Meine despressiven Motelphasen sind zum Glück vorbei, denn es gibt da einiges, was ich klären muss. Mein Job, mein Ruf, mein innig geliebtes Luxusapartment. Apropos Apartment. Ich muss mich mit Luna zusammen setzen. Es wird Zeit, dass ich in die Offensive gehe. Wir werden es doch wohl hinbekommen, wie Zivilisten zu kommunizieren?! Ob sie schon für mich bereit ist? Denk dran: der erste Annäherungsversuch muss freundschaftlich wirken.

Am besten, wir frühstücken in ihrem Lieblingscafé. Ah, da kriege ich gleich einen Heißhunger auf die belegten Bagels und auf einen warmen Macchiato! Zügel deine Vorfreude, sie hat dir nicht einmal zugesagt. Vielleicht sollte ich sie vorwarnen, sonst frisst sie mich und nicht den Bagel. Ich suche die nächste Raststätte auf, um sie in Ruhe anzuschreiben:

„Hey, willst du heute mit mir im Sanders brunchen gehen?"

Abgeschickt. Ist es normal, dass ich nervös bin? Ich mache nur Witze, ich stehe kurz vor einer Panikattacke. Was, wenn du keine Zeit hast? Oder keine Lust? Auf meiner Stirn steht in Großbuchstaben, dass ich dein Ex bin, eigentlich ist es eine Schnapsidee, dich zu sehen. Doch ich halte es nicht mehr aus, meine Geduld fleht auf heißen Kohlen, dich live zu sehen. Die Monitore haben mich zu lange auf die Folter gespannt.

Ich beschließe erst weiterzufahren, wenn du antwortest. Mayfair ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Ich steige aus und nutze die Gelegenheit, um mich gründlich zu strecken. Dabei atme ich tief die erfrischende Morgenluft ein. Den Weg hierher durfte ich den Sonnenaufgang über der Themse erleben, wobei auf der anderen Seite der Mond sich verabschiedet hatte. Hm, Abschied.

Ihr Mund verschlingt leidenschaftlich meinen, dennoch graviert sie den herzzerreißenden Schmerz in meine Seele. Ich erinnere mich an die düsteren Tränen und an ihren sehnsuchtsvollen Blick. Ihren zittrigen, zierlichen Körper. Aber auch die teuflische Aura, ihr drohender Tonfall. Der M-Virus hat erfolgreich wieder zugeschlagen. Seufzend reibe ich meine Stirn.

Das ist nicht normal, so ergeht es mir seit Stunden. Auch, wenn ich ihr verboten hatte, mich zu verfolgen, tut sie es. Ich spüre förmlich , wie ihre Klone in meinen Nacken wandern, um meine Gänsehaut zu reizen. Wie gerne ich es auf die Novembergrade schieben würde! Wenn Luna mir nicht bald antwortet, werde ich noch verrückt. Ich hasse es, wenn jemand lange zum Antworten braucht. Was tut sie denn?

My Own StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt