My Own Stalker

- 12 -

LUNA

„Action!" Die wievielte Klappe ist das schon?

Ich lasse gehend meine geglätteten Haare hin- und her schwingen, während Kyle meine Hand in seine nimmt.
Chancenlos versuche ich die angenehme Hitze, die er mir überträgt, zu verdrängen, aber es klappt nicht. Hey! Keine Schwäche zeigen...
Ein verführerischer Schulterblick in die Kamera hinterrücks, danach zieht Kyle mich wie die letzten Durchgänge so nah an sich heran, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren kann. Parfüm-Werbungen. Es dreht sich immer um alles, außer um das Produkt.

„Cut!"

Das Kamerateam wird immer wieder aufs Neue begeistert.
„Magnifique, I love it!" lobt der französische Regisseur, eingebettet in Winterjacke plus Windschutzgarantie. Der hat's gut.

Mein Körper droht bei dem Schlafmangel und den respektlosen Temperaturen nachzugeben. Nur noch mein Wille jubelt als einziger Kriegssieger.
Es ist der letzte Clip, du hast es bald geschafft.
Nach jedem Durchgang stolpern die Hair & Makeup Leute auf mich zu, zupfen an meiner Kleidung, legen meine Haare zurecht oder retuschieren mein Gesicht. Wackelig spüre ich den Erdbeben unter mein Sohlen sowie die brennende Ankündigung von Blasen. Sie scheinen von Clip zu Clip immer größer zu werden.

Die Vernunft höchstpersönlich warnt mich, jetzt bloß nicht das Tuch zu werfen.
Meine Lippen empfangen erneut das fruchtige Aroma des Lipglosses, als Kyle neben mir von einer Frau attackiert wird, die ihm aggressiv Puder auf die Wangen tupft. Er steht da in Hemd und Hose, was heißt, dass er genau so frieren muss, wie ich.

„Hältst du durch?"
„Habe ich eine Wahl?" entgegnet er. Ich kichere.

Wir stellen uns auf und warten auf den Startschuss.

„anddd ...Action!"

Wie oft, wir es auch drehen, lässt dieses Gefühl nicht nach. Zuerst seine starken Arme, die meinen Körper umschlingen und dann dieser Blick..
Such a smolder...
Das alles, auf offener Straße. Vor Passanten, Bussen, Autos...
Hoffentlich bin ich die einzige, die spürt, dass es zwischen mir und Kyle knisternd ist. Aber das gehört zum Job, alles Schauspiel und Show.

Ich erlebe zum ersten Mal Paparazzis in nächster Nähe, die die Kameraassistenten das Leben erschweren. Das ganze Set ist viel aufwendiger, als das in London. Erstaunlich, wie der Kunde eine Fliege zu einem Elefanten gewandelt hat. Moment, das ist das falsche Sprichwort dafür.
Die Bewohner dieser Gasse dienen als staunendes Publikum, welches unterschwellig das kleine Maß an Selbstbewusstsein in mir weckt und mich erinnert, bis zum Schluss eine gute Figur abzugeben. Allein deren ausdruckslosen Mienen sind Motivation genug.

„Unterwäschen-Shooting abgeschlossen. Parfüm-Werbung abgeschlossen. Das Projekt naht dem Ende, vielen Dank an alle Beteiligten!" verkündet damit Mr. Thompson den Abschluss des Tages. Alle klatschen noch einmal, bevor sie das Set abbauen oder das Weite suchen.

Endlich. Nach so vielen Stunden in der Kälte, auch wenn mir nach einiger Zeit nicht mehr so kalt war.. bin ich froh, dass ich ins langersehnte Hotel komme, obwohl ich weiß, wie hart deren Betten sein werden. So hart, dass das Wort Rückenschmerzen mit leuchtendem Textmarker doppelt überstrichen wird.
Wird wohl eine schöne Nacht. Ich habe eben nicht genügend Gage, um mir ein 5 Sterne Hotel zu leisten, dafür verdiene ich noch zu gering.