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NOLAN

Es ist frostig. Nicht die Temparatur in Marlow an sich. Auch nicht die kalte Dusche eben im Motel.
Okay, doch. An jeden, der nicht daran gewöhnt ist, wäre es unerträglich. Der Kälteschock ist kurzweilig, mein Elternhaus hingegen zieht es vor, ihn unendlich andauern zu lassen.

Hauptsächlich friere ich wegen dem eiskalten Empfang im Essbereich der Villa. 6 Augen observieren haargenau jede Bewegung, die ich vornehme. Jedes meiner Schritte steht unter Beobachtung. So müssen sich Verbrecher auf Bewährung fühlen. Wie beunruhigend. Es ist einfach zu still. Die Art Stille die eintrifft, wenn jemand den Raum betritt, worüber gerade gesprochen wurde. Mich können die nicht für dumm verkaufen. Ich weiß, dass ich deren Gesprächsthema Nummer 1 bin. 3 von 4 Sitzplätzen sind besetzt, sie haben wohl nur noch auf den Häftling gewartet. Das ausgerechnet neben meiner Mutter der Platz frei ist, ist sowas von absehbar gewesen.

Ich denke nichtmal dran, mich neben ihr zu setzen.

Im Badezimmer hatte ich es viel lieber und das schon seit der Kindheit. Nur ich, alleine mit meinen Gedanken und die 3 anderen Waschbecken. Jetzt muss ich anwesend sein. Nach der Pfeife eines Protokolls tanzen. Toll.
Ich hätte Madeleine bitten sollen, mir das Essen in meinem Zimmer zu bringen. Im Gegenzug hätte ich sie wieder gevögelt.
Es wäre nicht das erste Mal.

Hoffnungsvoll trommelt meine Mutter auf den Stuhl neben ihr. „Na, komm setz dich hin." Versucht sie gerade mich anzulächeln?
„Jordan, Kelly. Kann einer sich zu Rita gesellen? Da ist noch ein Platz frei." ignoriere ich sie.
Jordan starrt auf die dampfenden Kartoffeln, während Kelly ihre Fingernägel anglotzt. Keiner bemüht sich mir zu antworten.

„S-sir, wenn ich stören darf.. eigentlich ist der Platz für sie frei gehalten worden." bestätigt Madeleine meine Vermutung, als sie gerade aus der Küche mit Servietten ins Esszimmer wiederkehrt. Ja, das habe ich auch schon verstanden...

Und trotzdem ändert es nichts an der Tatsache, dass ich mich nicht dorthin setzen werde. Ich seufze.

„Es läuft jetzt folgendermaßen ab, entweder einer von euch Idioten tauscht den Platz oder ich esse in meinem Zimmer. Viel Zeit habe ich nicht, also entscheidet euch besser schnell!" Meine Schuhe klappern gegen den gefliesten Fußboden.
„Gott, Nolan. Du verhältst dich wie ein Kind! All das Drama für einen Stuhl?" erwacht Kelly aus ihrer Ignoranzstarre.

„Nein, sondern wegen der Person neben diesem Stuhl. Wer weiß, vielleicht will Rita mich dieses Mal vergiften, weil es ja so im Vertrag steht? Oder mich abstechen, weil es sich gut verkauft?" frage ich ironisch mit dem Blick zu ihr. Ihr gefälschtes Lächeln von eben wandelt sich jedoch in eine weitere Falte in ihrem Gesicht.

„Wie oft soll ich dir sagen, dass du mich nicht beim Vornamen nennen sollst? Du bist so unhöflich, Nolan!" schimpft sie.
„Das Essen wird ka-" fängt Madeleine an, aber ich lasse sie nicht Wort kommen.
„Und wie oft soll ich dir sagen, dass du es nicht wert bist, „Mum" genannt zu werden?" belle ich.

Ihre sonst dunkle Haut wird ganz blass. Dabei gleiten Jordans Hände über sein Gesicht, er ist sichtlich genervt von dem Ganzem hier. Kann ich ihm nicht verübeln, mir geht es genauso.
„Können wir nicht einfach anfangen zu essen, bitte? Als eine ganz normale Familie?" Sein Kommentar zwingt mich kurz zu lachen.
Jetzt spinnt er komplett. Sein Mimosa tut ihm nicht gut, er fängt ja schon an Stuss zu labern.

„Wir und eine normale Familie? In welchem Film bist du denn?"

Ja, wir sind mal eine Familie gewesen. Kelly, als die älteste Schwester von mir und Jordan, lasse ich gerne mal scheiße mit mir reden. Jordan, als der jüngste, braucht es gar nicht erst versuchen. Dann wäre da noch Rita, die ich auch einst mal geliebt hatte, aber meine liebste Bezugsperson war immer noch Dad.

My Own StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt