Fühlt sich so etwa Liebeskummer an? Seit über zwei Wochen habe ich meine Gefährtin nicht mehr gesehen, noch etwas von ihr gehört. Als ich sie damals bei der Grenze abgesetzt habe, habe ich bis zum Morgengrauen gewartet, ob sie vielleicht doch noch verstoßen wird. Aber sie hat die Grenze nicht mehr verlassen. Das hätte mich auch gewundert, schließlich ist ihr Vater der Alpha. Ich denke nicht, dass er seine eigene Tochter verstößt.
Meine Gedanken kreisen ständig um sie. Wie zerbrechlich und leer sie an diesem Abend gewesen ist. Hat sie etwa Gefühle für diesen Bastard gehabt? Die Eifersucht packt mich, wenn ich daran denke. Als ich ihn gestern gesehen habe, habe ich mich nicht mehr zusammenreißen können. Er ist schwach und hat sich kaum verteidigen können. Ich habe meine ganze Wut an ihn ausgelassen und das nervige Kreischen seiner Gefährtin dabei ignoriert. Nur schade, dass seine Verletzungen bis morgen kaum mehr zu sehen sein werden.
Auf einer Seite bin ich froh darüber gewesen, dass dieser Bastard seine Gefährtin gefunden hat. Immerhin lässt er seine dreckigen Finger von meiner. Aber sie hat es nicht verdient, dass man sie so verletzt hat. Wie sehr ich mir wünsche, dass wir zusammen sein können. Aber sie wäre in meinem Rudel einfach nicht sicher. Bei ihren Eltern ist sie es. Das ist der einzige Trost, den ich habe.
„Wie wäre es, wenn du mal in die frische Luft gehst? Du hockst fast den ganzen Tag Zuhause!", platzt meine Schwester Lola in mein Zimmer.
„Ich gehe gleich laufen."
„Wirklich? Darf ich mit?", fragt sie mich kindlich.
„Nein. Ich brauche einen klaren Kopf."
Sie seufzt, aber diskutiert nicht weiter herum. Das liebe ich so an ihr. Sie ist keine nervige, kleine Schwester, die den ganzen Tag rumnörgelt.
„Denkst du an sie?", fragt sie plötzlich.
Ich richte mich vom Bett auf. Ich habe es ihr vor einer Woche erzählt. Sie ist die Einzige, die mich wirklich versteht.
„Ständig!", sage ich ehrlich.
„Ich wünschte, dass sie nicht von diesem Rudel wäre. Dann wäre sie jetzt bei dir."
Ich schnurre wie ein verletzter Welpe und blicke meine Schwester traurig an.
„Wie kann man sich in so kurzer Zeit verlieben, Lola? Es ist, als ob man mir die Luft zum Atmen genommen hat. Ständig überdenke ich meine Entscheidung. War sie richtig?"
Lola sieht mich bemitleidend an und schließt mich in ihre Arme.
„Nero, es ist die richtige Entscheidung. Hier wäre sie in Lebensgefahr. Bei ihrer Familie ist sie sicher."
„Du hast Recht. Es wird langsam dunkel. Ich gehe ein paar Runden laufen!", sage ich zu meiner kleinen Schwester.
Sie nickt mir zu und lässt mich allein.
Zögernd gehe ich in den Wald hinein und lege meine Kleidung ab. Anschließend verwandle ich mich in kurzer Zeit und fange an zu rennen. Der frische Wind tut gut und ich fühle mich frei. Ich verlasse unser Territorium und laufe weiter. Dieser Bereich gehört niemanden. Hier leben abtrünnige Wölfe, weshalb es normalerweise zu gefährlich ist, allein hierzukommen.Ich bleibe plötzlich stehen. Ich fühle sie. Ich kann sie fühlen. Meine Mate. Sie ist hier in der Nähe. Was zur Hölle macht sie in diesem Teil des Waldes? Meine Pfoten bewegen sich wie von selbst und ich steure auf den See zu. Ein schmerzliches Wimmern verursacht Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Am Seeufer angekommen, blicke ich die Szene vor mir schockiert an. Auf dem Boden liegt ein verletzter Wolf. Er ist schneeweiß und wunderschön. Doch das weiße Fell ist rot gefärbt und ich kann viele Brandnarben erkennen, die sich um den ganzen Rücken verteilen.
Ihr Körper hebt und senkt sich kaum merklich. Meine Gefährtin kämpft gerade um ihr Leben.
Ohne zu weiter zu zögern, renne ich auf meine Mate zu und stupse sie mit der Nase an. Ich wimmere, als sie sich nicht bewegt. Ihr Augen sind geschlossen und ich gerate langsam in Panik. Dann plötzlich, verwandelt sie sich wieder zurück in einen Menschen.
Erschrocken schnappe ich nach Luft. Wer hat ihr das angetan? Der wird den morgigen Tag nicht mehr überleben. Sie muss als Mensch so übel zugerichtet worden sein und sich dann verwandelt haben. In Wolfsform heilen wir schneller. Die Tatsache, dass sie sich wieder zum Menschen zurückverwandelt hat und sie immer noch stark verletzt ist, beunruhigt mich zutiefst. Es gibt keine andere Chance. Kein Arzt, der ihr helfen kann. Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Ich darf jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren, obwohl ich mich nur schwer zurückhalten kann.
Behutsam nehme ich Yara in meine Arme und versuche sie aufzuwecken.
„Kätzchen, bitte wach auf. Mach deine Augen auf."
Sie bewegt sich kurz, als sie meine Stimme hört. Ich streiche ihr das nasse Haar vom Gesicht und rede weiter: „Kätzchen, bitte öffne die Augen für mich."
Widerwillig gehorcht sie mir und blickt mich mit ihren leblosen Augen an.
„Wer hat dir das angetan, Yara? Sag mir, wer dir das angetan hat."
„Rudel...mein Vater!", keucht sie vor Schmerzen.
Ihr Vater hat sie verletzt? Ihr eigener Vater hat ihr das angetan? Ich schlucke. Wie kann man dies seiner eigenen Tochter antun? Weil sie etwa abtrünnig ist? Ist dies der Grund dafür?
Ich bemerke, wie Yara's Augenlider wieder schwer werden.
„Nein, du darfst auf keinen Fall deine Augen schließen. Süße, bitte schlaf jetzt nicht wieder ein."
Als sie wieder ihr Bewusstsein verloren hat, kämpfe ich mit den Tränen. Nein, ich darf sie nicht verlieren. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich muss sie retten. Es ist mir gleichgültig, was meine Eltern oder Rudel sagen werden. Ich kann nicht die Frau, die ich liebe, einfach sterben lassen. Mein Entschluss steht fest. Ich ziehe ihren leblosen Körper zu mir und vergrabe meine Nase in ihrer Halsbeuge. Dann verlängern sich meine Eckzähne und ich beiße zu. Ihr süßes Blut durchströmt meinen Mund und ich entferne mich wieder von ihr. Ich lecke mit meiner Zunge einmal über die Markierung und lasse sämtliche Gefühle der Gefährtenbindung durch meinen Körper durchströmen.
Ich habe sie markiert. Sie wird durch die Gefährtenbindung heilen. Es fängt schon an, aber es kann einige Stunden dauern. Ihre Verletzungen sind ziemlich tief.
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Alphas, forbidden Love (Nero & Yara)
WerewolfDie mächtigen Wolfsrudel Black Moon und Red Shadow sind seit Jahrzehnten miteinander verfeindet. Auf den jährlichen Königsball, begegnen sich die Kinder der zerstrittenen Alphas und spüren, dass sie Gefährten sind. Aus Angst zum Rudel, behalten sie...