Kapitel 23

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⚠️Triggerwarnung⚠️

„Guten Morgen, mein Schatz.“, flüsterte meine Mutter und weckte mich. Ich lächelte sie an: „Guten Morgen, Mama.“ Als sie bei mir Fieber maß, zeigte das Thermometer 37,3°C an und ich fühlte mich auch deutlich besser, als in den letzten Tagen. Deswegen frühstückte ich wie sonst immer mit meiner Familie. Bevor ich die Treppe hinaufging, um mich fertigzumachen, rief meine Mutter mir noch hinterher, dass ich heute besser etwas wärmeres anziehen wollte. Ich befolgte ihren Rat und zog mir einen dunkelblauen Hoodie und eine helle Jeanshose an. Als ich auf die Uhr schaute, erschrak ich, da es schon ziemlich spät war. Deshalb entschied ich mich dafür, mich nicht zu schminken und meine Haare einfach noch einmal durchzukämmen. Bevor ich zur Haustür lief, packte ich noch meine Karteikarten ein, denn heute musste unsere Klasse einander Präsentation vorstellen. Ich hatte ziemlich lange an meinem Vortrag gearbeitet, damit er so perfekt, wie möglich war, und hatte ihn den Wäldern rund um Grünwald gewidmet.

Ich betrat den Klassenraum, in dem schon fast alle meine Klassenkameraden saßen, und setzte mich zu Livia, Lilith und Enna. „Was ist denn mit dir passiert?“, schrie Lilith auf. Auch Livias Augen wurden groß, als sie mich sah: „Bist du sicher, dass du wieder gesund bist? Du siehst schrecklich aus!“ Traurig wandte ich mich von ihnen ab. Livias und Liliths Worte hatten mir einen Stich tief ins Herz verpasst. War ich wirklich so hässlich? Ich hatte immer darauf vertraut, dass die Mädchen Recht hatten und so glaubte ich ihnen auch jetzt. Ich wäre am liebsten im Erdbeben versunken, so unwohl fühlte ich mich. Und ausgerechnet heute musste ich vor der ganzen Klasse einen Vortrag halten. Wie sollte ich das überleben? Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten oder mich unsichtbar gemacht, doch im Handumdrehen brach die zweite Stunde an. Joschka stellte seine Präsentation als erster vor und machte alles perfekt und auch Livia folgte ihm mit einem unglaublich guten Vortrag. Nun war ich an der Reihe. Ich ging nach vorne und bemerkte, wie mich alle anstarrten. Meine Stimme zitterte, als ich anfing zu sprechen und meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding.

Als ich nach einer Ewigkeit wieder auf meinen Platz ging, schien mein Herz fast aus meiner Brust zu springen. Alle hatten meine Präsentation gelobt, aber meine Hände zitterten immernoch. Mir wurde heiß und kalt und ich hatte das Gefühl, mir würde die Luft zum Atmen fehlen. Ich versuchte alles, um mich zu beruhigen, aber alles, was ich tat, machte meine Angst nur schlimmer. Raban, der auf der anderen Seite des Raums saß, hob die Hand und als unsere Lehrerin ihn drannahm, sagte er in einem besorgten Tonfall: „Ich glaube… Yara geht es nicht so gut. Könnten wir vielleicht kurz mit ihr nach draußen gehen?“ Er deutete auf Joschka. Meine Lehrerin willigte sofort ein und wir gingen zu dritt am Rest der Klasse vorbei und verließen den Raum, wobei uns alle beobachteten. Wir setzten uns auf den Schulhof, da die Pause sowieso bald beginnen würde. Ich hielt mir meine Hände vor mein Gesicht und begann zu schluchzen. Ich hatte mich noch nie so schrecklich gefühlt. Ich hatte das Gefühl, als würde ich von allem erdrückt werden und als könnte ich nicht mehr atmen. Ich dachte, ich müsste jeden Moment tot umkippen, so sehr zitterte mein ganzer Körper. Raban nahm meine Hand und redete behutsam auf mich ein, während Joschka rhythmisch über meinen Rücken strich. Nach einer Ewigkeit hörte ich die Pausenglocke und sah, wie sich der Schulhof immer mehr mit Schülern füllte. Irgendwann erblickte ich auch den Rest der wilden Kerle. Als sie uns sahen, fingen sie an, schneller zu gehen und versammelten sich um mich. Leon kniete sich vor mich, um Blickkontakt mit mir aufzunehmen und fragte mich, was passiert sei. Raban und Joschka schilderten die Situation, während sich Juli zu Leon kniete und seine Hand auf mein zitterndes Bein legte. „Schhhht, alles ist in Ordnung.“, flüsterte er mir zu, doch ich hatte das Gefühl, als wäre er ganz weit weg. Nach einiger Zeit warf Markus ein: „Wie wäre es, wenn wir woanders hingehen und zwei Personen bei Yara bleiben. Dann kann sie sich bestimmt besser beruhigen, als wenn wir alle hier um sie herumstehen.“ Alle willigten ein und Maxi und Raban erklärten sich sofort bereit, bei mir zu bleiben. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte Maxi mich nun und hielt mir seine Flasche hin, die ich dankend annahm. Ich spürte, wie das kühle Wasser durch meinen Körper floss und mich erfrischte. Maxi legte nun einen Arm um mich, so wie es Joschka getan hatte. Sobald ich mich ein bisschen beruhigt hatte, sagte er: „Lasst uns doch ein Spiel spielen. Wie wäre es mit ‚Ich sehe was, was du nicht siehst‘?“ Raban nickte: „Ich fange an. Ich sehe was, was ihr nicht seht und das ist… rot.“ Maxi begann zu raten und bald stieg auch ich mit ein und vergaß meine Angst immer und immer mehr. Nach einiger Zeit saßen wir einfach nur da und beobachteten die anderen Schüler auf dem Schulhof. Ich lehnte mich erschöpft an Maxis Schulter. Die Panikattacke hatte mich wirklich meine letzte Kraft gekostet. „Möchtest du dich vielleicht abholen lassen?“, fragte der braunhaarige Junge besorgt, „Du bist ganz schön blass.“ Ich überlegte kurz, aber entschied mich dann dazu, dass es wohl besser war, nach Hause zu gehen. Zu dritt machten wir uns auf den Weg zum Sekretariat.

Ich saß in meinem Zimmer und malte. Meine Mutter war direkt von der Arbeit gekommen und hatte mich von der Schule abgeholt. Zuhause hatte ich dann kurz geschlafen und mich anschließend an meinen Schreibtisch gesetzt. Es klingelte an der Tür und ich hörte, wie meine Mutter mit jemandem redete. Danach ging jemand die Treppe hinauf und es klopfte an meiner Zimmertür. „Herein!“, rief ich und drehte mich um. Zu meiner Überraschung öffnete Maxi die Tür und ich bot ihm an, sich auf mein Bett zu setzen. „Raban und Joschka haben mir diese Arbeitsblätter gegeben, weil ich sowieso noch mal bei dir vorbeischauen wollte.“ „Danke.“, lächelte ich, „Was liegt dir auf dem Herzen?“ Maxi lachte kurz auf, wurde aber schnell wieder ernst. Er zeigte auf meinen Kleiderschrank, vor dem mein teures Kleid hing und sah mich an: „Was hat es damit auf sich? Und warum hast du uns ignoriert?“ „Oh…“, ich sah beschämt zu Boden und er nahm meine Hand: „Du weißt doch, dass wir uns alles erzählen können. Es bleibt auch unter uns, wenn du das willst.“ Ich lächelte: „Danke, das ist nett. Naja, wo soll ich anfangen? Ein paar Mädchen aus meiner Klasse wollten mit mir befreundet sein und dann haben wir zusammen Zeit verbracht. Sie haben gesagt, dass ich in meinen neuen Anziehsachen und mit Schminke viel besser aussehen würde. Und sie hatten immer Recht, sie haben auch gesagt, ich soll euch erst einmal ignorieren, also habe ich das getan.“ Maxi seufzte: „Yara, ich weiß, das warst nicht du. Ich weiß, du hast dich darin nicht wohlgefühlt. Aber die Mädchen haben dir vorgegaukelt, dass du dich darin wohlfühlst oder wohlfühlen solltest. Mach dir doch keine Gedanken über dein Aussehen, nur weil ein paar komische Mädchen es bemängeln.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen und „Tippkick" drückte meine Hand, bevor er fortfuhr: „Du bist wunderschön, so wie du bist. Denn wahre Schönheit kommt von innen. Versuch sie nicht von etwas zu verdecken, was du nicht bist. Und ich und die wilden Kerle finden deinen anderen Look viel schöner.“ „Wirklich?“, flüsterte ich mit großen Augen. „Dafür leg ich meine Beine ins Feuer!“, lachte Maxi und umarmte mich, „Achso, und du bist übrigens herzlich zu unserem Treffen auf Camelot morgen eingeladen.“ Ich erwiderte sein Lächeln: „Ich werde da sein!“

Dafür leg ich meine Beine ins Feuer~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt