Kapitel 37: Wahrheit tut weh!

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Mein Herz rast, als ich die Klinke nach unten drücke und sanft die Tür beiseite schiebe. "Hiro?", flüstere ich leise und stecke vorsichtig meinen Kopf durch den Spalt. "Geh weg", höre ich sofort leise seine kratzige Stimme und sehe wie er mit blassen und gleichzeitig geröteten Gesicht auf dem Bett sitzt. Ölimöli hockt wie ein Baby auf seinem Schoß, während Hiro seine Arme um den Kater gelegt hat. Die Augen des Asiaten sind rot, glasig ... Und ich weiß nicht, ob es echte Tränen sind ...
Ich schiebe die Tür etwa schulterbreit auf und schließe sie leise hinter mir. Ich will keinen Lärm machen ...

Als ich mich neben Hiro setze sieht er weg. Ich kann trotzdem noch sehen, wie Tränen über sein Gesicht laufen.. Falsche.. Echte..
"Kannst du mir ein paar Fragen beantworten?", frage ich so sanft wie möglich, da ich irgendwie das Gefühl habe, vorsichtig sein zu müssen. Am liebsten würde ich Hiro in den Arm nehmen und tröstend küssen, doch ich verbiete es mir selbst aufgrund seines Vertrauensbruches. "Geh weg...", antwortet er mir nur wieder, während er ganz an das Bettende rutscht. Es versetzt mir einen Stich ... Es tut mir irgendwie weh ... Ich wünsche mir so sehr, dass alles gut wäre ... Aber ... das ist es nicht. Ich seufze laut und sehe ihn an. Wie er sich wohl gerade wirklich fühlt? "Hiro, ich..-"
"Hasst du mich jetzt?", fragt er leise und schnell wie eine ängstliche Maus und ändert dabei nichts an seiner Haltung.
Ich lächle gezwungen, obwohl er mich sowieso nicht ansieht. Irgendwie bin ich nicht sauer auf Hiro ... Ich bin einfach nur verletzt, aber nicht wütend. "Nein."
Hiro sagt nichts mehr. "Wieso hast du das gemacht?", frage ich nach kurzen Schweigen, doch er antwortet nicht.
Hiro zieht Ölimöli in sein Gesicht und krümmt sich etwas zu ihm herunter, um sein Gesicht im braunen Fell der leicht getigerten Katze zu vergraben. Dabei zuckt er etwas und beginnt lauter zu weinen. Schmerz durchfährt meine Brust und meinen Bauch ... aber ich darf eigentlich kein Mitleid haben. "Du hasst mich doch jetzt sicher..."
"Nein", wiederhole ich dieses mal in einem selbstsicheren Ton.

Ich kann nicht anders als näher zu ihm zu rücken und einen Arm um Hiro zu legen. Geistig entschuldige ich mich bei mir selbst, dass ich es nicht schaffe Stand zu halten, obwohl ich weiß ... dass es wahrscheinlich sowieso eine Lüge ist ... Ein Schauspiel.

Hiro bewegt sich nicht. Ölimöli schnurrt, obwohl sein Fell schnell nass von Tränen ist. "Wieso hast du dir selbst so weh getan?"
Hiro spricht in Ölis Fell: "Ich wollte dich bei mir haben..."
"Ja.. Aber dafür so weit zu gehen?"
"Du hättest dich sonst mit Drake und Nick getroffen ... Und dann hätte Nick es dir gesagt ... Und ... ich ...", er bricht ab und versteckt sein Gesicht tiefer in Ölimöli. Eifersucht? Aber nur deswegen tut man doch so etwas nicht ... ".. Wollte einfach nur, dass du bei mir bist ... immer.. und dass du dich mit keinem anderen triffst ..."
Dann setzt er sich normal auf und sieht mich mit den verweinten Augen an. Etwas Rotz läuft ihm aus der Nase, doch er reibt mit dem Ärmel seines Oberteils über sein Gesicht. "Ich will doch auch nur einmal wichtig sein...", flüstert er und starrt mich an. Ein unbehagliches Gefühl überkommt mich. "Ich will doch auch nur jemanden haben, der alles für mich tun würde und mich über alles liebt ... und der niemand anderen braucht, außer mich..." Dabei bewegt er seine Lippen kaum und erinnert mich an diese traumatisierten Menschen, die man manchmal im Fernsehen sieht.

Dann sieht er wieder weg und stupst Öli von seinem Schoß. Die Katze fällt beinahe auf den Boden und hüpft daraufhin sofort neben mir wieder auf das Bett. Ich streichle Hiro über den Arm, es ist wie ein Reflex. Doch dann steht Hiro plötzlich auf und sieht mich an. "Ich hab etwas gemacht", sagt er und greift sich an das untere Ende des Pullis. "Ich liebe dich wirklich ... Das ist keine Lüge." Seine Stimme ist verweint und irgendwie kaputt. Verwundert sehe ich ihm zu, wie er langsam den Pulli hochkrempelt.

Zum Vorschein kommt eine vereiterte, ekelerregende Wunde. "Es wird nie wieder weg gehen", lächelt Hiro zaghaft. Ich weiß nicht, ob er sich darüber freuen würde wenn ich das tun würde ... Aber mir jagt das eingeschnittene L in seiner Hüfte Angst ein und versetzt mir einen Kloß im Hals. Auf der Wunde liegt keine Kruste. Das rosa Fleisch ist zu sehen ... So tief ... So tief hat er geschnitten ... "Das...", versuche ich etwas zu sagen. Hiro ... Er ist nicht normal ... Psycho ... Trifft es das ? "Ich hätte mir ja eins tättowieren lassen, aber meine Mum hat nrin gesagt", murmelt er und scheint recht stolz auf das L zu sein. "Deswegen habe ich es mir selbst verewigt... Es steht für Luke."
Ich schlucke. "Das ist nicht gut.."
"Gefällt es dir nicht?", fragt er sofort. Erst jetzt fällt mir wieder ein, dass ich Antworten von ihm will! Ich stehe auf und drücke Hiro an den Schultern auf sein Bett. Er setzt sich und mit respektvollen Abstand tue ich es ihm gleich. "Sag mir jetzt was das alles soll..."

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll ... Es ist wie in einem Film ... Ich fühle mich betäubt. Hiro ist zwar ein Lügner, aber jemand der einfach nur lügt, ritzt sich doch nicht so tief den Anfangsbuchstaben von einem in das Fleisch. Es würde wirklich nie wieder weg gehen ... Und ein L als Narbe geben. Und das nicht gerade klein, vielleicht etwas kleiner als mein Daumen, wenn nicht genauso groß.
Hiro seufzt... "Ich liebe dich doch nur, Luke. Darf ich nicht?"
Ich will Antworten... Statt etwas zu sagen, sehe ich ihn fordernd an.
Hiro schweigt kurz. "Okay... Es tut mir Leid das sagen zu müssen, Luke, aber du bist ein ziemlich verzweifelter Junge, der nach Liebe sucht. Der erste Junge, der nicht hässlich ist und dir sagt, er liebt dich, auf den stehst du. Hätte Nick es dir zuerst gesagt, dann hättest du dich in ihn verliebt und ich musste das ganze doch erst festigen."
"Willst du damit sagen, ich wär kindisch?" Ich fühle mich angegriffen... was soll das?
"Aber du, mh?"
"Ich und erwachsen? Ey Luke, was erwartest du?" Hiros Augen füllen sich wieder mit Tränen. "Ich bin sechzehn! Wie soll ich erwachsen sein?"
Ich schweige ... er hat recht ...

"Deswegen wollte ich einfach, dass du zumindest die erste Zeit lang nur bei mir bist und nicht bei Nick."
"Du hast gesagt, Nick wäre nicht schwul..."
"War gelogen." Auch das tut weh ... Aber ... Wahrheit tut eben weh. Sonst fallen mir eigentlich keine weiteren Fragen ein ... Das mit dem Ritzen hat mir eh die Sprache verschlagen ... "Ich glaub, es ist besser, wenn wir uns ne Pause gönnen..."
Hiro lächelt gequält. "Also hasst du mich doch..."
"Nein", ich rolle die Augen, bereue es aber sofort, weil es so unangebracht ist. Ich und verzweifelt ... pff.. "Nur mal Pause."
Plötzlich wird Hiros Blick so böse und stechend ...

Love Drugs and Boys (boyxboy yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt